(Kiel) Die Erhe­bung des Sol­i­dar­ität­szuschlags war in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig.

Darauf ver­weist der Kiel­er Steuer­ber­ater Jörg Pas­sau, Vizepräsi­dent und geschäfts­führen­des Vor­standsmit­glied der DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. in Kiel unter Hin­weis auf die entsprechende Pressemit­teilung des Bun­des­fi­nanzhofs (BFH) vom 30.01.2023 zu seinem Urteil vom 17.01.2023 – IX R 15/20.

  • Sachver­halt

Die Kläger wen­den sich gegen die Fest­set­zung des Sol­i­dar­ität­szuschlags in den Jahren 2020 und 2021. Das Finan­zamt hat­te für das Jahr 2020 einen Bescheid über 2.078 € und für das Jahr 2021 einen Vorauszahlungs­bescheid über ins­ge­samt 57 € Sol­i­dar­ität­szuschlag erlassen. Vor dem Finanzgericht hat­te das kla­gende Ehep­aar keinen Erfolg. Mit ihrer beim Bun­des­fi­nanzhof ein­gelegten Revi­sion bracht­en sie vor, die Fest­set­zung des Sol­i­dar­ität­szuschlags ver­stoße gegen das Grundge­setz. Sie beriefen sich auf das Aus­laufen des Sol­i­darpak­ts II und damit der Auf­bauhil­fen für die neuen Bun­deslän­der im Jahr 2019 sowie die damit zusam­men­hän­gende Neuregelung des Län­der­fi­nan­zaus­gle­ichs. Der Sol­i­dar­ität­szuschlag dürfe als Ergänzungsab­gabe nur zur Abdeck­ung von Bedarf­sspitzen erhoben wer­den. Sein Aus­nah­mecharak­ter ver­bi­ete eine dauer­hafte Erhe­bung. Auch neue Zusat­zlas­ten, die etwa mit der Coro­n­a­pan­demie oder dem Ukraine-Krieg ein­hergin­gen, kön­nten den Sol­i­dar­ität­szuschlag nicht recht­fer­ti­gen. Die Erhe­bung ver­let­ze sie zudem in ihren Grun­drecht­en. Bei dem Sol­i­dar­ität­szuschlag han­dele es sich seit der im Jahr 2021 in Kraft getrete­nen Geset­zesän­derung um eine verkappte “Reichen­s­teuer”, die gegen den im Grundge­setz ver­ankerten Gle­ich­heits­grund­satz verstoße.

  • Entschei­dung des BFH

Der BFH ist dem nicht gefol­gt. Beim Sol­i­dar­ität­szuschlag han­delte es sich in Jahren 2020 und 2021 um eine ver­fas­sungsrechtlich zuläs­sige Ergänzungsab­gabe; eine Vor­lage der Sache an das Bun­desver­fas­sungs­gericht ist daher nicht geboten.

Eine Ergänzungsab­gabe (Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundge­set­zes) hat die Funk­tion, einen zusät­zlichen Finanzbe­darf des Bun­des ohne Erhöhung der übri­gen Steuern zu deck­en. Die Abgabe muss nicht von vorn­here­in befris­tet wer­den und der Mehrbe­darf für die Ergänzungsab­gabe kann sich auch für län­gere Zeiträume ergeben. Allerd­ings ist ein dauer­hafter Finanzbe­darf regelmäßig über die auf Dauer angelegten Steuern und nicht über eine Ergänzungsab­gabe zu deck­en. Deshalb kann eine ver­fas­sungs­gemäß beschlossene Ergänzungsab­gabe dann ver­fas­sungswidrig wer­den, wenn sich die Ver­hält­nisse, die für ihre Ein­führung maßge­blich waren, grund­sät­zlich ändern oder wenn eine dauer­hafte Finanzierungslücke ent­standen ist.

Der Sol­i­dar­ität­szuschlag sollte bei sein­er Ein­führung im Jahr 1995 der Abdeck­ung der im Zusam­men­hang mit der deutschen Vere­ini­gung ent­stande­nen finanziellen Las­ten dienen.
Mit dem Aus­laufen des Sol­i­darpak­ts II und der Neuregelung des Län­der­fi­nan­zaus­gle­ichs zum Jahre­sende 2019 hat der Sol­i­dar­ität­szuschlag seine Recht­fer­ti­gung als Ergänzungsab­gabe nicht verloren.

