(Kiel) Der u.a. für das Bank- und Kap­i­tal­mark­trecht zuständi­ge XI. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat erneut über Revi­sio­nen des Musterk­lägers, eines Ver­brauch­er­schutzver­bands, und der Muster­beklagten, ein­er Sparkasse, gegen ein Muster­fest­stel­lung­surteil des Ober­lan­des­gerichts Dres­den über die Wirk­samkeit von Zin­sän­derungsklauseln in Prämiensparverträ­gen entschieden.

Darauf ver­weist der Düs­sel­dor­fer Fachan­walt für Bank- und Kap­i­tal­mark­trecht Mar­tin Lub­da von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hin­weis auf die Mit­teilung des Bun­des­gericht­shofs (BGH) zu seinem Urteil vom 24. Jan­u­ar 2023 — XI ZR 257/21.

  • Sachver­halt und bish­eriger Prozessverlauf: 

Die beklagte Sparkasse schloss seit Anfang der 1990er-Jahre mit Ver­brauch­ern soge­nan­nte Prämiensparverträge ab, die eine vari­able Verzin­sung der Sparein­lage und ab dem drit­ten Spar­jahr eine der Höhe nach — bis zu 50% der jährlichen Sparein­lage ab dem 15. Spar­jahr — gestaffelte verzinsliche Prämie vorse­hen. In den Ver­trags­for­mu­la­ren heißt es u.a.:

“Die Sparein­lage wird vari­abel, z.Zt. mit …% p.a. verzinst.” 

oder

“Die Sparkasse zahlt neben dem jew­eils gülti­gen Zinssatz, z.Zt. …%, am Ende eines Kalen­der-/Spar­jahres […].”

In den in die Sparverträge ein­be­zo­ge­nen “Bedin­gun­gen für den Sparverkehr” heißt es weiter:

“Soweit nichts anderes vere­in­bart ist, vergütet die Sparkasse dem Kun­den den von ihr jew­eils durch Aushang im Kassen­raum bekan­nt gegebe­nen Zinssatz. Für beste­hende Sparein­la­gen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unab­hängig von ein­er Kündi­gungs­frist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vere­in­bart ist.” 

Der Musterk­läger hält die Regelun­gen zur Änderung des vari­ablen Zinssatzes für unwirk­sam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Muster­beklagten vorgenommene Verzin­sung der Sparein­la­gen für zu niedrig. Er ver­fol­gt mit sein­er Muster­fest­stel­lungsklage sieben Fest­stel­lungsziele. Mit diesen macht er die Unwirk­samkeit der Zin­sän­derungsklausel, die Bes­tim­mung eines Ref­erenzzinssatzes und eines monatlichen Zin­san­pas­sungsin­ter­valls sowie die Verpflich­tung der Beklagten gel­tend, die Zin­san­pas­sun­gen nach der Ver­hält­nis­meth­ode vorzunehmen. Darüber hin­aus möchte er fest­gestellt wis­sen, dass die Ansprüche der Ver­brauch­er auf Zahlung von weit­eren Zins­be­trä­gen früh­estens ab der wirk­samen Beendi­gung der Sparverträge fäl­lig wer­den, dass mit der Ken­nt­nis der Höhe der tat­säch­lich vorgenomme­nen Zinsgutschriften im Spar­buch keine den Ver­jährungslauf in Gang set­zende Ken­nt­nis oder grob fahrläs­sige Unken­nt­nis der den Anspruch auf Zahlung von weit­eren Zins­be­trä­gen begrün­den­den Umstände ver­bun­den ist und dass die wider­spruch­slose Hin­nahme der Zinsgutschriften im Spar­buch nicht dazu führt, dass das Umstandsmo­ment für eine Ver­wirkung der Ansprüche der Ver­brauch­er auf Zahlung von weit­eren Zins­be­trä­gen gegeben ist.

Das Ober­lan­des­gericht hat der Muster­fest­stel­lungsklage teil­weise stattgegeben. Der Musterk­läger ver­fol­gt seine Fest­stel­lungsziele mit der Revi­sion weit­er, soweit das Ober­lan­des­gericht die Klage betr­e­f­fend die Bes­tim­mung eines Ref­erenzzinssatzes und die Vor­nahme der Zin­san­pas­sun­gen nach der Ver­hält­nis­meth­ode abgewiesen hat. Die Muster­beklagte ver­fol­gt mit der Revi­sion ihren Antrag auf voll­ständi­ge Abweisung der Klage betr­e­f­fend die Bes­tim­mung eines Ref­erenzzinssatzes weiter.

