(Kiel) Der Bun­des­gericht­shof hat soeben eine Entschei­dung zur Unan­wend­barkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf Lebens- und Renten­ver­sicherun­gen und Zusatzver­sicherun­gen zur Lebensver­sicherung getroffen.


Darauf ver­weist der Ham­burg­er Recht­san­walt Matthias W. Kroll, LL.M., Leit­er des Fachauss­chuss­es „Finanz­di­en­stleis­tungs- und Ver­sicherungsrecht“ der DASV Deutschen Anwalt- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel, unter Hin­weis auf die Mit­teilung des Bun­des­gericht­shofs (BGH) vom 7.05.2014 zu seinem Urteil vom sel­ben Tage, Az. IV ZR 76/11.


Der kla­gende Ver­sicherungsnehmer begehrt Rück­zahlung geleis­teter Ver­sicherungs­beiträge aus ein­er Renten­ver­sicherung nach einem Wider­spruch gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. und Schadenser­satz wegen vorver­traglich­er Aufklärungspflichtverletzung.


Er beantragte bei der Beklagten den Abschluss eines Renten­ver­sicherungsver­trages mit Ver­trags­be­ginn zum 1. Dezem­ber 1998. Die All­ge­meinen Ver­sicherungs­be­din­gun­gen und die Ver­braucher­in­for­ma­tion erhielt er mit Übersendung des Ver­sicherungss­cheins. Dabei wurde er nicht aus­re­ichend über sein Wider­spruch­srecht belehrt. Von Dezem­ber 1998 bis Dezem­ber 2002 zahlte der Kläger Ver­sicherungs­beiträge in Höhe von ins­ge­samt 51.129,15 €. Nach­dem er den Ver­trag im Juni 2007 gekündigt hat­te, kehrte ihm die Beklagte im Sep­tem­ber 2007 einen Rück­kauf­swert von 52.705,94 € aus. Mit Schreiben vom 31. März 2008 erk­lärte der Kläger den Wider­spruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte sie zur Rück­zahlung aller Beiträge neb­st Zin­sen auf.


Die Vorin­stanzen haben die Klage abgewiesen, weil der Wider­spruch gegen das Zus­tandekom­men des Ver­trages gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ver­fris­tet gewe­sen sei. Mit der Revi­sion ver­fol­gt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.


Der für das Ver­sicherungsver­tragsrecht zuständi­ge IV. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat mit Beschluss vom 28. März 2012 (Ver­sR 2012, 608) dem Gericht­shof der Europäis­chen Union zur Vor­abentschei­dung die Frage vorgelegt, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zweit­en Richtlin­ie Lebensver­sicherung unter Berück­sich­ti­gung des Art. 31 Abs. 1 der Drit­ten Richtlin­ie Lebensver­sicherung dahin auszule­gen ist, dass er ein­er Regelung wie in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ent­ge­gen­ste­ht, nach der ein Rück­tritts- oder Wider­spruch­srecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Ver­sicherung­sprämie erlis­cht, selb­st wenn der Ver­sicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rück­tritt oder Wider­spruch belehrt wor­den ist.


Der Gericht­shof der Europäis­chen Union hat mit Urteil vom 19. Dezem­ber 2013 (Ver­sR 2014, 225) die Vor­lage­frage bejaht. Der IV. Zivilse­n­at hat­te zu entschei­den, welche Fol­gerun­gen sich aus diesem Urteil für den Stre­it­fall und ver­gle­ich­bare Ver­fahren ergeben.


Bezüglich der Schadenser­satz­forderung ist die Revi­sion als unzuläs­sig ver­wor­fen wor­den, weil sie insoweit vom Beru­fungs­gericht nicht zuge­lassen wor­den ist.


Soweit der Kläger einen Bere­icherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB gel­tend macht, hat der Sen­at das Beru­fung­surteil aufge­hoben und die Sache an das Beru­fungs­gericht zurückverwiesen.