Eine zwin­gende recht­stech­nis­che Verbindung zwis­chen dem Sol­i­darpakt II, dem Län­der­fi­nan­zaus­gle­ich und dem Sol­i­dar­ität­szuschlag beste­ht nicht. Zudem bestand in den Stre­it­jahren 2020 und 2021 nach wie vor ein wiedervere­ini­gungs­be­d­ingter Finanzbe­darf des Bun­des. Der Geset­zge­ber hat in der Geset­zes­be­grün­dung auf diesen fortbeste­hen­den Bedarf, der unter anderem im Bere­ich der Renten­ver­sicherung und des Arbeits­mark­ts gegeben war, hingewiesen. Er hat weit­er­hin schlüs­sig dargelegt, dass die Ein­nah­men aus dem ab 2021 fort­ge­führten Sol­i­dar­ität­szuschlag zukün­ftig die fortbeste­hen­den wiedervere­ini­gungs­be­d­ingten Kosten nicht deck­en werden.

Dass sich diese Kosten im Laufe der Zeit weit­er ver­ringern wer­den, hat der Geset­zge­ber mit der ab dem Jahr 2021 in Kraft tre­tenden Beschränkung des Sol­i­dar­ität­szuschlags auf die Bezieher höher­er Einkom­men und der damit ver­bun­de­nen Reduzierung des Aufkom­mens in Rech­nung gestellt. Aus dem Gesetz zur Rück­führung des Sol­i­dar­ität­szuschlags wird daher deut­lich, dass der Geset­zge­ber diesen nicht unbe­gren­zt erheben will, son­dern nur für eine Über­gangszeit. Ein finanzieller Mehrbe­darf des Bun­des, der aus der Bewäl­ti­gung ein­er Gen­er­a­tio­ne­nauf­gabe resul­tiert, kann auch für einen sehr lan­gen Zeitraum anzuerken­nen sein. Dieser Zeitraum ist beim Sol­i­dar­ität­szuschlag jeden­falls 26 bzw. 27 Jahre nach sein­er Ein­führung noch nicht abgelaufen.

Da der ursprüngliche Zweck für die Ein­führung des Sol­i­dar­ität­szuschlags in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht ent­fall­en war, kommt es auf eine mögliche Umwid­mung des Zuschlags für die Finanzierung der Kosten der Coro­n­a­pan­demie oder des Ukraine-Krieges nicht an.

Der Sol­i­dar­ität­szuschlag ver­stößt auch nicht gegen den all­ge­meinen Gle­ich­heitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundge­set­zes). Ab dem Jahr 2021 wer­den auf­grund der erhöht­en Frei­gren­zen nur noch die Bezieher höher­er Einkom­men mit Sol­i­dar­ität­szuschlag belastet. Die darin liegende Ungle­ich­be­hand­lung ist aber gerecht­fer­tigt. Bei Steuern, die wie die Einkom­men­steuer und damit auch der Sol­i­dar­ität­szuschlag an der Leis­tungs­fähigkeit des Steuerpflichti­gen aus­gerichtet sind, ist die Berück­sich­ti­gung sozialer Gesicht­spunk­te zuläs­sig. Daher kann auch der Geset­zge­ber beim Sol­i­dar­ität­szuschlag, der im wirtschaftlichen Ergeb­nis eine Erhöhung der Einkom­men­steuer darstellt, sozialen Gesicht­spunk­ten Rech­nung tra­gen und diesen auf Steuerpflichtige mit hohen Einkün­ften beschränken. Vor diesem Hin­ter­grund ist die ab 2021 beste­hende Staffelung des Sol­i­dar­ität­szuschlags mit Blick auf das Sozial­staat­sprinzip des Grundge­set­zes gerechtfertigt.

Pas­sau emp­fahl, dies zu beacht­en und bei Fra­gen auf jeden Fall Recht­srat einzu­holen, wobei er in diesem Zusam­men­hang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  — verwies.

 

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