(Kiel)  Der für das Bankrecht zuständige 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat am 27.10.2010 eine deutsche Großbank verurteilt, an einen ihrer Kunden, einen oberschwäbischen kommunalen Abwasserzweckverband, Schadensersatz in Höhe von 710.000 Euro zu zahlen.

Das Oberlandesgericht hielt die Beratung der Bank für fehlerhaft und verneinte gleichzeitig ein Mitverschulden des Kunden.

Darauf verweist der Hamburger Rechtsanwalt Matthias W. Kroll, LL.M., Leiter des Fachausschusses „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“ der DASV Deutschen Anwalt- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart vom 27.10.2010 – Az.: 9 U 148/08.

Der Zweckverband macht die beklagte Bank für Verluste von 710.000 Euro verantwortlich, die im Zusammenhang mit einem im Sommer 2005 abgeschlossenen Zinssatz-Swap („Swap“ = Tausch) entstanden sind. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die beklagte Bank vor Abschluss des Vertrages über die Risiken richtig beraten hatte.

Diese hatte dem kommunalen Zweckverband, an dem vier oberschwäbische Gemeinden beteiligt waren, einen Zinsswap-Vertrag zum Zwecke der „Zinsverbilligung“ empfohlen. Bei einem Zinsswap vereinbaren die Parteien den Austausch von Zahlungsströmen. Die Bank verpflichtete sich, an den Verband für die Dauer von 5 Jahren Zinsen in Höhe eines festen Zinssatzes (hier: 3%) aus einem fiktiven Betrag (hier: 5 Millionen Euro) zu zahlen. Der Verband verpflichtete sich im Gegenzug, einen Zinssatz an die Bank zu zahlen, der sich nach einer komplizierten Rechenformel und in Abhängigkeit zu der Differenz zwischen zwei Interbankenzinssätzen berechnete. Im konkreten Fall handelte es sich um einen so genannten „CMS Spread Sammler-Swap“. Dabei gewann die Seite, die während der Laufzeit des Vertrages an die andere Seite weniger zahlen musste.

In der Vorinstanz hatte das Landgericht Ulm (4 O 122/08) die Klage des Abwasserzweckverbands (Kläger) abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte nun vor dem 9. Zivilsenat des OLG Stuttgart jedoch Erfolg, betont Kroll.

Der Bankensenat hielt an seiner früheren Entscheidung vom 26. Februar 2010 (Az. 9 U 164/08) zu Swap-Verträgen fest, wonach diese als ein von der Bank konstruiertes Glücksspiel anzusehen seien (s. Pressemitteilung vom 3. März 2010). Die Bank müsse darüber aufklären, dass sie die Chancen zum Nachteil des Kunden gestaltet habe und dieser nach den anerkannten Wahrscheinlichkeitsmodellen eine höhere Verlustwahrscheinlichkeit habe.

Mit Blick auf den Verband als kommunales Versorgungsunternehmen beanstandete das Oberlandesgericht eine nicht anlegergerechte Beratung der Bank. Die Beklagte habe auch gewusst, dass der kommunale Verband keine riskanten Geldanlagegeschäfte abschließen dürfe. Es habe sich um ein für diesen unzulässiges Spekulationsgeschäft gehandelt.


Der Senat verneinte ein Mitverschulden des Verbands. Die Bank sei als Expertin für kommunales Finanzmanagement mit hohem Fachwissen aufgetreten. Sie habe das kommunalrechtliche Spekulationsverbot gerade zum Gegenstand ihrer Beratung für den Kläger gemacht. Der Verband habe ihr daher vertrauen und annehmen dürfen, dass diese Geschäfte zulässig seien.

Weiter führte der Senat u. a. Folgendes aus:

Die Bank habe ihrem Kunden verschwiegen, dass die Gewinn- und Verlustchancen von Swap-Verträgen nur auf der Grundlage von anerkannten Bewertungsmodellen beurteilt werden könnten, die auf hoch komplexen Wahrscheinlichkeitsberechnungen beruhen. Das Ergebnis dieser Berechnungen, der anfängliche Marktwert des Vertrages, sei von zentraler Bedeutung für die Risikoabschätzung. Die Bank habe dem Verband daher nicht den falschen Eindruck vermitteln dürfen, er könne die Erfolgsaussichten der angebotenen Verträge auf der Grundlage seiner „Zinsmeinung“ über die voraussichtliche Entwicklung der Interbankensätze abschätzen, ohne den Marktwert zu kennen. Ein solches Vorgehen sei unseriös: Der Verband sei ein Risiko von 1 Million Euro mit einer Vertragsbindung von 5 Jahren eingegangen. Es sei jedoch unmöglich, die Zinsentwicklung ohne Rechenmodelle für einen so langen Zeitraum zuverlässig zu prognostizieren.

Der Senat beanstandete, dass die Bank bei einem derartigen Vorgehen die Unwissenheit des Kunden über den Marktwert ausnutze und dadurch in der Lage sei, sich heimlich an dessen Vermögen zu bedienen. Dem Kunden stünde in Höhe des Marktwertes eine Ausgleichszahlung von der Bank zu, weil der Vertrag für ihn ungünstig sei. Dabei habe die Bank den Swap-Vertrag und die Höhe des Marktwertes mit Hilfe ihrer Bewertungsmodelle konstruiert. Die Bank hatte sich selbst im Prozess noch geweigert, dem Oberlandesgericht den Marktwert zu benennen, und gab lediglich eine Größenordnung an. Das Gericht bemängelte, dass die Bank den Marktwert dem Kunden verheimliche, weil sie der Auffassung sei, ihr stehe eine Vergütung für ihre Leistungen zu. Die Bank müsse aber, so der Senat, offen legen, welche Vergütung sie für ihre Leistungen haben wolle und dürfe nicht einfach die Ausgleichszahlung einbehalten.

Das Oberlandesgericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Kroll riet, dies und einen etwaigen Fortgang zu beachten und in allen Zweifelsfragen Rechtsrat einzuholen, wobei er  dazu u. a. auch auf die entsprechend spezialisierten Anwälte und Anwältinnen in der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de – verwies.

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Matthias W. Kroll, LL.M.
Rechtsanwalt/Master of Insurance Law


Leiter des Fachausschusses XIV „Finanzdienstleistungs- und Versicherungsrecht“
der DASV Deutschen Anwalt- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V.


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