Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.10.2023, AZ 7 Ta 1/22

Ausgabe: 10-2023

1. Beantragt eine Partei, streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise nach § 16 Abs. 1 GeschGehG als geheimhaltungsbedürftig einzustufen, ist hierüber vorab durch Beschluss zu entscheiden.

2. Verstößt das Arbeitsgericht hiergegen und erlässt ein Endurteil, ist nach Maßgabe des Meistbegünstigungsgrundsatzes, sofern die Einstufung als geheimhaltungsbedürftig zweitinstanzlich weiterverfolgt wird, eine eingelegte Berufung in Bezug auf den Einstufungsantrag in das Beschwerdeverfahren überzuleiten und im Übrigen die Berufung bis zur nicht anfechtbaren Entscheidung über den Einstufungsantrag auszusetzen.

3. Der auf das insoweit als sofortige Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel ergangene Beschluss ist nicht isoliert anfechtbar, sondern nur gemeinsam mit dem Rechtsmittel der Hauptsache.

4. Soweit zugleich beantragt wird, die Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung auszuschließen, ist dieses weitere Begehren nicht vom Vorabverfahren nach § 20 GeschGehG erfasst.

5. Für den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit im zweitinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren ist auf § 52 ArbGG in Verbindung mit § 64 Abs. 7 ArbGG zurückzugreifen.

6. Ein Einstufungsantrag nach § 16 Abs. 1 GeschGehG ist nur statthaft, wenn der Antragsteller eine Geschäftsgeheimnisstreitsache mit den sich aus Abschnitt 2 des GeschGehG ergebenden Streitigkeiten verfolgt.

7. Es genügt als tatbestandliche Voraussetzung, dass die streitgegenständlichen als geheimhaltungsbedürftig einzustufenden Informationen im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG ein Geschäftsgeheimnis sein können. Das folgt aus der richtlinienkonformen Auslegung des Art. 9 Abs. 1 (EU) 2016/943 vom 08.06.2016 (ABl. L 157 vom 15.06.2016, S. 1). Dementsprechend reicht es aus, dass für das Vorliegen eines solchen Geschäftsgeheimnisses eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht (Prognoseentscheidung).

8. Liegt danach ein mögliches Geschäftsgeheimnis vor, ist in aller Regel nur eine Einstufung als geheimhaltungsbedürftig ermessensfehlerfrei. Etwas anderes kommt allenfalls bei eindeutig rechtsmissbräuchlichen Anträgen in Betracht.

9. Für das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses genügt die Glaubhaftmachung der tatbestandlichen Voraussetzungen. Davon ist auszugehen, wenn nach freier Würdigung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht.

Weitere Informationen: http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprec…