BGH, Beschluss vom 30.01.2023, AZ III ZR 204/21

Aus­gabe: 12/2022 — 01/2023

Der unter anderem für das Dien­stver­tragsrecht zuständi­ge III. Zivilse­n­at hat heute entsch­ieden, dass kein Schadenser­satzanspruch gegen einen Flughafen­be­treiber beste­ht, wenn ein Pas­sagi­er seinen Flug ver­säumt, weil er oder seine mitreisenden Fam­i­lien­mit­glieder nicht die Voraus­set­zun­gen für die Nutzung der automa­tisierten Gren­zkon­trolle (Easy­PASS) erfüllen. 

Sachver­halt:

Die Beklagte ist die Betreiberin eines Großflughafens, der mit dem elek­tro­n­is­chen Gren­zkon­troll­sys­tem Easy­PASS aus­ges­tat­tet ist. Dieses ermöglicht ein schnelleres Passieren der Gren­zkon­trolle, indem die Iden­tität des Reisenden, der – neben weit­eren Voraus­set­zun­gen — min­destens zwölf Jahre alt sein muss, sowie die Echtheit und Gültigkeit des elek­tro­n­is­chen Reise­doku­ments automa­tisiert über­prüft wer­den. Die Beklagte wies auf ihrer Inter­net­seite auf das Easy­PASS-Sys­tem hin, ohne das Min­destal­ter für dessen Nutzung zu erwähnen. 

Der Kläger hat­te für sich, seine Ehe­frau sowie die drei min­der­jähri­gen Kinder einen Überseeflug gebucht. Die plan­mäßige Abflugzeit war um 12.15 Uhr. Die Fam­i­lie ver­passte jedoch den Flug, da sie nach Durch­laufen der Sicher­heits- und Passkon­trollen das Abflug­gate nicht mehr rechtzeit­ig erreichte.

Der Kläger hat gel­tend gemacht, er habe am Abflug­tag zusam­men mit sein­er Fam­i­lie das Reisegepäck um 10.07 Uhr am Check-in-Schal­ter aufgegeben. Um 11.10 Uhr habe sich seine Fam­i­lie zu der Sicher­heit­skon­trolle begeben und diese um 11.35 Uhr passiert. Anschließend seien sie zu den elek­tro­n­is­chen Passkon­trollen gegan­gen. Diese hät­ten aber nicht genutzt wer­den kön­nen, da seine jüng­ste Tochter noch keine zwölf Jahre alt gewe­sen sei. Die Fam­i­lie sei deshalb an die zwei mit Per­son­al beset­zten Durchgänge ver­wiesen wor­den. Dort sei bei der Kon­trolle eines anderen Pas­sagiers ein Prob­lem aufge­treten, was zu ein­er Verzögerung von 20 Minuten geführt habe. Obwohl er eine Mitar­bei­t­erin der Beklagten auf das dro­hende Ver­passen des Abflugs hingewiesen habe, sei er in der Warteschlange nicht vorge­zo­gen worden. 

Bish­eriger Prozessverlauf: 

Das Amts­gericht hat die auf Zahlung von 2.980,08 € (Erwerb eines Ersatztick­ets, zusät­zliche Hotel- und Fahrtkosten) neb­st Zin­sen und vorg­erichtlichen Rechtsver­fol­gungskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Beru­fung ist ohne Erfolg geblieben. Mit sein­er vom Beru­fungs­gericht zuge­lasse­nen Revi­sion ver­fol­gt der Kläger den Anspruch weiter. 

Entschei­dung des Bundesgerichtshofs: 

Der III. Zivilse­n­at hat das Rechtsmit­tel zurückgewiesen. 

Er hat dabei offen­ge­lassen, ob zwis­chen der Betreiberge­sellschaft und dem Kläger eine ver­tragliche Beziehung bestand, aus der Schadenser­satzansprüche hergeleit­et wer­den könnten. 

Jeden­falls fiel die Organ­i­sa­tion der Passkon­trollen nicht in den Ver­ant­wor­tungs­bere­ich der Flughafen­be­trieb­s­ge­sellschaft, son­dern in den der Bun­de­spolizei (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BPolG). Der Flughafen­be­treiber hat insoweit keine Ein­flussmöglichkeit­en, ins­beson­dere ist es ihm ver­wehrt, einzelne (ver­spätete) Reisende durch ein “Vorziehen der Passkon­trolle” gegenüber rechtzeit­ig erschiene­nen Pas­sagieren zu privilegieren. 

Dessen ungeachtet ergaben sich aus dem Kläger­vor­trag keine Anhalt­spunk­te für eine unangemessene, auf einem Organ­i­sa­tion­s­man­gel beruhende Verzögerung der Passkon­trolle. Nach seinen Angaben hat er um 11.35 Uhr die Sicher­heit­skon­trolle passiert und das Abflug­gate kurz nach zwölf Uhr erre­icht. Die Passkon­trolle ist somit zügig durchge­führt worden. 

Eine Pflichtver­let­zung war der Beklagten auch nicht vorzuw­er­fen wegen des Hin­weis­es in ihren Inter­net­seit­en auf Easy­PASS, ohne zu erwäh­nen, dass der Pass­in­hab­er min­destens zwölf Jahre alt sein musste. Der Hin­weis war ersichtlich nicht abschließend. Der Kläger hätte sich über die Nutzungs­be­din­gun­gen näher, etwa über die hier­für ein­gerichtete Inter­seite der Bun­de­spolizei, informieren müssen. Verzichtet der Flug­gast auf die Ein­pla­nung eines aus­re­ichen­den Zeit­puffers, weil er das automa­tisierte Gren­zkon­troll­sys­tem Easy­PASS nutzen möchte, ohne sich rechtzeit­ig über dessen Modal­itäten zu informieren, beg­ibt er sich frei­willig in eine prekäre Sit­u­a­tion, deren Fol­gen let­ztlich von ihm her­beige­führt und von ihm zu tra­gen sind. Der Kläger hätte sich sog­ar noch am Flughafen die nöti­gen Infor­ma­tio­nen rechtzeit­ig beschaf­fen kön­nen. Obwohl er — wie er vor­ge­tra­gen hat — bere­its um 10.07 Uhr das Gepäck am Check-in-Schal­ter aufgegeben hat­te, hat er sich erst um 11.10 Uhr mit sein­er Fam­i­lie zur Sicher­heit­skon­trolle begeben. Es hätte somit vor Ort noch genü­gend Zeit zur Ver­fü­gung ges­tanden, sich hin­sichtlich der Nutzungs­be­din­gun­gen von Easy­PASS zu erkundi­gen. Stattdessen hat der Kläger mit sein­er Fam­i­lie rund eine Stunde leichtsin­nig “ver­bum­melt”, indem — wie er selb­st vorträgt — unter anderem “in das ein oder andere Geschäft geschaut” wurde. 

Im Übri­gen darf sich ein Flug­gast auch nicht auf die ständi­ge Betrieb­s­bere­itschaft der com­put­ergestützten elek­tro­n­is­chen Gren­zkon­trolle verlassen. 

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…