BGH, Beschluss vom 24.09.2020, AZ VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18

Aus­gabe: 7–9/2020

Der unter anderem für das Wohn­raum­mi­etrecht zuständi­ge VIII. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat heute in zwei Ver­fahren entsch­ieden, dass ein Mieter, dem eine unren­ovierte Woh­nung als ver­trags­gemäß über­lassen wurde und auf den die Schön­heit­srepara­turen nicht wirk­sam abgewälzt wur­den, vom Ver­mi­eter die Durch­führung von Schön­heit­srepara­turen ver­lan­gen kann, wenn eine wesentliche Ver­schlechterung des Deko­ra­tionszu­s­tandes einge­treten ist. Allerd­ings hat er sich in diesem Fall nach Treu und Glauben an den hier­für anfal­l­en­den Kosten (regelmäßig zur Hälfte) zu beteili­gen, weil die Aus­führung der Schön­heit­srepara­turen zu ein­er Verbesserung des ver­trags­gemäßen (unren­ovierten) Deko­ra­tionszu­s­tands der Woh­nung bei Miet­be­ginn führt. 

Sachver­halt und Prozessverlauf: 

Ver­fahren VIII ZR 163/18:

Die Kläger mieteten im Jahr 2002 von der beklagten Ver­mi­eterin eine bei Über­las­sung unren­ovierte Woh­nung in Berlin. Da sich aus ihrer Sicht der Zus­tand der Woh­nungs­deko­ra­tion zwis­chen­zeitlich ver­schlechtert habe, forderten sie die Beklagte im März 2016 verge­blich auf, Tapezi­er- und Anstrichar­beit­en gemäß einem beige­fügten Kosten­vo­ran­schlag aus­führen zu lassen. Die auf Zahlung eines entsprechen­den Vorschuss­es in Höhe von (zulet­zt) 7.312,78 € gerichtete Klage hat­te in den Vorin­stanzen keinen Erfolg. 

Zur Begrün­dung hat das Landgericht (LG Berlin, 18. Zivilka­m­mer) aus­ge­führt, den Klägern ste­he ein Vorschus­sanspruch aus § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht zu, da die Miet­sache auf­grund ihres deko­ra­tiv­en Ver­schleißes nicht man­gel­haft (§ 536 Abs. 1 BGB) gewor­den sei. Da die Schön­heit­sreparaturk­lausel im Mietver­trag unwirk­sam sei, sei zwar grund­sät­zlich der Ver­mi­eter zur Instand­hal­tung verpflichtet. Auch sei davon auszuge­hen, dass sich der Zus­tand der Woh­nungs­deko­ra­tion nach ein­er Miet­zeit von 14 Jahren im Ver­gle­ich zum (unren­ovierten) Anfangszu­s­tand weit­er ver­schlechtert habe. Jedoch hät­ten die Kläger diesen Zus­tand als ver­trags­gemäß akzep­tiert, so dass ein Anspruch auf Vor­nahme von Ren­ovierungsar­beit­en gegen den Ver­mi­eter von vorne here­in auss­chei­de, zumal dadurch eine deut­lich über den ver­trags­gemäß geschulde­ten Zus­tand der Woh­nung hin­aus­ge­hende Verbesserung erzielt würde, welche die Beklagte nicht schulde. Ein Anspruch des Mieters auf ein Tätig­w­er­den des Ver­mi­eters beste­he nur dann, wenn die Woh­nung zwis­chen­zeitlich “verkom­men” und “Sub­stanzschä­den” vorzubeu­gen sei. Dafür sei nichts ersichtlich.

Ver­fahren VIII ZR 270/18:

In diesem Ver­fahren begehrt der Mieter (im Rah­men ein­er Widerk­lage) die Verurteilung der Ver­mi­eterin zur Vor­nahme konkret beze­ich­neter Schön­heit­srepara­turen. Die Woh­nung war ihm bei Miet­be­ginn im Jahr 1992 von der Rechtsvorgän­gerin der Ver­mi­eterin unren­oviert über­lassen wor­den. Im Dezem­ber 2015 forderte er die Ver­mi­eterin verge­blich auf, die aus sein­er Sicht zur Besei­t­i­gung des man­gel­haften Ren­ovierungszu­s­tands erforder­lichen Maler­ar­beit­en in der Woh­nung auszuführen. Die Klage hat­te in den Vorin­stanzen Erfolg.

