(Kiel) Bun­desweit gehen rd. 40 Mil­lio­nen Beschäftigte täglich ihrer Arbeit nach, ohne sich je darüber Gedanken zu machen, für welche Pflichtver­let­zun­gen sie eigentlich vom Arbeit­ge­ber oder auch von Kol­legin­nen und Kol­le­gen haft­bar gemacht wer­den können.

Unter dem Begriff “Arbeit­nehmer­haf­tung”, so erläutert der Köl­ner Fachan­walt für Arbeit­srecht   Fen­i­more von Bre­dow von der  DASV Deutschen Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, wer­den all­ge­mein die Fol­gen von Pflichtver­let­zun­gen des Arbeit­nehmers bei betrieblich­er Tätigkeit zusam­menge­fasst. Solche Pflichtver­let­zun­gen kön­nen z. B. man­gel­nde Arbeit­squal­ität, Pro­duk­tion von Auss­chuss, oder auch man­gel­hafte Beauf­sich­ti­gung oder Bedi­enung von Eigen­tum des Arbeit­ge­ber (Beschädi­gung von Maschi­nen oder Fahrzeu­gen) sein, aber auch die Schädi­gung von Per­so­n­en, z. B. die Ver­let­zung von Kol­le­gen, Kun­den oder Drit­ten, und die Ver­nach­läs­si­gung son­stiger Pflicht­en (z.B. Obhuts- oder Her­aus­gabepflicht­en bzgl. Mate­r­i­al, Werkzeug oder Geld). Da die Fol­gen solch­er Pflichtver­let­zun­gen oft gravierende finanzielle Fol­gen für den Arbeit­nehmer haben kön­nen, gelte im Arbeit­srecht die Beson­der­heit, dass die “nor­malen” Regelun­gen zur Haf­tung und zum Schadenser­satz des Bürg­er­lichen Geset­zbuchs (BGB) im Rah­men eines Arbeitsver­hält­niss­es weitest­ge­hend durch Haf­tungsmilderun­gen ver­drängt seien, so von Bre­dow. Nach­fol­gend ein kurz­er Überblick:


- Per­so­n­en­schä­den an Arbeitskollegen


Bei Per­so­n­en­schä­den, die ein Arbeit­nehmer an Arbeit­skol­le­gen verur­sacht, greift ein geset­zlich geregel­ter voll­ständi­ger Haf­tungsauss­chluss (§ 105 SGB VII) unter fol­gen­den Voraus­set­zun­gen ein:


- ein Kol­lege des Arbeit­nehmers wird bei einem Arbeit­sun­fall (§ 8 SGB VII) ver­let­zt;
- der Arbeit­nehmer hat den Arbeit­sun­fall nicht vorsät­zlich her­beige­führt;
- es han­delt sich nicht um einen sog. Wege­un­fall gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII (auf dem Weg von oder zur Arbeitsstelle);
- der Unfall ereignete sich in Ausübung betrieblich­er Tätigkeit (keine pri­vate Auseinandersetzung).


Liegen diese Voraus­set­zun­gen vor, so beste­ht wed­er ein Schmerzensgeld‑, noch ein Schadenser­satzanspruch des Kol­le­gen gegenüber dem Arbeit­nehmer; der ver­let­zte Kol­lege hat dafür sein­er­seits Anspruch auf Leis­tun­gen aus der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung (Beruf­sgenossen­schaft). Aus­nahme: Bei min­destens grob fahrläs­sigem Ver­hal­ten des Arbeit­nehmers kann die Beruf­sgenossen­schaft u.U. Rück­griff bei diesem nehmen, muss dabei aber ihrer­seits dabei auf die jew­eili­gen wirtschaftlichen Ver­hält­nisse des Arbeit­nehmer Rück­sicht nehmen, § 110 Abs. 2 SGB VII.


