(Kiel) Als „grotesk“ bew­ertete das Ober­lan­des­gericht Nürn­berg in einem soeben veröf­fentlicht­en Urteil den Vorschlag ein­er Finanzierungs­ber­a­terin, beim Kauf eines Haus­es fehlen­des Eigenkap­i­tal durch den Erwerb ein­er weit­eren, voll finanzierten Immo­bilie – hier ein­er Eigen­tumswoh­nung – zu ersetzen. 

Wegen „vorsät­zlich­er sit­ten­widriger Schädi­gung“ muss die Beklagte nun nicht nur diesen Woh­nungskauf rück­gängig machen, son­dern auch den Käufern Schadenser­satz leis­ten, so der Nürn­berg­er Fachan­walt für Erb‑, Steuer sowie Han­dels- und Gesellschaft­srecht Dr. Nor­bert  Giesel­er, Vizepräsi­dent der DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater-vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hin­weis auf das am 01.04.2011 veröf­fentlichte Urteil des Ober­lan­des­gerichts (OLG) Nürn­berg vom 23.03.2011 – Az. 2 U 417/10, noch nicht rechtskräftig.

Wie sich erst in der Beru­fungsver­hand­lung vor dem Ober­lan­des­gericht her­aus­gestellt hat­te, woll­ten die Kläger, ein junges Ehep­aar rus­sis­ch­er Abstam­mung, für sich und ihre zwei kleinen Kinder ein Rei­hen­haus erwer­ben. Sie hat­ten auch schon ein ganz bes­timmtes Objekt am südlichen Stad­trand von Nürn­berg im Auge, das ihnen gefiel. Als Prob­lem stellte sich dabei aber her­aus, dass die Eheleute kein­er­lei Eigenkap­i­tal besaßen und auch das monatliche Fam­i­lieneinkom­men – der Ehe­mann arbeit­ete als Kraft­fahrer, seine Frau jobbte auf 400.- € — Basis als Verkäuferin — mit ca. 2400.- € nicht sehr hoch bemessen war. 

Hil­fe­suchend wandten die in geschäftlichen Din­gen gän­zlich uner­fahre­nen Kläger sich daher an die Finanzber­a­terin B. Diese errech­nete einen Koste­naufwand von 216.000.- € für das Rei­hen­haus und ver­mit­telte zwei Dar­lehen über ins­ge­samt 171.000.- €. Zusam­men mit einem weit­eren Kred­it über 45.000.- €, den ihnen ein ander­er Finanzber­ater andi­ente, hätte das für den ersehn­ten Hauskauf aus­gere­icht. Wenn da nicht ein Hak­en gewe­sen wäre: Nach­dem die Bera­terin B. weit­ere Gespräche geführt hat­te, meinte sie, die Kläger müssten ent­ge­gen der ursprünglichen Annahme nun doch eigenes Kap­i­tal nach­weisen, um von den Banken über­haupt als kred­itwürdig ange­se­hen zu wer­den. Dies sei aber im Ergeb­nis kein Prob­lem, denn für den Eigenkap­i­tal­nach­weis sei der zusät­zliche Kauf ein­er Eigen­tumswoh­nung ger­adezu ideal.

Dabei traf es sich — zumin­d­est aus Sicht der Bera­terin — gut, dass sie nicht nur Finanzber­atun­gen durch­führte, son­dern auch zusam­men mit ihrem Ehe­mann für eine Liegen­schafts­ge­sellschaft – die im hiesi­gen Ver­fahren Beklagte – Immo­bilien ver­mit­telte. Schnell hat­te sie daher Bilder ein­er Eigen­tumswoh­nung in Nürn­berg zur Hand, die sie den Klägern zum — eben­falls voll finanzierten — Kauf für 129.000.- € anbot. Ursprüngliche Bedenken der Kläger gegen den Erwerb von gle­ich zwei Immo­bilien, ohne irgendwelche Erspar­nisse zu haben, ver­stand sie auszuräu­men. Im Novem­ber 2006 war es dann soweit und man schloss einen Kaufver­trag über die Eigen­tumswoh­nung, die die Kläger, nach­dem die beklagte Gesellschaft noch Ren­ovierungsar­beit­en für ca. 10.000.- € durchge­führt hat­te, ab 01.01.2007 ver­mi­eten kon­nten. Bald allerd­ings geri­et die junge Fam­i­lie in finanzielle Schieflage: Während sie die Dar­lehen­srat­en für ihr Rei­hen­haus ger­ade noch regelmäßig auf­brin­gen kon­nte, wurde die Finanzierung der Eigen­tumswoh­nung, die weniger Miete abwarf, als für sie an die Bank monatlich zu zahlen war, notlei­dend. Als dann in der Woh­nung auch noch Schim­mel ent­deckt wurde, focht­en die Kläger den Kaufver­trag wegen arglistiger Täuschung an und zogen im Jahr 2008 vor das Landgericht Nürnberg-Fürth.