Zur Begrün­dung hat das Landgericht (LG Berlin, 63. Zivilka­m­mer) aus­ge­führt, dem Beklagten ste­he ein Anspruch auf Durch­führung der von ihm geforderten Instand­hal­tungsar­beit­en aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Zwar bes­timme sich die Erhal­tungspflicht des Ver­mi­eters nach dem Zus­tand der Miet­sache bei Ver­tragss­chluss. Danach wäre die Klägerin (Ver­mi­eterin) auf­grund der unren­oviert über­lasse­nen Woh­nung lediglich verpflichtet, nach einem weit­eren deko­ra­tiv­en Ver­schleiß den Ursprungszu­s­tand wieder­herzustellen, nicht aber durch eine voll­ständi­ge Ren­ovierung dem Mieter eine Woh­nung zu ver­schaf­fen, die deut­lich bess­er sei als zu Anfang. 

Jedoch sei in Fällen wie dem vor­liegen­den nicht davon auszuge­hen, dass der schlechte Anfangszu­s­tand der ver­trags­gemäße sei. Der Ver­mi­eter müsse sich an dem im Mietver­trag fest­ge­hal­te­nen – jedoch unwirk­samen – “Ren­ovierung­spro­gramm”, wonach der Mieter von Zeit zu Zeit die Schön­heit­srepara­turen hätte aus­führen müssen, spiegel­bildlich fes­thal­ten lassen. 

Die Entschei­dun­gen des Bundesgerichtshofs: 

Der Bun­des­gericht­shof hat in bei­den Fällen das Beru­fung­surteil aufge­hoben und die Sache zur neuen Ver­hand­lung und Entschei­dung an das Beru­fungs­gericht zurückverwiesen. 

Zwar sind die Beru­fungskam­mern in bei­den Fällen zutr­e­f­fend davon aus­ge­gan­gen, dass die Über­tra­gung der Schön­heit­srepara­turen auf die Mieter im For­mu­la­rmi­etver­trag unwirk­sam ist, da diesen jew­eils eine unren­ovierte Woh­nung über­lassen und ihnen hier­für kein angemessen­er finanzieller Aus­gle­ich gezahlt wurde. Der Bun­des­gericht­shof hat damit seine Recht­sprechung bestätigt, wonach in diesen Fällen an die Stelle der unwirk­samen Schön­heit­sreparaturk­lausel die geset­zlich (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) normierte Erhal­tungspflicht des Ver­mi­eters tritt (vgl. Sen­at­surteile vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14, Rn. 15, 35; vom 22. August 2018 – VIII ZR 277/16, Rn. 20). 

Für eine von der Ver­mi­eter­seite befür­wortete ergänzende Ver­tragsausle­gung – die ohne­hin nicht zu dem — ein­seit­ig an den Inter­essen des Ver­mi­eters ori­en­tierten — Ergeb­nis führen kön­nte, dass dem Mieter die Aus­führung von Arbeit­en auf eigene Kosten freis­te­he, der Ver­mi­eter Schön­heit­srepara­turen unter keinen Umstän­den auszuführen habe, ist deshalb kein Raum. Eben­so wenig kann – anders als einige Lit­er­aturstim­men und das Beru­fungs­gericht im Ver­fahren VIII ZR 270/18 meinen — der unwirk­samen For­mu­la­rk­lausel der Inhalt beigemessen wer­den, der Ver­mi­eter müsse sich spiegel­bildlich an der dort vorge­se­henen (frischen) Ren­ovierung fes­thal­ten lassen und deshalb tre­ffe ihn — ohne Rück­sicht auf den (ver­trags­gemäßen) unren­ovierten Zus­tand bei Miet­be­ginn — eine uneingeschränk­te Renovierungspflicht. 