  • Entschei­dung des Bundesgerichtshofs: 

Der Bun­des­gericht­shof hat seine — nach Erlass des hier ange­focht­e­nen Muster­fest­stel­lung­surteils des Ober­lan­des­gerichts – mit Urteil vom 6. Okto­ber 2021 (XI ZR 234/20; vgl. Pressemit­teilung Nr. 182/21) ergan­gene Recht­sprechung in dem heute verkün­de­ten Urteil bestätigt. Dementsprechend hat er auf die Revi­sion des Musterk­lägers das Muster­fest­stel­lung­surteil des Ober­lan­des­gerichts aufge­hoben, soweit dieses keinen für die Höhe der vari­ablen Verzin­sung maßgeben­den Ref­erenzzinssatz bes­timmt hat. Insoweit hat er die Sache zur erneuten Ver­hand­lung und Entschei­dung an das Ober­lan­des­gericht zurück­ver­wiesen. Darüber hin­aus hat er entsch­ieden, dass die Zin­san­pas­sun­gen von der Muster­beklagten unter Beibehal­tung des anfänglichen rel­a­tiv­en Abstands des Ver­tragszinssatzes zum Ref­erenzzinssatz (Ver­hält­nis­meth­ode) vorzunehmen sind.

Das Ober­lan­des­gericht ist rechts­fehler­haft davon aus­ge­gan­gen, es könne einen Ref­erenzzinssatz deswe­gen nicht im Wege der ergänzen­den Ver­tragsausle­gung bes­tim­men, weil im Ver­fahren über die Muster­fest­stel­lungsklage nicht auszuschließen sei, dass einzelne Sparverträge indi­vidu­elle Vere­in­barun­gen enthiel­ten. Solche Indi­vid­u­alvere­in­barun­gen sind nur in den Klagev­er­fahren zwis­chen den Ver­brauch­ern und der Muster­beklagten zu berück­sichti­gen und schließen die Bindungswirkung des Muster­fest­stel­lung­surteils nach § 613 Abs. 1 ZPO, nicht aber die Vor­nahme ein­er ergänzen­den Ver­tragsausle­gung im Muster­fest­stel­lungsver­fahren aus. Da das Ober­lan­des­gericht — von seinem rechtlichen Stand­punkt aus fol­gerichtig — bis­lang keine Fest­stel­lun­gen zu einem geeigneten Ref­erenzzinssatz getrof­fen hat, wird es dies nach Zurück­ver­weisung des Muster­ver­fahrens nachzu­holen haben. Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge ist es inter­es­sen­gerecht, als Ref­erenz für die Verzin­sung der Sparein­la­gen einen Zinssatz oder eine Umlaufren­dite mit langer Fristigkeit her­anzuziehen. Bei der Bes­tim­mung des Ref­erenzzinssatzes wird das Ober­lan­des­gericht außer­dem zu berück­sichti­gen haben, dass es sich bei den Sparverträ­gen um eine risikolose Anlage­form handelt.

Nach der vom Sen­at vorgenomme­nen ergänzen­den Ver­tragsausle­gung ist bei den Zin­san­pas­sun­gen der anfängliche rel­a­tive Abstand des Ver­tragszinssatzes zum Ref­erenzzinssatz beizube­hal­ten. Nur eine solche Ausle­gung gewährleis­tet, dass das Grundge­füge der Ver­tragskon­di­tio­nen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhal­ten bleibt, so dass gün­stige Zin­skon­di­tio­nen gün­stig und ungün­stige Zin­skon­di­tio­nen ungün­stig bleiben. Dass sich die absolute Zins­marge der Muster­beklagten bei Anwen­dung der Ver­hält­nis­meth­ode im Fall eines Anstiegs des Ref­erenzzinssatzes erhöht und im Fall eines Absinkens des Ref­erenzzinssatzes reduziert, ver­stößt nicht gegen die Grund­sätze des Preisan­pas­sungsrechts, weil die Muster­beklagte keinen Ein­fluss auf die Höhe der Zin­san­pas­sun­gen hat.

Das Ober­lan­des­gericht wird erneut über die in einem Even­tu­alver­hält­nis ste­hen­den Anträge des Musterk­lägers betr­e­f­fend den Ref­erenzzinssatz zu entschei­den und dabei mit sachver­ständi­ger Hil­fe im Wege der ergänzen­den Ver­tragsausle­gung einen Ref­erenzzinssatz zu bes­tim­men haben. Dabei wird es zu bedenken haben, dass zur Ver­fahrens­beschle­u­ni­gung gemäß § 411a ZPO ein bere­its erstelltes Sachver­ständi­gengutacht­en dann ver­w­ertet wer­den kann, wenn es in einem anderen Gerichtsver­fahren einge­holt wor­den ist.

Recht­san­walt Lub­da emp­fiehlt in gle­ichge­lagerten Fällen anwaltlichen Rat einzu­holen wobei er auch in diesem Zusam­men­hang auf die Rechtsanwälte/innen in der DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  — verwies.

 

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