BGH, Beschluss vom 28.11.2022, AZ 5 StR 283/22

Aus­gabe: 10/11–2022

Der in Leipzig ansäs­sige 5. Straf­se­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat am 10. Novem­ber 2022 einen Freis­pruch des Landgerichts Ham­burg im Zusam­men­hang mit der Fälschung von Coro­na-Impf­bescheini­gun­gen aufge­hoben und die Sache zu neuer Ver­hand­lung und Entschei­dung an eine andere Strafkam­mer des Landgerichts zurückverwiesen. 

Das Landgericht hat­te den Angeklagten am 1. März 2022 wegen Han­del Treibens mit Betäubungsmit­teln in nicht geringer Menge zu ein­er – inzwis­chen recht­skräfti­gen – Frei­heitsstrafe verurteilt, ihn vom Vor­wurf der mehrfachen Urkun­den­fälschung indes freige­sprochen. Die gegen den Freis­pruch gerichtete Revi­sion der Staat­san­waltschaft hat Erfolg. 

Nach den Fest­stel­lun­gen stellte der Angeklagte ins­ge­samt 19 unrichtige Impf­bescheini­gun­gen aus. Gegen ein Ent­gelt trug er ange­blich erfol­gte Erst- und Zweitimp­fun­gen gegen das Sars-CoV-2-Virus neb­st Impf­stoff­beze­ich­nung und Char­gen­num­mer in von ihm erstellte oder bere­its aus­gestellte Impf­pässe ein. Die Ein­tra­gun­gen ver­sah er mit dem vorge­blichen Stem­pel eines Impfzen­trums sowie der nachgeahmten oder erfun­de­nen Unter­schrift eines ange­blichen Imp­farztes. Angesichts der dama­li­gen Zugangs­beschränkun­gen für Ungeimpfte auf­grund der CoViD-19-Pan­demie war dem Angeklagten bewusst, dass seine Abnehmer die Bescheini­gun­gen gegenüber Drit­ten, etwa Apotheken zur Erstel­lung eines dig­i­tal­en Impfz­er­ti­fikats oder in der Gas­tronomie zum Nach­weis über ange­bliche Schutz­imp­fun­gen ihrer Per­son, vor­legen würden. 

Das Landgericht hat sich insoweit aus Rechts­grün­den an ein­er Verurteilung des Angeklagten gehin­dert gese­hen und ihn daher freigesprochen. 

Eine Straf­barkeit wegen Fälschung von Gesund­heit­szeug­nis­sen gemäß § 277 StGB in der zur Tatzeit gel­tenden Fas­sung (a. F.) sei nicht in Betra­cht gekom­men, da die dama­lige Vorschrift eine Ver­wen­dung der Fal­si­fikate bei ein­er Behörde oder ein­er Ver­sicherung voraus­set­zte, was vor­liegend bei Gebrauch in der Gas­tronomie oder in Apotheken nicht gegeben sei. Insoweit hat der Bun­des­gericht­shof keinen Rechts­fehler festgestellt. 

Ein­er Verurteilung wegen Urkun­den­fälschung gemäß § 267 StGB habe nach Ansicht des Landgerichts ent­ge­genge­s­tanden, dass § 277 StGB a.F. eine abschließende Son­der­regelung gewe­sen sei, die einen Rück­griff auf das all­ge­meine Urkun­den­strafrecht ver­boten habe. Dies hat der Bun­des­gericht­shof als rechts­fehler­haft bean­standet und deshalb den Freis­pruch aufgehoben. 

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung von Teilen der oberg­erichtlichen Recht­sprechung, denen das Landgericht gefol­gt ist, han­delt es sich bei § 277 StGB a.F. nicht um eine spezielle Vorschrift, die den Täter der Fälschung von Gesund­heit­szeug­nis­sen im Ver­hält­nis zu dem ein­er Urkun­den­fälschung priv­i­legieren soll. Wed­er dem Zweck noch dem sys­tem­a­tis­chen Zusam­men­hang der miteinan­der konkur­ri­eren­den Bes­tim­mungen oder dem Willen des Geset­zge­bers lassen sich Anhalt­spunk­te für eine solche Priv­i­legierung ent­nehmen. Erst recht ent­fal­tet § 277 StGB a.F. keine “Sper­rwirkung” gegenüber der Urkun­den­fälschung (§ 267 StGB), wenn der Tatbe­stand der Fälschung von Gesund­heit­szeug­nis­sen – so wie hier — nicht (voll­ständig) erfüllt ist. 

Die Sache bedarf deshalb neuer Ver­hand­lung und Entscheidung. 

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