Aus­gangspunkt der den Ver­mi­eter tre­f­fend­en Erhal­tungspflicht ist grund­sät­zlich der Zus­tand der Woh­nung im Zeit­punkt ihrer Über­las­sung an die jew­eili­gen Mieter, vor­liegend nach der Verkehrsan­schau­ung mithin der unren­ovierte Zus­tand, in dem sie sie die Woh­nung besichtigt und angemietet haben, ohne dass Vere­in­barun­gen über vom Ver­mi­eter noch auszuführende Arbeit­en getrof­fen wurden. 

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Beru­fungs­gerichts im Ver­fahren VIII ZR 163/18 führt das aber nicht dazu, dass Instand­hal­tungsansprüche der Mieter unab­hängig von dem weit­eren Ver­schleiß der Deko­ra­tion von vorn­here­in auszuschei­den hät­ten. Vielmehr trifft den Ver­mi­eter eine Instand­hal­tungspflicht, wenn sich der anfängliche Deko­ra­tionszu­s­tand wesentlich ver­schlechtert hat — was nach langem Zeitablauf seit Miet­be­ginn (hier: 14 bzw. 25 Jahre) naheliegt. 

Allerd­ings ist die Wieder­her­stel­lung des (ver­trags­gemäßen) Anfangszu­s­tandes in der Regel nicht prak­tik­a­bel, zumin­d­est aber wirtschaftlich nicht sin­nvoll und liegt auch nicht im Inter­esse vernün­ftiger Mietver­tragsparteien. Vielmehr ist allein eine Durch­führung von Schön­heit­srepara­turen sach- und inter­es­sen­gerecht, durch die der Ver­mi­eter die Woh­nung in einen frisch ren­ovierten Zus­tand ver­set­zt. Da hier­durch auch die Gebrauchsspuren aus der Zeit vor dem gegen­wär­ti­gen Mietver­hält­nis beseit­igt wer­den und der Mieter nach Durch­führung der Schön­heit­srepara­turen eine Woh­nung mit einem besserem als dem ver­trags­gemäßen Zus­tand bei Miet­be­ginn erhält, gebi­etet es der Grund­satz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die jew­eili­gen Inter­essen der Ver­tragspart­ner in einen angemesse­nen Aus­gle­ich zu bringen.
Vor diesem Hin­ter­grund hat der Sen­at entsch­ieden, dass der Mieter in der­ar­ti­gen Fällen zwar ein­er­seits vom Ver­mi­eter eine “frische” Ren­ovierung ver­lan­gen kann, sich aber ander­er­seits in angemessen­em Umfang an den dafür erforder­lichen Kosten zu beteili­gen hat. Soweit nicht Beson­der­heit­en vor­liegen, wird dies regelmäßig eine hälftige Kosten­beteili­gung bedeuten. 

Begehrt der Mieter (wie im Ver­fahren VIII ZR 270/18) die Vor­nahme der Schön­heit­srepara­turen durch den Ver­mi­eter, so kann dieser die Kosten­beteili­gung des Mieters nach Art eines Zurück­be­hal­tungsrechts ein­wen­den. Ver­langt der Mieter von dem mit der Durch­führung der Arbeit­en in Verzug ger­ate­nen Ver­mi­eter die Zahlung eines Kosten­vorschuss­es (wie im Ver­fahren VIII ZR 163/18) führt die angemessene Kosten­beteili­gung zu einem entsprechen­den Abzug von den voraus­sichtlichen Kosten.
Bei­de Ver­fahren sind an das jew­eilige Beru­fungs­gericht zurück­ver­wiesen wor­den, da noch weit­ere Fest­stel­lun­gen zu tre­f­fen sind und den Parteien Gele­gen­heit zur Ergänzung ihres Sachvor­trags und Anpas­sung ihrer Anträge zu geben ist.

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…