Dort hat­ten sie mit ihrer Klage auf Rück­gängig­machung des Kaufver­trags über die Eigen­tumswoh­nung und Ersatz der hier­für getätigten Aufwen­dun­gen zunächst keinen Erfolg: Wed­er kon­nte das Landgericht erken­nen, dass die beklagte Ver­mit­tlungs­ge­sellschaft Män­gel der Woh­nung arglistig ver­schwiegen hat­te, noch sah es die Beklagte wegen ungenü­gen­der Aufk­lärung und Finanzierungs­ber­atung in der Pflicht, Schadenser­satz an die Kläger zu leisten.

Ganz anders wurde die Sach- und Recht­slage erst in der Beru­fungsin­stanz bei dem Ober­lan­des­gericht Nürn­berg beurteilt, so Dr. Gieseler. 

Nach­dem die Kläger dort einge­hend von den Richtern des Zweit­en Sen­ats zu den Umstän­den des Immo­bilienkaufs befragt wor­den waren, stellte sich näm­lich jet­zt erst her­aus, dass sie die stre­it­ge­gen­ständliche Eigen­tumswoh­nung gar nicht isoliert erwor­ben hat­ten, son­dern lediglich, um hier­durch „Eigenkap­i­tal” für den angestrebten Kauf „ihres“ Rei­hen­haus­es zu gener­ieren. Auch wurde offenkundig, dass die beklagte Gesellschaft selb­st ger­ade ein­mal fünf Tage vor dem Notarter­min mit den Klägern die für 129.000.- € veräußerte Eigen­tumswoh­nung im Wege der Zwangsver­steigerung zum Preis von 49.000.- € erwor­ben hatte.


Als “vorsät­zliche sit­ten­widrige Schädi­gung” wertete der Zweite Sen­at das Ober­lan­des­gerichts Nürn­berg mit Urteil vom 23.03.2011 dieses Ver­hal­ten der Beklagten, so Dr. Giesel­er, und sprach den Klägern Schadenser­satz zu. Die Empfehlung der Bera­terin B., das für den Erwerb eines Haus­es fehlende Eigenkap­i­tal durch den gle­ichzeit­i­gen Ankauf ein­er eben­falls voll fremd­fi­nanzierten Eigen­tumswoh­nung zu gener­ieren, könne “nur als grotesk” beze­ich­net wer­den. Nach Auf­fas­sung des Sen­ats hätte keine ser­iös arbei­t­ende Bank in Ken­nt­nis der wahren Ver­hält­nisse der Kläger diesen gle­ichzeit­i­gen Ankauf zweier Objek­te finanziert. Dabei habe sich die Bera­terin unter dem Deck­man­tel, trotz fehlen­den Eigenkap­i­tals eine Möglichkeit für den Erwerb eines Eigen­heims gefun­den zu haben, in das Ver­trauen der Kläger eingeschlichen. Die damit ein­herge­hende Exis­ten­zge­fährdung der Kläger sei ihr völ­lig gle­ichgültig gewe­sen. Ihr und ihrem Ehe­mann, mit dem sie arbeit­steilig die Ersteigerung und den sofor­ti­gen Weit­er­verkauf der Eigen­tumswoh­nung betrieben habe, sei es auss­chließlich um Gewin­n­max­imierung gegan­gen. Ein der­ar­tiges Geschäfts­ge­baren ver­stoße “mas­siv gegen das Anstands­ge­fühl aller bil­lig und gerecht Denk­enden”. Das Ver­hal­ten ihrer Mitar­beit­er müsse sich die beklagte Gesellschaft zurech­nen lassen. Diese hat nun­mehr die Woh­nung zurück­zunehmen und ca. 140.000.- € an die Kläger zu leisten.

Giesel­er mah­nte, dies und einen etwaigen Fort­gang zu beacht­en und ver­wies  bei Fra­gen dazu u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de



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