(Kiel) Der Bundesgerichtshof hat am 13. April 2010 entschieden, dass Sparern bei Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel in einem Prämiensparvertrag kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 316, § 315 Abs. 1 BGB zur Zinsanpassung zusteht, sondern die Lücke im Wege einer objektivierten, von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelösten ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu schließen ist.

Darauf verweist der Hamburger Rechtsanwalt Matthias W. Kroll, LL.M., Leiter des Fachausschusses „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“ der DASV Deutschen Anwalt- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13. April 2010 – XI ZR 197/09.


Die Klägerin und ihr Ehemann schlossen im Jahr 1986 mit der Rechtsvorgängerin der beklagten Sparkasse einen Prämiensparvertrag über ein so genanntes S-Versicherungssparen mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren, durch das – neben Zinsen in Höhe des „jeweils gültigen Zinssatzes für S-Versicherungsspareinlagen“ – mit zunehmender Vertragsdauer steigende Prämien zu erzielen waren. Die maximale Sparprämie von 30 % fiel erst bei Erreichen der vollen Vertragslaufzeit an. Bei Abschluss des Vertrages betrug der von der Beklagten gezahlte Nominalzins für S-Versicherungssparen jährlich 5 %. Die Klägerin und ihr Ehemann zahlten in den Jahren 1986 bis 2005 die vereinbarten Sparbeträge ein. Mit Ablauf des Sparvertrages zahlte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 22.034,20 € aus. Nach Beanstandung durch die Klägerin nahm sie eine Neuberechung anhand einer Kombination aus den in der Bundesbankstatistik ausgewiesenen Zinssätzen für zwei- und zehnjährige Spareinlagen im Verhältnis von 20 % zu 80 % vor, wobei sie den Zinssatz nur dann anpasste, wenn sich dieser Referenzzins um mehr als 0,1 Prozentpunkte verändert hatte. Die Neuberechnung ergab lediglich einen geringfügig höheren Zinsanspruch der Klägerin. Die Klägerin hat unter Zugrundelegung des Spareckzinses und einer Anpassungsschwelle von 0,01 Prozentpunkten die Beklagte u. a. auf Zahlung weiterer Sparzinsen in Höhe von 3.101,18 € in Anspruch genommen. Die Klage hatte – bis auf einen geringen von der Beklagten anerkannten Betrag – in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.


Der Bundesgerichtshof hat in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten abgedruckte Zinsänderungsklausel gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam ist, weil sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist, betont Kroll.


Ebenfalls in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen hat er entschieden, dass die durch die Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel im Vertrag entstandene Lücke der Klägerin kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zur Zinsanpassung gemäß § 316, § 315 Abs. 1 BGB eröffnet, sondern im Wege ergänzender Vertagsauslegung (§§ 133, 157 BGB) dahingehend zu schließen ist, welche Regelung die Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der Klausel nach dem Vertragszweck und angemessener Abwägung der beiderseitigen Interessen gewählt hätten. Die Auslegung solcher typischen formularmäßigen Klauseln hat allgemeinverbindlich, unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls zu erfolgen und ist daher in vollem Umfang vom Revisionsgericht überprüfbar. Der Bundesgerichtshof hat beanstandet, dass das Berufungsgericht die Vertragslücke durch Heranziehung der von der Beklagten bei ihrer Neuberechnung zugrunde gelegten Parameter geschlossen hat. Diese Auslegung ist nicht interessengerecht. Die – auch nur teilweise – Einbeziehung eines Referenzzinses für kurzfristige zweijährige Spareinlagen wird dem Vertragszweck, der auf das Erreichen der maximalen Sparprämie nach voller zwanzigjähriger Laufzeit ausgerichtet ist, nicht gerecht. Auch eine Anpassungsschwelle von 0,1 Prozentpunkten, die in der – unwirksamen – Vertragsklausel nicht vorgesehen war, ist nicht interessengerecht. Vielmehr hat sich der Referenzzins an den in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinsen für langfristige Spareinlagen, die der zwanzigjährigen Laufzeit unter Berücksichtigung des Ansparvorgangs nahe kommen, zu orientieren, wobei sich jede Veränderung auch auf den Vertragszins auswirken muss und eine Änderung entsprechend dem Veröffentlichungszyklus der Bundesbankberichte monatlich vorzunehmen ist.


Bei der Zinsänderung ist ferner das Äquivalenzprinzip zu beachten, wobei es bei dem vorliegenden Sparvertrag nicht interessengerecht ist, von einem absolut gleich bleibenden Abstand des Vertragszinses zum Referenzzins in Prozentpunkten auszugehen. Das würde zum einen dazu führen, dass eine feste Marge ohne Rücksicht auf die Marktverhältnisse im Neukundengeschäft über zwanzig Jahre festgeschrieben wäre und zum anderen bei sehr ungünstiger Entwicklung des Referenzzinses der Anspruch des Kunden auf Null absinken oder gar negativ werden könnte. Jedenfalls bei ergänzender Vertragslauslegung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien dies vereinbart hätten. Maßgeblich ist daher vorliegend der relative Abstand zwischen anfänglichem Vertrags- und Referenzzins in Prozent. Dadurch werden das Äquivalenzverhältnis gewahrt und unzumutbare Ergebnisse verhindert. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden, um weitere Feststellungen zum sachgerechten Referenzzins zu treffen.


Kroll riet, das Urteil zu beachten und in allen Zweifelsfragen Rechtsrat einzuholen, wobei er  dazu u. a. auch auf die entsprechend spezialisierten Anwälte und Anwältinnen in der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.


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Matthias W. Kroll, LL.M.
Rechtsanwalt/Master of Insurance Law
Leiter des Fachausschusses XIV „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“
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