- Sach- und Vermögensschäden


Der Arbeit­nehmer haftet gegenüber seinem Arbeit­ge­ber uneingeschränkt gem. § 280 Bürg­er­lich­es Geset­zbuch (BGB), wenn er seine Pflicht­en aus dem Arbeitsver­trag ver­let­zt und dem Arbeit­ge­ber dadurch einen Schaden verur­sacht. Der Arbeit­nehmer haftet gegenüber außen ste­hen­den Drit­ten gem. § 823 BGB, wenn er deren abso­lut geschützte Rechte (Eigen­tum, Gesund­heit etc.) vorsät­zlich oder fahrläs­sig und wider­rechtlich ver­let­zt — der Arbeit­nehmer würde dabei selb­st für leicht­este Fahrläs­sigkeit haften.
Diese äußerst rigide geset­zliche Haf­tungsregelung wurde all­ge­mein und mit Recht als zu starr und streng emp­fun­den. Daher entwick­elte die höch­strichter­liche Recht­sprechung bere­its sehr früh als Haf­tungser­le­ichterung für Arbeit­nehmer ein dreistu­figes Haf­tungsmod­ell. Dieses sieht (nach vie­len Wand­lun­gen in der Prax­is) derzeit fol­gen­der­maßen aus:
Den Arbeit­nehmer trifft


- keine Haf­tung bei leicht­ester Fahrläs­sigkeit,
- eine anteilige Haf­tung bei mit­tlerer Fahrläs­sigkeit,
- die volle Haf­tung bei grober Fahrläs­sigkeit und Vorsatz.


„Leicht­este Fahrläs­sigkeit“ liegt vor, wenn es sich um ger­ingfügige und leicht entschuld­bare Pflichtwidrigkeit­en han­delt, die jedem Arbeit­nehmer unter­laufen kön­nen. Der Arbeit­nehmer haftet nicht. „Mit­tlere Fahrläs­sigkeit“ ist nicht aus­drück­lich definiert und lässt sich daher nur beschreiben als das Ver­hal­ten, welch­es “zwis­chen leicht­ester und grober Fahrläs­sigkeit” liegt. Es kommt zu ein­er anteili­gen Haf­tung des Arbeit­nehmers. Wichtig: Die Höhe des indi­vidu­ellen Haf­tungsan­teils des Arbeit­nehmers ist let­ztlich unter Berück­sich­ti­gung aller Umstände des jew­eili­gen Einzelfalls zu bes­tim­men. Dies richtet sich ins­beson­dere auch nach der Ver­sicherbarkeit eines Schadens­fall­es durch den Arbeit­ge­ber, nach der Höhe des Ver­di­en­stes des Arbeit­nehmers, seinem Vorver­hal­ten und seinen sozialen Ver­hält­nis­sen. Eine “anteilige Haf­tung” ist daher nicht automa­tisch gle­ichzuset­zen mit ein­er “hälfti­gen Teilung” des Schadens, son­dern bedeutet für den Arbeit­nehmer in der Prax­is meist einen gerin­geren Haftungsanteil.


Grobe Fahrläs­sigkeit ist dann anzunehmen, wenn eine beson­ders schw­er­wiegende und sub­jek­tiv unentschuld­bare Pflichtver­let­zung vor­liegt, wenn näm­lich der Arbeit­nehmer diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die jedem anderen in der ver­gle­ich­baren Sit­u­a­tion sofort ein­geleuchtet hätte. Dies führt i.d.R. zu vollen Haf­tung des Arbeit­nehmers.
Auch in einem solchen Fall grober Fahrläs­sigkeit kön­nen gle­ich­wohl immer noch Haf­tungser­le­ichterun­gen in Betra­cht kom­men, z.B. bei einem deut­lichem Missver­hält­nis zwis­chen dem Ver­di­enst des Arbeit­nehmers und der Höhe des Schadens, wenn z.B. die wirtschaftliche Exis­tenz des Arbeit­nehmers bei voller Inanspruch­nahme bedro­ht wäre.Beispiel: Ein Arbeit­nehmer hat einen Net­tover­di­enst von € 2.500,00/Monat — der Schaden beläuft sich auf € 150.000,00 — der indi­vidu­elle Schaden­san­teil betrug let­ztlich € 20.000,00 (BAG 23.01.1997 in NZA 1998, 140); ein Aushil­f­s­tax­i­fahrer mit € 165,00/Monat musste “nur” einen Schaden­san­teil € 2.000,00 tra­gen (LAG Köln 09.11.2005 in NZA-RR 2006, 311).
Vor­satz set­zt Wis­sen und Wollen der schädi­gen­den Hand­lung und das Inkaufnehmen des Schadens voraus. Nicht aus­re­ichend ist also der vorsät­zliche Ver­stoß gegen Weisun­gen des Vorge­set­zten, solange nicht zusät­zlich Vor­satz hin­sichtlich des Schadens gegeben ist. Auch in einem solchen Fall sind immer noch gewisse Haf­tungser­le­ichterun­gen möglich, z.B. bei deut­lichem Missver­hält­nis zwis­chen Ver­di­enst und Höhe des Schadens (s.o.). Auch ein evtl. Mitver­schulden des Arbeit­ge­ber kann zu Haf­tungs­be­gren­zun­gen führen. Eine grund­sät­zliche sum­men­mäßige Begren­zung ist geset­zlich aber nicht vorge­se­hen. Den­noch: Es beste­ht die Ten­denz ver­schieden­er Instanzgerichte, den Haf­tungsan­teil des Arbeit­nehmers zu begren­zen, z.B. bei mit­tlerer Fahrläs­sigkeit auf ein halbes bis ein volles Monats­ge­halt (LAG Nürn­berg LAGE § 611 Arbeit­nehmer­haf­tung Nr. 14); bei grober Fahrläs­sigkeit erfol­gt eine Beschränkung auf drei Monats­ge­häl­ter unter dem Gesicht­punkt der Exis­ten­zge­fährdung (LAG Köln LAGE § 611 gefahrgeneigte Arbeit Nr. 10)


