(Kiel) Nicht selten hegen Arbeitgeber den Wunsch, ihren Mitarbeitern mehr als nur „über die Schulter zu schauen“. Die Überwachungsskandale bei Lidl, der Telekom sowie zuletzt bei der Deutschen Bahn – um nur einige zu nennen – geben Anlass zu der Frage, welche Maßnahmen Arbeitgeber ergreifen dürfen, ohne die Grenze zum strafbaren Verhalten zu überschreiten.

Die Grenzen, so die Heidelberger Fachanwältin für Steuerrecht und Strafrecht  Dr. Evelyn Kelnhofer von der DASV Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, sind dabei durchaus fließend.


Das Interesse der Unternehmer an innerbetrieblicher Kontrolle ist verständlich: Schließlich handelt es sich um „ihr“ Unternehmen und es gilt, schädigende Handlungen aufzudecken und zu unterbinden. Dabei handeln viele Unternehmer nach dem Motto: „Der Zweck heiligt die Mittel“. Vielfach wird jedoch übersehen, dass interne Ermittlungsmaßnahmen eher selten in eine beweiskräftige Überführung der Mitarbeiter münden. Stattdessen machen sich die Unternehmer mit dem unbekümmerten Einsatz aller technischen Möglichkeiten oft selbst strafbar.


Zu beachten ist dabei, dass auch arbeitsrechtlich unbedenkliche Maßnahmen dennoch zu strafrechtlichen Risiken führen können. Das bedeutet allerdings nicht, dass Arbeitgeber auf jede Kontroll- oder Überwachungsmaßnahme verzichten müssen. Wo aber lauern die Strafbarkeitsrisiken?


• Verdachtsunabhängige (generelle) Überwachung von Mitarbeitern


Das Strafgesetzbuch enthält in einem Abschnitt zum „Schutz von Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs“ verschiedene Straftatbestände, die Unternehmen bei ihren Entscheidungen zur Kontrolle der Mitarbeiter erheblich einschränken. Hinzu kommen zahlreiche Verbotsnormen aus anderen Gesetzen, wie beispielsweise dem Telekommunikationsgesetz, dem Telemediengesetz und dem Bundesdatenschutzgesetz. Entscheidend ist dabei meist der Begriff „unbefugt“. Eine umfassende Überwachung der gesamten Belegschaft ohne verdachtsbezogenen Anlass dürfte regelmäßig unbefugt sein. Allein das Motiv, Straftaten abwehren zu wollen, kann nicht dazu führen, dass die gewählten Kontrollmaßnahmen automatisch als rechtens anzusehen wären.


Keinesfalls, so Kelnhofer,  sollten (alle) Mitarbeiter umfassend, zeitlich unbefristet und ohne jeden konkreten Verdacht überwacht werden.


• Einzelfallkontrolle bei konkretem Verdacht


Leider, so ihr Heidelberger Kollege, der Fachanwalt für Steuerrecht und Strafrecht Alexander Keller,  führen aber auch Einzelfallkontrollen sehr schnell in ein strafrechtliches Risiko für die Unternehmen. Neben den „Klassikern“ der Korruption und des Diebstahls am Arbeitsplatz spielen aktuell die Fälle sogenannter Betriebsspionage eine zunehmend größere Rolle. Der Straftatbestand des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG) schützt den Arbeitgeber nicht nur vor Zugriffen von außen auf sein know-how, sondern stellt auch das Verhalten von Angestellten unter Strafe, die betriebssensible Informationen an Wettbewerber oder sonstige außenstehende Dritte weitergeben. Dabei erfasst die Strafnorm auch ausgeschiedene Mitarbeiter, die Betriebsdaten noch nach Ende ihrer Beschäftigung unberechtigt für sich oder andere verwerten. Jeder Arbeitgeber wird ein besonderes Interesse daran haben, derart ungetreue Mitarbeiter zu entlarven, können doch die Weitergabe von Betriebsgeheimnissen, wie etwa Konstruktionspläne oder Kalkulationen, existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend sein. Die Motive der Unternehmen sind daher ohne Weiteres nachvollziehbar. Dennoch setzt das Strafrecht auch in konkreten Verdachtsfällen enge Grenzen.