Der Kläger kann dem Grunde nach aus ungerecht­fer­tigter Bere­icherung Rück­zahlung der an die Beklagte gezahlten Prämien ver­lan­gen, weil er diese rechts­grund­los geleis­tet hat. Der zwis­chen den Parteien abgeschlossene Renten­ver­sicherungsver­trag ist auf der Grund­lage des § 5a VVG a.F. nicht wirk­sam zus­tande gekom­men, weil der Kläger rechtzeit­ig den Wider­spruch erk­lärt hat. Soweit er sich darauf beruft, das Poli­cen­mod­ell als solch­es sei euro­parechtswidrig, kon­nte der Sen­at offen­lassen, ob sich ein Ver­sicherungsnehmer, der ord­nungs­gemäß über sein Wider­spruch­srecht belehrt wor­den ist und die Ver­sicherungs­be­din­gun­gen sowie eine Ver­braucher­in­for­ma­tion erhal­ten hat, darauf nach Durch­führung des Ver­trages noch berufen kön­nte. Jeden­falls wurde die 14-tägige Wider­spruchs­frist gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber dem Kläger nicht in Lauf geset­zt, da er nach den für das Revi­sionsver­fahren binden­den Fest­stel­lun­gen des Beru­fungs­gerichts mit Übersendung des Ver­sicherungss­cheins nicht in druck­tech­nisch deut­lich­er Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Wider­spruch­srecht belehrt wurde.


Nach­dem der Kläger die erste von ihm geschuldete Prämie im Dezem­ber 1998 gezahlt hat­te, wäre gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sein Recht zum Wider­spruch längst erloschen gewe­sen, als er diesen im März 2008 erk­lärte. Indes bestand sein Wider­spruch­srecht nach Ablauf der Jahres­frist und noch im Zeit­punkt der Wider­spruch­serk­lärung fort. Das ergibt sich aus ein­er richtlin­ienkon­for­men Ausle­gung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grund­lage der Vor­abentschei­dung des Gericht­shofs der Europäis­chen Union. Die Vorschrift weist eine verdeck­te Regelungslücke im Sinne ein­er plan­widri­gen Unvoll­ständigkeit des Geset­zes auf. Sie ste­ht in Wider­spruch zu dem mit dem Gesetz ver­fol­gten Grun­dan­liegen, die Dritte Richtlin­ie Lebensver­sicherung ord­nungs­gemäß in deutsches Recht umzuset­zen. Die Regelung ist richtlin­ienkon­form dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwen­dungs­bere­ich der Zweit­en und der Drit­ten Richtlin­ie Lebensver­sicherung keine Anwen­dung find­et und für davon erfasste Lebens- und Renten­ver­sicherun­gen sowie Zusatzver­sicherun­gen zur Lebensver­sicherung grund­sät­zlich ein Wider­spruch­srecht fortbeste­ht, wenn der Ver­sicherungsnehmer nicht ord­nungs­gemäß über sein Recht zum Wider­spruch belehrt wor­den ist und/oder die Ver­braucher­in­for­ma­tion oder die Ver­sicherungs­be­din­gun­gen nicht erhal­ten hat. Hinge­gen ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. für alle Ver­sicherungsarten außer­halb des Bere­ichs der Richtlin­ien unverän­dert anwendbar.


Der Höhe nach umfasst der Bere­icherungsanspruch des Klägers nicht uneingeschränkt alle Prämien, die er an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirk­samen Ver­sicherungsver­trag verpflichtet gewe­sen zu sein. Im Rah­men ein­er gemein­schaft­srechtlich geforderten rechts­fort­bilden­den Ausle­gung ein­er nationalen Norm darf bei der Regelung der Rechts­fol­gen des Wider­spruchs nach nationalem Recht ein vernün­ftiger Aus­gle­ich und eine gerechte Risikoverteilung zwis­chen den Beteiligten hergestellt wer­den. Der Ver­sicherungsnehmer hat während der Prämien­zahlung Ver­sicherungss­chutz genossen. Erlangter Ver­sicherungss­chutz ist ein Ver­mö­gensvorteil, dessen Wert zu erset­zen sein kann. Dieser kann unter Berück­sich­ti­gung der Prämienkalku­la­tion bemessen wer­den; bei Lebensver­sicherun­gen kann etwa dem Risikoan­teil Bedeu­tung zukom­men. Hierzu wird das Beru­fungs­gericht noch Fest­stel­lun­gen zu tre­f­fen haben.


Kroll riet, dies zu beacht­en und in allen Zweifels­fra­gen Recht­srat einzu­holen, wobei er dazu u. a. auch auf die entsprechend spezial­isierten Anwälte und Anwältin­nen in der DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.

 

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Matthias W. Kroll, LL.M.
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