BGH, Beschluss vom 27.05.2021, AZ AnwZ (Brfg) 2/20

Aus­gabe: 4–5/2021

Der Sen­at für Anwaltssachen des Bun­des­gericht­shofs hat heute entsch­ieden, dass ein Anspruch von Recht­san­wäl­ten auf Ver­wen­dung ein­er bes­timmten Ver­schlüs­selung­stech­nik bei der Über­mit­tlung von Nachricht­en mit­tels des beson­deren elek­tro­n­is­chen Anwalt­spost­fachs nicht besteht. 

Sachver­halt:

Die Kläger sind zuge­lassene Recht­san­wälte. Die beklagte Bun­desrecht­san­walt­skam­mer richtete auf Grund­lage von § 31a Abs. 1 BRAO für sie ein beson­deres elek­tro­n­is­ches Anwalt­spost­fach ein. Nach § 31a Abs. 6 BRAO sind die Kläger verpflichtet, die für dessen Nutzung erforder­lichen tech­nis­chen Ein­rich­tun­gen vorzuhal­ten sowie Zustel­lun­gen und den Zugang von Mit­teilun­gen über dieses Post­fach zur Ken­nt­nis zu nehmen. 

Die Kläger wen­den sich gegen die tech­nis­che Aus­gestal­tung des beson­deren elek­tro­n­is­chen Anwalt­spost­fachs durch die Beklagte, weil dieses nicht über eine Ende-zu-Ende-Ver­schlüs­selung ver­füge, bei der sich die pri­vat­en Schlüs­sel auss­chließlich in der Ver­fü­gungs­ge­walt der Post­fach­in­hab­er befän­den. Sie ver­lan­gen mit ihrer Klage, dass die Bun­desrecht­san­walt­skam­mer das beson­dere elek­tro­n­is­che Anwalt­spost­fach für sie mit ein­er der­ar­ti­gen Ver­schlüs­selung betreibt und das derzeit­ige Ver­schlüs­selungssys­tem nicht weit­er verwendet. 

Bish­eriger Prozessverlauf: 

Die Klage hat in der Vorin­stanz keinen Erfolg gehabt. 

Nach Auf­fas­sung des Anwalts­gericht­shofs beste­ht kein Anspruch darauf, dass das beson­dere elek­tro­n­is­che Anwalt­spost­fach auss­chließlich mit ein­er Ende-zu-Ende-Ver­schlüs­selung in dem von den Klägern geforderten Sinne betrieben wird. Ein der­ar­tiger Anspruch ergebe sich wed­er aus den ein­fachen Geset­zen noch aus der Ver­fas­sung. Die gewählte Architek­tur des beson­deren elek­tro­n­is­chen Anwalt­spost­fachs sei sich­er im Rechtssinne.

Entschei­dung des Bundesgerichtshofs 

Der Sen­at für Anwaltssachen hat die Beru­fung der Kläger zurückgewiesen. 

Den Klägern ste­ht kein Anspruch darauf zu, dass bei der Über­mit­tlung von Nachricht­en mit Hil­fe des beson­deren elek­tro­n­is­chen Anwalt­spost­fachs das derzeit ver­wen­dete Ver­schlüs­selungsver­fahren durch das von ihnen bevorzugte Ver­schlüs­selungssys­tem erset­zt wird. 

Die über das beson­dere elek­tro­n­is­che Anwalt­spost­fach über­mit­tel­ten Nachricht­en sind während der Über­tra­gung durchge­hend mit dem­sel­ben – sein­er­seits ver­schlüs­sel­ten – Nachricht­en­schlüs­sel ver­schlüs­selt und liegen grund­sät­zlich nur bei dem Absender und dem berechtigten Empfänger unver­schlüs­selt vor. Die Voraus­set­zun­gen ein­er Ende-zu-Ende-Ver­schlüs­selung im Sinne der europäis­chen Patentschrift EP 0 877 507 B1 erfüllt das Ver­schlüs­selungssys­tem indes deshalb nicht, weil die die Nachricht ver­schlüs­sel­nden Nachricht­en­schlüs­sel nicht direkt an den Empfänger über­mit­telt und nur dort entschlüs­selt wer­den. Sie wer­den vielmehr in einem soge­nan­nten Hard­ware Secu­ri­ty Mod­ule auf die Schlüs­sel der berechtigten Leser der Nachricht umgeschlüsselt. 

Den Klägern ste­ht jedoch kein Anspruch darauf zu, dass die von der Beklagten gewählte Ver­schlüs­selung­stech­nik unter­lassen und eine Ende-zu-Ende-Ver­schlüs­selung im Sinne der europäis­chen Patentschrift ver­wen­det wird. Die ein­fachge­set­zlichen Vor­gaben, ins­beson­dere § 19 Abs. 1 und § 20 Abs. 1 RAVPV, lassen nicht auss­chließlich eine Über­mit­tlung mit­tels der von den Klägern geforderten Ver­schlüs­selung­stech­nik zu. Vielmehr ste­ht der Bun­desrecht­san­walt­skam­mer hin­sichtlich der tech­nis­chen Umset­zung ein gewiss­er Spiel­raum zu, sofern eine im Rechtssinne sichere Kom­mu­nika­tion gewährleis­tet ist. Ein Anspruch der Kläger auf die von ihnen geforderte Ver­schlüs­selung­stech­nik kön­nte deshalb nur beste­hen, wenn eine der­ar­tige Sicher­heit allein durch das von ihnen geforderte Ver­schlüs­selungssys­tem bewirkt wer­den kön­nte. Dies hat das Ver­fahren jedoch nicht ergeben. Vielmehr ist davon auszuge­hen, dass auch die gewählte Meth­ode grund­sät­zlich eine hin­re­ichende Sicher­heit der Kom­mu­nika­tion gewährleis­ten kann. Nicht beheb­bare Sicher­heit­srisiken hat das Ver­fahren nicht aufgezeigt. Etwaige beheb­bare Sicher­heit­srisiken stün­den dabei der grund­sät­zlichen Eig­nung des gewählten Ver­schlüs­selungsver­fahrens nicht ent­ge­gen und begrün­de­ten keinen Anspruch der Kläger auf Ver­wen­dung der von ihnen bevorzugten Verschlüsselungsmethode. 

Die Ver­wen­dung der von den Klägern geforderten Ver­schlüs­selung­stech­nik ist auch nicht aus ver­fas­sungsrechtlichen Grün­den geboten. Es ver­stößt nicht gegen die Grun­drechte der Kläger, ins­beson­dere nicht gegen die Beruf­sausübungs­frei­heit nach Art. 12 Abs. 1 GG, dass die Beklagte bei dem Betrieb des beson­deren elek­tro­n­is­chen Anwalt­spost­fachs nicht eine Ende-zu-Ende-Ver­schlüs­selung in dem von den Klägern geforderten Sinne ver­wen­det. Die Wahl der Ver­schlüs­selungsmeth­ode beein­trächtigt wed­er die Ver­traulichkeit der Kom­mu­nika­tion noch das anwaltliche Ver­trauensver­hält­nis zum Man­dan­ten, wenn die gewählte Meth­ode als sich­er im Rechtssinne anzuse­hen ist. Ein auf die Ver­fas­sung gestützter Anspruch der Kläger auf Ver­wen­dung der von ihnen geforderten Ver­schlüs­selungsmeth­ode schei­det somit eben­falls deshalb aus, weil das Ver­fahren nicht ergeben hat, dass diese Sicher­heit nur hier­durch gewährleis­tet wer­den könnte

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…