(Kiel) Das Landesarbeitsbericht Hamm hat in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 27.1.2023. AZ 13 Sa 1007/22 festgestellt, daß auch einer erstmaliger Arbeitszeitbetrug von 10 Minuten in einem langjährigen Arbeitsverhältnis die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann.

Darauf verweist der Stuttgarter Rechtsanwalt Michael Henn, Vizepräsident der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. in Kiel, unter Bezug auf das Urteil des LAG Hamm.

In dem entschiedenen Fall war die Arbeitnehmerin verpflichtet, ihre Arbeitszeit über ein elektronisches Zeiterfassungssystem zu erfassen. In Anspruch genommene Pausenzeiten hatten sie ebenfalls festzuhalten, indem sie sich zu Beginn der Pause aus- und bei Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit wieder einstempeln musste.

Am 08.10.2021 loggte sich die Arbeitnehmerin bei Aufnahme ihrer Tätigkeit um 07:20 Uhr über das Zeiterfassungssystem ein und bei Beendigung um 11:05 Uhr wieder aus. Gegen 08.30 Uhr besuchte sie an diesem Morgen für mindestens 10 Minuten das gegenüber dem Betrieb liegende Café und traf sich dort mit einer weiteren Person zum Kaffeetrinken. Unmittelbar vor der Arbeitsunterbrechung hatte die Arbeitnehmerin gegenüber Arbeitskolleginnen erklärt, dass sie in den Keller gehe. Die Arbeitnehmerin bediente das Arbeitszeiterfassungssystem weder bei Verlassen des Betriebes, noch bei Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit. Den Café-Besuch beobachtete der Arbeitgeber gegen 08:30 Uhr von seinem Auto aus. Durch einen Telefonanruf in der B erfuhr er, dass die Arbeitnehmerin sich in dem Zeiterfassungssystem nicht ausgeloggt hatte.

Nachdem die Arbeitnehmerin in den Betrieb  zurückgekehrt war, konfrontierte der Arbeitgeber  sie mit seinen Beobachtungen. Den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges wies die Arbeitnehmerin zurück und beteuerte, den Betrieb nicht verlassen, sondern sich im Keller aufgehalten zu haben. Auf den Vorhalt des Arbeitgebers, dass er die Arbeitnehmerin persönlich in dem Café beobachtet habe, erklärte die Arbeitnehmerin, dass der Arbeitgeber sich irren müsse. Erst nachdem der Arbeitgeber ankündigte, der Arbeitnehmerin Beweisfotos auf seinem Mobiltelefon zeigen zu wollen, gab diese zu, den Betrieb verlassen zu haben und sich zur Pause weder aus- noch wieder eingeloggt zu haben und damit eine Pflichtverletzung bei der Arbeitszeiterfassung begangen zu haben.

Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos.

Die Arbeitnehmerin erhob dagegen Kündigungsschutzklage. Diese Klage blieb jedoch auch in Berufung beim LAG Hamm erfolglos. Das LAG Hamm stellte hierzu fest:

Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, sei  an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gälte für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Dabei komme es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber müsse  auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Übertrage er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und missbrauche der Arbeitnehmer wissentlich und vorsätzlich das dafür bereitgestellte Arbeitszeiterfassungssystem, so stelle dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Der Arbeitnehmer verletze damit in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Arbeitgeber.

Gemessen an diesen Grundsätzen rechtfertige das Verhalten der Arbeitnehmerin an sich die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Denn entscheidend seine weder die Dauer des Arbeitszeitbetruges, noch die Häufigkeit. Ein wichtiger Grund iSv § 626 Abs. 1 BGB könne grundsätzlich auch vorliegen, wenn es sich nur um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe, der nur zu einem geringen wirtschaftlichen Schaden geführt hat. Denn entscheidend sei der sich mit dem Vorgehen verbundene Vertrauensverlust. Vorliegend habe jedenfalls das Nachtatverhalten der Arbeitnehmerin, indem sie in dem Personalgespräch zunächst beharrlich geleugnet habe, den Betrieb an dem streitgegenständlichen Morgen verlassen zu haben, zu einem irreparablen Vertrauensverlust geführt.

Auch sei im vorliegenden Fall keine Abmahnung notwendig gewesen. Vorliegend sei  es für die Arbeitnehmerin erkennbar ausgeschlossen gewesen, dass der Arbeitgeber die von ihr begangene Pflichtverletzung hinnehmen werde. Zwar stehe vorliegend nur ein einmaliger Arbeitszeitbetrug von mindestens 10 (und maximal 30 Minuten) fest. Unabhängig davon, ob man bei einer vergleichsweise kurzen Zeitspanne einer bewussten Falschdokumentation von Arbeitszeit grundsätzlich zunächst eine Abmahnung verlange, konnte die Arbeitnehmerin aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles hier nicht  mit vertretbaren Überlegungen davon ausgehen, dass der Arbeitgeber ihr Verhalten hinnehmen werde. Denn sie habe nicht nur ihre Arbeitszeit falsch erfasst, sondern hat den Arbeitgeber, der – um Aufklärung bemüht – der Arbeitnehmerin Gelegenheit zur Stellungnahme gab, in diesem Gespräch angelogen, um ihre Tat nachhaltig zu vertuschen.

Diese Entscheidung zeigt deutlich, daß Arbeitgeber „geringfügigen“ Arbeitszeitbetrug nicht dulden müssen und Arbeitnehmer ihre Rechtsposition verschlechtern, wenn sie den Tat bestreiten und den Arbeitgeber anlügen.

Henn empfahl, dies zu beachten und bei Fragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei er in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  – verwies.

 

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