• Konservative Überwachungsmethoden (Post, Telefon, optische und akustische Überwachung)


Die betrieblichen Räumlichkeiten, auch die Einzelbüros von Mitarbeitern, dürfen jederzeit vom Arbeitgeber betreten und besichtigt, sowie Fotografien gemacht werden. Auch die Anfertigung von Kopien betrieblicher Unterlagen, wie beispielsweise geöffneter betrieblicher Post, ist ohne Einschränkung erlaubt. Der Einsatz von Detektiven ist in aller Regel unbedenklich.


Beim Fotografieren, Filmen und Abhören von Mitarbeitern gerät das Unternehmen allerdings ganz schnell in strafrechtliche Risiken. So ist der nicht allgemein zugängliche Arbeitsplatz eines Mitarbeiters als höchstpersönlicher Lebensbereich von der Vorschrift des § 201 a StGB geschützt. Eine Videoüberwachung oder ein Abhören des Arbeitsbereichs ist daher nicht ohne Weiteres erlaubt. Für Räume, die gegen Einblicke besonders geschützt sind, wie etwa Umkleidekabinen oder Toiletten, ist dies selbstverständlich. Geschützt sein können allerdings sogar Arbeitsbereiche in Großraumbüros, wenn sie durch Vorrichtungen, wie etwa Vorhänge oder Stellwände, besonders abgetrennt sind.


Auch bei der Briefpost ist zu differenzieren: Erkennbar private Post des Mitarbeiters steht unter dem Schutz des Briefgeheimnisses nach § 202 StGB. Wer dieses verletzt, macht sich strafbar. Dagegen kann betriebliche Post unbedenklich eingesehen, fotokopiert oder fotografiert werden. Sind verschlossene Schriftstücke namentlich an einen bestimmten Adressaten gerichtet, können diese geöffnet werden, wenn dieser Zusatz offenbar nur dem schnelleren Zugang an den konkreten Adressaten innerhalb des Unternehmens dient. Sollte sich aber nach dem Öffnen herausstellen, dass es sich um einen privaten Brief handelt, ist dieser ohne Kenntnisnahme vom Inhalt zu verschließen und dem betreffenden Mitarbeiter auszuhändigen.


Dringend abzuraten ist von einem Abhören sowohl des Telefons als auch des Büros von Mitarbeitern. Solche Abhörmaßnahmen verletzten die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes, was in der Vorschrift des § 201 StGB mit hohen Freiheitsstrafen bedroht ist. Sollte im Einzelfall bei einem konkreten Tatverdacht nur diese Maßnahme zum Erfolg führen können, so ist zuvor eine sehr sorgfältige strafrechtliche Prüfung der ausnahmsweisen Zulässigkeit angezeigt. Nicht davon betroffen ist die Erhebung von Verbindungsdaten betrieblicher Telefonanschlüsse, soweit dies beispielsweise für eine Kosten- und Wirtschaftlichkeitskontrolle erforderlich und üblich ist.


Optische und akustische Überwachungsmaßnahmen, so die beiden Straf- und Steuerrechtsexperten,  bergen enorme strafrechtliche Risiken für das Unternehmen. Eine sorgfältige Einzelfallprüfung und eine rechtliche Absicherung sind unerlässlich.


• Moderne Überwachungsmethoden (PC-Nutzer-Daten und E-Mail-Verkehr)


Die Befugnis des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz seiner Mitarbeiter jederzeit aufzusuchen, rechtfertigt zunächst die Annahme, auch der betriebliche genutzte PC unterliege einem unfassenden Kontrollrecht des Arbeitgebers. Aber auch hier ist zwischen dienstlichen und privaten Dateien zu differenzieren. Dienstliche Dateien unterliegen dem Direktionsrecht des Arbeitgebers und können daher von ihm eingesehen werden. Dies gilt grundsätzlich auch für passwortgeschützte betriebliche Dateien. Denn ein strafbares Ausspähen von Daten kommt nur für solche Daten in Betracht, die nicht für den Arbeitgeber bestimmt sind (§ 202 a StGB). Das Einsehen privater Dateien, die mit einem Passwort geschützt sind, ist durch § 202 a StGB unter Strafe gestellt. Sind private Dateien nicht passwortgeschützt, so ist deren Einsichtnahme nicht ohne Weiteres strafrechtlich relevant.


Betriebliche Dateien hingegen, so betont Kelnhofer, können jederzeit eingesehen werden, auch wenn sie durch ein Passwort geschützt sind.


