(Kiel) Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat am 23.03.2011 einen langwierigen Rechtsstreit zwischen Nokia und der Robert Bosch GmbH in der Berufungsinstanz entschieden.

In dem Fall, so der Düsseldorfer Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Informationstechnologierecht Horst Leis, LL.M. von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, geht es darum, ob eine der beiden Seiten verlangen kann, dass die jeweils andere Seite dem Abschluss eines Lizenzvertrags über eine Vielzahl von Patenten aus dem Bereich der Mobilfunktechnik zustimmt. Das Landgericht Mannheim hatte die Klage von Nokia gegen Bosch und die Widerklage von Bosch gegen Nokia abgewiesen. Der u.a. für Patentstreitsachen und für Kartellstreitigkeiten zuständige 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat nun die Berufung beider Seiten gegen die Entscheidung des Landgerichts durch Urteil vom 23.03.2011, Az.: 6 U 66/09, zurückgewiesen, so Leis.

Bosch war früher auch im Bereich der Mobilfunktechnik tätig. Diesen Geschäftsbereich hat Bosch im Jahr 2000 veräußert, dabei jedoch ein Portfolio von mehreren hundert Patenten auf dem Gebiet der Mobilfunktechnologie behalten. Einige dieser Patente werden von den Parteien als „standard-essentiell“ angesehen. Als „standard-essentiell“ bezeichnet man ein Patent, wenn die Erfindung zwingend benutzt werden muss, um ein Handy herzustellen, das den von der Industrie vereinbarten technischen Standards (z.B. dem UMTS-Standard) entspricht.

Nokia und Bosch haben bis Ende 2006 über den Abschluss eines Lizenzvertrags an dem Patentportfolio verhandelt, konnten sich aber über die von Nokia zu zahlende Lizenzgebühr nicht einigen. 2007 veräußerte Bosch das Patentportfolio an die IPCom GmbH & Co. KG. Diese hat inzwischen, gestützt auf Patente aus dem Portfolio, mehrere Klagen gegen Nokia wegen Patentverletzung erhoben. Bosch hat im Jahr 2002 einem anderen, in Korea ansässigen Handy-Hersteller eine Lizenz an dem Patentportfolio gegen Zahlung eines pauschalen Betrags von 12,5 Millionen US-Dollar eingeräumt. Nokia vertritt die Auffassung, Bosch sei verpflichtet, ihr einen Lizenzvertrag zu gleichartigen Bedingungen anzubieten. Bosch könne von ihr grundsätzlich nicht mehr als von dem koreanischen Hersteller, jedenfalls aber nicht mehr als eine Einmalzahlung von 35 Millionen Euro verlangen. Mit ihrer Klage verlangt sie die Verurteilung von Bosch, in einen Vertragsschluss zu solchen Bedingungen einzuwilligen.


Bosch, die von IPCom unterstützt wird, vertritt demgegenüber die Ansicht, es gebe so zahlreiche und gewichtige Unterschiede zwischen der Situation des koreanischen Herstellers und Nokia, dass die damals vereinbarte Lizenzgebühr für einen mit Nokia abzuschließenden Vertrag nicht maßgeblich sein könne. Bosch sei zwar grundsätzlich bereit, Nokia eine Lizenz zu gewähren, die Lizenzgebühren müssten jedoch deutlich über den von Nokia angebotenen Beträgen liegen. Bosch verlangt von Nokia im Wege der Widerklage, in einen Vertragsschluss zu Bedingungen einzuwilligen, die Bosch für angemessen hält. Sie fordert insbesondere Lizenzgebühren, die vom Umsatz von Nokia mit entsprechenden Produkten abhängig sein soll.


Der 6. Zivilsenat hat in einem umfangreichen, knapp sechzigseitigen Urteil die Auffassung des Landgerichts Mannheim bestätigt, so Leis, dass sowohl die Klage als auch die Widerklage nicht begründet sind. Beide Seiten haben sich im Prozess auf den Standpunkt gestellt, zwischen ihnen sei ein sogenannter Vorvertrag zustande gekommen, aufgrund dessen sie zum Vertragsschluss verpflichtet seien. Von einem Vorvertrag spricht man, wenn die Verhandlungspartner sich zwar noch nicht über alle vertragswesentlichen Punkte einigen können, aber entschlossen sind, einen Vertrag zu schließen und sich jedenfalls darüber einig sind, nach welchen Maßstäben man sich über die noch offenen Punkte einigen will.


Der 6. Zivilsenat teilt diesen Standpunkt der Parteien nicht. Die Parteien hätten zwar im Grundsatz darin übereingestimmt, dass ein Lizenzvertrag gewünscht werde. Sie hätten sich aber im Laufe der Verhandlungen auf Standpunkte festgelegt, die weit auseinander lägen und nicht miteinander in Einklang zu bringen seien. Deshalb könne nicht angenommen werden, dass ein Vorvertrag geschlossen worden sei. Dementsprechend könne mit dieser Begründung weder Nokia von Bosch den Abschluss eines endgültigen Lizenzvertrags verlangen noch umgekehrt Bosch von Nokia. Nokia hat die Klage außerdem auf das Kartellrecht gestützt. Die Veräußerung des Portfolios von Bosch an IPCom sei unwirksam. Der Zweck dieses Geschäfts sei es gewesen, Nokia die Berufung darauf zu erschweren, dass sie einen Lizenzvertrag zu den gleichen Bedingungen verlangen könne, wie sie 2002 dem koreanischen Handy-Hersteller eingeräumt wurden. Diese Auffassung teilt der 6. Zivilsenat nicht. Da der Vertrag mit dem koreanischen Unternehmen schon 2002 geschlossen wurde und die maßgeblichen Verhältnisse deutliche Unterschiede aufwiesen, könne Nokia keine Gleichbehandlung verlangen. Die Revision ist nicht zugelassen worden.

Leis empfahl, dies zu beachten und bei Fragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei er in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  – verwies.


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