(Kiel) Der Bun­des­gericht­shof hat am 6. April 2011 in zwei Fällen über die Wirk­samkeit von Preisan­pas­sungsklauseln in Fer­n­wärmeliefer­verträ­gen entschieden.

Im ersten Fall (Az.: VIII ZR 273/09), so der Kiel­er Recht­san­walt Jens Klar­mann, Lan­desre­gion­alleit­er „Schleswig-Hol­stein“ der DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, ver­langte die Klägerin, ein kom­mu­nales Ver­sorgung­sun­ternehmen, von der beklagten Woh­nungs­baugenossen­schaft restliche Zahlung von Fer­n­wärme für das Jahr 2006. Die Klägerin erhöhte im Jahre 2006 den Wärmear­beit­spreis vier Mal, dem trat die Beklagte ent­ge­gen und nahm Zahlun­gen nur auf der Basis des Wärmear­beit­spreis­es aus dem Jahre 2005 vor. Zur Änderung dieses Wärmear­beit­spreis­es heißt es in dem zwis­chen den Parteien geschlosse­nen Fernwärmeliefervertrag: 

“…Der Arbeit­spreis für die zu ver­rech­nen­den Men­gen ändert sich entsprechend nach­ste­hen­der Formel: 

WAP = WAP0 + 1,26 x (HEL – 31,24) €/MWh …”

Dabei ste­ht WAP für den aktuellen und WAP0 für den ursprünglichen Wärmear­beit­spreis. Bei dem mit “HEL” beze­ich­neten Fak­tor han­delt es sich um den vom Sta­tis­tis­chen Bun­de­samt monatlich veröf­fentlicht­en Preis für leicht­es Heizöl. Das Landgericht Dessau-Roßlau hat der Klage stattgegeben, das Ober­lan­des­gericht Naum­burg hat sie auf die Beru­fung der Beklagten abgewiesen. Die dage­gen gerichtete Revi­sion des Ver­sorgung­sun­ternehmens hat­te keinen Erfolg, betont Klarmann.

Im zweit­en Fall (Az.: VIII ZR 66/09) ver­langte die Klägerin, eben­falls ein kom­mu­nales Ver­sorgung­sun­ternehmen, von den Beklagten Zahlung für Fer­n­wärme, die sie in den Jahren 2001 bis 2003 für die von den Beklagten angemietete Woh­nung geliefert hat. Die Beklagten zahlten zwar die von der Klägerin geforderten Abschläge, glichen jedoch die jew­eili­gen Endabrech­nun­gen nicht aus, denen die Klägerin jew­eils die Preise ihrer aktuellen Preis­blät­ter zugrunde legte. Die von der Klägerin im maßge­blichen Zeitraum ver­wen­de­ten Preis­bes­tim­mungen laut­en auszugsweise wie folgt: 

HEL L

“AP = AP0 x (0,5 x—–+ 0,2 x —- + 0,3 x fEG)” 

HEL0 L0

“HEL” beze­ich­net dabei eben­falls den vom Sta­tis­tis­chen Bun­de­samt veröf­fentlicht­en Preis für leicht­es Heizöl, “L” entspricht dem jew­eili­gen Index für den tar­i­flichen Stun­den­lohn in der Fer­n­wärmev­er­sorgung. Der Fak­tor “fEG” ist im Ver­trag wie fol­gt definiert: 

“fEG = jew­eiliger Preisän­derungs­fak­tor im Gas­bezug der … [Klägerin] gegenüber dem Stand zum 01.01.97 — er wird anhand der Bes­tim­mungen in dem Gas­bezugsver­trag der … [Klägerin] ermit­telt und vom Vor­liefer­an­ten (z.Z. BEB Erdgas und Erdöl GmbH) der … [Klägerin] mit­geteilt. fEG = 1,0000 Basiswert zum Stand 01.01.97)”

Das Amts­gericht Lübeck hat die Klage abgewiesen, das Landgericht Lübeck hat ihr auf die Beru­fung der Klägerin stattgegeben. Die dage­gen gerichtete Revi­sion der Fer­n­wärmekun­den hat­te Erfolg, so Klarmann.