-  Abdeck­ung der Schä­den durch Versicherungen


Die Ver­sicherbarkeit des Schadens hat große Bedeu­tung für die Bes­tim­mung des Haf­tung­sum­fangs. Ggf. beste­hende Ver­sicherun­gen (Betrieb­shaftpflicht, Feuerver­sicherung etc.) muss der Arbeit­ge­ber zuerst in Anspruch nehmen, bevor er Regress vom Arbeit­nehmer fordern kann. Fern­er muss sich der Arbeit­ge­ber so behan­deln lassen, als hätte er zumut­bare und übliche Ver­sicherun­gen abgeschlossen (z.B. Vol­lka­skover­sicherung für Dienst-Pkw, Betrieb­shaftpflicht). Die Haf­tung des Arbeit­nehmers ist bei Fahrzeugschä­den daher auf die übliche Selb­st­beteili­gung reduziert (da Kfz-Ver­sicherun­gen nur bei grober Fahrläs­sigkeit des Arbeit­nehmer bei diesem Regress nehmen kön­nen, bleibt es daher i.d.R. außer­halb von Fällen der groben Fahrläs­sigkeit bei dieser Selbstbeteiligung)


- Schadens­berech­nung


Eigene Steuer­vorteile muss sich der Arbeit­ge­ber anrech­nen lassen; bei Vors­teuer­abzugs­berech­ti­gung darf die Mehrw­ert­s­teuer bei der Schadens­berech­nung nicht mit berück­sichtigt wer­den. Ein evtl. eigenes Mitver­schulden des Arbeit­ge­bers (z.B. Erzeu­gung von Ter­min­druck, Über­forderung des Arbeit­nehmers, nicht halt­bare Zeitvor­gaben bei Lkw-Fahrern) wird hier­bei eben­falls indi­vidu­ell berücksichtigt.


-  Haf­tung im Außenverhältnis


Schädigt der Arbeit­nehmer schuld­haft einen außen ste­hen­den Drit­ten bei der Erbringung sein­er Arbeit­sleis­tung, ist er diesem gegenüber grund­sät­zlich zum Schadenser­satz verpflichtet. Aber: Soweit der Arbeit­nehmer im Innen­ver­hält­nis zum Arbeit­ge­ber nicht haften würde, hat er sein­er­seits einen Anspruch gegen den Arbeit­ge­ber auf entsprechende Freis­tel­lung im Außen­ver­hält­nis. Evtl. vom Arbeit­ge­ber mit dem Drit­ten vere­in­barte Haf­tungs­be­gren­zun­gen (z.B. in AGB) gel­ten dabei auch im Ver­hält­nis zum Arbeitnehmer.


Von Bre­dow emp­fahl sowohl Arbeit­ge­bern als auch Arbeit­nehmern, in Haf­tungssi­t­u­a­tio­nen auf jeden Fall Recht­srat einzu­holen und ver­wies in diesem Zusam­men­hang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  -


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