Große Probleme macht die – immer mehr gebräuchliche – Überwachung des E-Mail- Verkehrs von Mitarbeitern. Die wesentlichen Fragen entscheiden sich maßgeblich daran, ob den Mitarbeitern die private Nutzung des E-Mail-Verkehrs gestattet worden ist.


• Ist die private Nutzung des E-Mail-Verkehrs untersagt, so ist es unproblematisch zulässig, die Verkehrsdaten zur Unterscheidung zwischen dienstlichen und privaten E-Mails zu erheben. Zweifelhaft ist dann nur, ob auch auf die Inhalte privater E-Mails zugegriffen werden darf. Mangels Rechtsprechung und klarer Tendenz in der Fachliteratur sollte in solchen Fällen grundsätzlich von der Einsichtnahme privater E-Mails abgesehen werden. Bei starken Verdachtsmomenten gegen den betreffenden Mitarbeiter ist eine sorgfältige Einzelfallprüfung und rechtliche Absicherung zu empfehlen.


• Ist die private Nutzung des E-Mail-Verkehrs gestattet, dürfen private E-Mails grundsätzlich nicht eingesehen werden. Dies gilt auch für die Erhebung der bloßen Verkehrsdaten privater E-Mails. Hier unterliegen effiziente betriebliche Kontrollen somit erheblichen strafrechtlichen Restriktionen. Erstaunlicherweise ist nämlich der Arbeitgeber, wenn er seinen Mitarbeitern die private Nutzung des E-Mail-Verkehrs gestattet, rechtlich als Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen anzusehen und unterliegt damit dem Fernmeldegeheimnis. Dies gilt selbstverständlich auch für konzern- oder betriebsinterne nationale oder auch globale Telekommunikationsnetze. In diesem Bereich finden die Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes sowie des Telemediengesetzes Anwendung.



Die Gestattung der privaten Nutzung von PC und E-Mail-Verkehr stellt das Unternehmen bei Kontrollmaßnahmen vor schwer einschätzbare strafrechtliche Risiken, betonen beide Experten. Die Erlaubnis sollte zumindest ausdrücklich an ein Kontrollrecht des Arbeitgebers geknüpft werden.


• Fazit:


Nicht alle technisch möglichen Überwachungsmaßnahmen gegen Mitarbeiter sind auch ohne Weiteres rechtlich unbedenklich. Im Gegenteil: Das Unternehmen läuft selbst Gefahr, sich strafbar zu machen. Generelle Überwachungsmaßnahmen sind auf jeden Fall zuvor einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Auch bei konkreten Verdachtsgründen im Einzelfall muss jede einzelne Überwachungsmaßnahme für sich zuvor rechtlich geprüft werden. Hier sind allerdings effiziente betriebsinterne Maßnahmen dann möglich, wenn sie wegen der Stärke des Tatverdachts nicht mehr als unbefugt im Sinne der Vorschriften zum Schutz vor Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs der Mitarbeiter angesehen werden können (§§ 201 StGB ff.).


Ist der Verdacht gegen den betreffenden Mitarbeiter durch zulässige interne Kontrollmaßnahmen erhärtet, so sollte der Vorgang den Strafverfolgungsbehörden unterbreitet werden. Bei einfachen Fallgestaltungen kann dies direkt durch Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft geschehen. Bei rechtlich schwierigeren und komplexeren Fällen ist es erfahrungsgemäß sinnvoll, wenn ein vom Unternehmen beauftragter Rechtsanwalt den Sachverhalt für die Staatsanwaltschaft aufbereitet. Die Übergabe der Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft hat regelmäßig zur Folge, dass die weiteren Ermittlungsmaßnahmen – für das Unternehmen völlig unproblematisch – durch die Staatsanwaltschaft und ggf. auch den Ermittlungsrichter veranlasst werden.


Die gut vorbereitete und rechtzeitige Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden, so betonen beide Experten unisono, nimmt den Unternehmen jegliche Strafbarkeitsrisiken.
Kelnhofer empfahl, bei allen Fragen dazu auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen und verwies in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  –


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Dr. Evelyn Kelnhofer*
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Strafrecht
Fachanwältin für Steuerrecht
KellerRechtsanwälte
Partnerschaftsgesellschaft
Friedrich-Ebert-Anlage 35
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Tel.: 06221 1404-0
Fax: 06221 1404-44
mail@keller-rechtsanwälte.de



Alexander Keller*
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
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