Der VIII. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat entsch­ieden, dass sich Kun­den gegen das Zahlungs­begehren des Energiev­er­sorg­ers mit dem Ein­wand vertei­di­gen kön­nen, die den Preis­er­höhun­gen zugrunde liegende Preisan­pas­sungsklausel sei unwirk­sam. Zwar berechtigt § 30 AVBFer­n­wärmeV den Kun­den zur Zahlungsver­weigerung nur, wenn ein offen­sichtlich­er Fehler vor­liegt. Nicht von dem Ein­wen­dungsauss­chluss des § 30 AVBFer­n­wärmeV erfasst sind aber nach der Recht­sprechung des Bun­des­gericht­shofs Ein­wen­dun­gen des Kun­den, die sich nicht auf bloße Abrech­nungs- oder Rechen­fehler beschränken, son­dern die Grund­la­gen der Ver­trags­beziehung betr­e­f­fen. Um eine der­ar­tige Ein­wen­dung han­delt es sich, wenn der Kunde Ein­wände gegen die Wirk­samkeit ein­er vom Ver­sorgung­sun­ternehmen vor­for­mulierten Preisan­pas­sungsklausel erhebt. 

Der Bun­des­gericht­shof hat zudem entsch­ieden, dass Preisan­pas­sungsklauseln den Anforderun­gen des § 24 Abs. 3 AVBFer­n­wärmeV nur dann gerecht wer­den, wenn sie neben einem Mark­tele­ment auch ein Kostenele­ment enthal­ten. Nur hier­durch wird sichergestellt, dass neben der Koste­nen­twick­lung auf dem Wärmemarkt auch die dem Ver­sorgung­sun­ternehmen entste­hen­den Kosten der Erzeu­gung und der Bere­it­stel­lung (etwa Trans­port, Verteilung) von Fer­n­wärme bei ein­er Preisan­pas­sung angemessen berück­sichtigt wer­den. Darüber hin­aus ver­langt § 24 Abs. 3 AVBFer­n­wärmeV, Preisan­pas­sungsklauseln so trans­par­ent zu gestal­ten, dass der Kunde den Umfang der auf ihn zuk­om­menden Preis­steigerung aus der For­mulierung hin­re­ichend erken­nen kann. 

Den beschriebe­nen Anforderun­gen wer­den die Preisan­pas­sungsklauseln in den heute entsch­iede­nen Fällen nicht gerecht. Im ersten Fall sind bei der Preisan­pas­sungsklausel die konkreten Kosten der Erzeu­gung der Fer­n­wärme durch die Klägerin und damit das von § 24 Abs. 3 AVBFer­n­wärmeV geforderte Kostenele­ment unberück­sichtigt geblieben. Denn die ver­wen­dete Klausel für den Wärmear­beit­spreis sieht als einzige Vari­able den Preis für extra leicht­es Heizöl (“HEL”) vor, die Klägerin set­zt aber zur Wärmeerzeu­gung Erdgas ein und hat nicht dargelegt, ob und inwieweit die Entwick­lung ihrer eige­nen Erdgas­bezugskosten eben­falls an dem von ihr ange­set­zten oder wenig­stens einem ähn­lichen “HEL”-Faktor aus­gerichtet ist. 

Im zweit­en Fall genügt der Fak­tor “fEG” nicht den Trans­paren­zan­forderun­gen, weil dem Kun­den nicht offen gelegt wird, wie sich dieser Fak­tor berech­net, und er daher nicht nachvol­lziehen kann, welche Kri­te­rien auf den Gas­bezugspreis der Klägerin Ein­fluss haben. Das Ver­fahren wurde an das Beru­fungs­gericht zurück­ver­wiesen, damit Fest­stel­lun­gen dazu getrof­fen wer­den kön­nen, ob das Nach­forderungsver­lan­gen der Klägerin – wie von dieser behauptet – auch bei Zugrun­dele­gung der bei Ver­tragss­chluss gel­tenden Preise, also ohne Berück­sich­ti­gung der erfol­gten Preis­er­höhun­gen, begrün­det ist. 

Klar­mann emp­fahl, dies zu beacht­en und bei Fra­gen auf jeden Fall Recht­srat einzu­holen, wobei er in diesem Zusam­men­hang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  — verwies.

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