(Brühl) In einem soeben veröffentlichten Urteil vom 23.01.2009 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass derjenige, der als Herausgeber der Erstausgabe ein entsprechendes Verwertungsrecht an einem (Opern-) Werk beansprucht, grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass dieses Werk „nicht erschienen“ ist. (BGH AZ:: I ZR 19/07- Motezuma)

In dem ausgeurteilten Fall, so die Hamburger Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht Karin Scheel-Pötzl von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Brühl, hatte der BGH die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Werk bislang „nicht erschienen“ ist mit der Folge, dass dem Herausgeber der Erstausgabe ein Verwertungsrecht nach § 71 UrhG zusteht. Der Fall, so Scheel-Pötzl, hatte folgende Vorgeschichte:
Im Handschriftenarchiv der Klägerin, der Sing-Akademie zu Berlin, wurde im Jahre 2002 die Komposition des 1741 verstorbenen Komponisten Antonio Vivaldi zur Oper „Motezuma“ entdeckt. Die Oper war im Jahre 1733 unter Leitung Vivaldis am Teatro S: Angelo in Venedig uraufgeführt worden. Während das Libretto der Oper bekannt blieb, galt die Komposition lange als verschollen. Die Klägerin gab Faksimilekopien der aufgefundenen Handschrift heraus. Sie ist der Ansicht, sie habe damit als Herausgeberin der Erstausgabe des Werkes („editio princeps“) nach § 71 UrhG das ausschließliche Recht zur Verwertung dieser Komposition erworben. Nach dieser Bestimmung steht demjenigen ein solches dem Urheberrecht ähnliches Recht zu, der „ein bislang nicht erschienenes Werk … erstmals erscheinen lässt“. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, der Veranstalterin des Düsseldorfer Kulturfestivals „Altstadtherbst“, Schadensersatz, weil diese die Oper im September 2005 in Düsseldorf ohne ihre Zustimmung aufgeführt hat.
Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin, so Scheel-Pötzl, hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass derjenige, der als Herausgeber der Erstausgabe ein entsprechendes Verwertungsrecht an einem Werk beansprucht, grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass dieses Werk „nicht erschienen“ ist. Da es in aller Regel schwierig sei, das Nichtvorliegen einer Tatsache darzulegen und nachzuweisen, insbesondere das Nichterschienensein eines jahrhundertealten Werkes, kann der Anspruchsteller sich allerdings zunächst auf die Behauptung beschränken, das Werk sei bislang nicht erschienen. Es ist dann Sache der Gegenseite, die Umstände darzulegen, die dafür sprechen, dass das Werk doch schon erschienen ist. Der Anspruchsteller genügt seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er diese Umstände widerlegt.
Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin – so der Bundesgerichtshof – nicht hinreichend dargelegt, dass Vivaldis Komposition zur Oper „Motezuma“ „nicht erschienen“ ist. Ein Werk sei nach § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG erschienen, wenn Vervielfältigungsstücke „in genügender Anzahl“ der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind. Das sei der Fall, wenn die Zahl der Kopien ausreicht, um dem interessierten Publikum die Kenntnisnahme des Werkes zu ermöglichen. Danach ist – so der BGH – davon auszugehen, dass die Komposition zur Oper „Motezuma“ bereits im Jahre 1733 „erschienen“ ist. Aus den von den Parteien vorgelegten Stellungnahmen namhafter Musikwissenschaftler gehe hervor, dass damals die für venezianische Opernhäuser angefertigten Auftragswerke – und um ein solches handelte es sich bei der Oper „Motezuma“ – üblicherweise nur während einer Spielzeit an dem jeweiligen Opernhaus aufgeführt wurden; zudem wurde regelmäßig ein Exemplar der Partitur bei dem Opernhaus hinterlegt, von dem – wie allgemein bekannt war – Interessenten (etwa auswärtige Fürstenhöfe) Abschriften anfertigen lassen konnten. Ob es sich auch im Falle der Oper „Motezuma“ so verhalten hat, kann zwar heute nicht mehr festgestellt werden. Da die Klägerin jedoch keine Anhaltspunkte für einen abweichenden Ablauf vorgetragen hat, besteht auch in diesem Fall eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass bereits mit der Übergabe des Notenmaterials an die Beteiligten der Uraufführung und der Hinterlegung eines Exemplars der Partitur bei dem Opernhaus alles getan war, um dem venezianischen Opernpublikum und möglichen Interessenten an Partiturabschriften ausreichend Gelegenheit zur Kenntnisnahme der Komposition zu geben.


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