(Kiel) Der unter anderem für das Ver­sicherungsver­tragsrecht zuständi­ge IV. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs (BGH) hat entsch­ieden, dass einem Ver­sicherungsnehmer auf der Grund­lage der hier vere­in­barten Ver­sicherungs­be­din­gun­gen keine Ansprüche aus ein­er Betrieb­ss­chließungsver­sicherung wegen ein­er im Zusam­men­hang mit der COVID-19-Pan­demie erfol­gten Schließung der von ihm betriebe­nen Gast­stätte in Schleswig-Hol­stein zustehen.

Darauf ver­weist der Nürn­berg­er Fachan­walt für Erb- und Steuer­recht sowie Han­dels- und Gesellschaft­srecht Dr. Nor­bert Giesel­er, Vizepräsi­dent der Vizepräsi­dent der DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel unter Hin­weis auf das Urteil des BGH vom 26. Jan­u­ar 2022 – IV ZR 144/21.

  • Sachver­halt:

Der Kläger hält bei dem beklagten Ver­sicher­er eine soge­nan­nte Betrieb­ss­chließungsver­sicherung. Er begehrt die Fest­stel­lung, dass der beklagte Ver­sicher­er verpflichtet ist, ihm auf­grund der Schließung seines Restau­rants eine Entschädi­gung aus dieser Ver­sicherung zu zahlen. Dem Ver­sicherungsver­trag liegen die “Zusatzbe­din­gun­gen für die Ver­sicherung von Betrieben gegen Schä­den auf­grund behördlich­er Anord­nung nach dem Infek­tion­ss­chutzge­setz (Betrieb­ss­chließung) — 2008 (ZBSV 08)” zugrunde. Nach § 3 Nr. 1 Buchst. a ZBSV 08 erset­zt der Ver­sicher­er dem Ver­sicherungsnehmer im Falle ein­er bedin­gungs­gemäßen Betrieb­ss­chließung den Ertragsaus­fallschaden bis zu ein­er Haftzeit von 30 Tagen. Die ZBSV 08 laut­en auszugsweise:

“§ 2 Ver­sicherte Gefahren 

Ver­sicherung­sum­fang

Der Ver­sicher­er leis­tet Entschädi­gung, wenn die zuständi­ge Behörde auf­grund des Geset­zes zur Ver­hü­tung und Bekämp­fung von Infek­tion­skrankheit­en beim Men­schen (Infek­tion­ss­chutzge­setz — IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheit­en oder Krankheit­ser­reger (siehe Nr. 2) 

den ver­sicherten Betrieb oder eine ver­sicherte Betrieb­sstätte zur Ver­hin­derung der Ver­bre­itung von meldepflichti­gen Krankheit­en oder Krankheit­ser­regern beim Men­schen schließt; Tätigkeitsver­bote gegen sämtliche Betrieb­sange­hörige eines Betriebes oder ein­er Betrieb­sstätte wer­den ein­er Betrieb­ss­chließung gleichgestellt; 

Meldepflichtige Krankheit­en und Krankheitserreger 

Meldepflichtige Krankheit­en und Krankheit­ser­reger im Sinne dieser Zusatzbe­din­gun­gen sind die fol­gen­den, im Infek­tion­ss­chutzge­setz in den §§ 6 und 7 namentlich genan­nten Krankheit­en und Krankheitserreger: 

Krankheit­en: …

Krankheit­ser­reger: …

…”

In § 2 Nr. 2 Buchst. a und b ZBSV 08 wer­den wed­er die Coro­n­avirus-Krankheit-2019 (COVID-19) noch das Severe-Acute-Res­pi­ra­to­ry-Syn­drome-Coro­n­avirus (SARS-CoV) oder das Severe-Acute-Res­pi­ra­to­ry-Syn­drome-Coro­n­avirus‑2 (SARS-CoV­‑2) aufge­führt. Die Schleswig-Hol­steinis­che Lan­desregierung ord­nete mit der am 18. März 2020 in Kraft getrete­nen Lan­desverord­nung über Maß­nah­men zur Bekämp­fung der Aus­bre­itung des neuar­ti­gen Coro­n­avirus SARS-CoV­‑2 in Schleswig-Hol­stein (SARS-CoV-2-Bekämp­fungsverord­nung — SARS-CoV-2-BekämpfV) vom 17. März 2020 unter anderem die Schließung von sämtlichen Gast­stät­ten an, wobei Leis­tun­gen im Rah­men eines Außer­hausverkaufs unter bes­timmten Voraus­set­zun­gen zuläs­sig waren. Der Kläger schloss daraufhin seine Gast­stätte und bot einen Liefer­di­enst an. 

Die Klage ist in den Vorin­stanzen erfol­g­los geblieben. Hierge­gen richtet sich die Revi­sion des Klägers.

  • Die Entschei­dung des Senats: 

Der Bun­des­gericht­shof hat die Revi­sion zurück­gewiesen. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Beru­fungs­gerichts set­zt der Ein­tritt des Ver­sicherungs­falls zwar nicht die Ver­wirk­lichung ein­er aus dem Betrieb selb­st erwach­senden, soge­nan­nten intrin­sis­chen, Infek­tion­s­ge­fahr voraus. Zu Recht hat das Beru­fungs­gericht aber angenom­men, dass dem Kläger gegen die Beklagte keine Ansprüche zuste­hen, weil eine Betrieb­ss­chließung zur Ver­hin­derung der Ver­bre­itung der Krankheit COVID-19 oder des Krankheit­ser­regers SARS-CoV­‑2 nicht vom Ver­sicherungss­chutz umfasst ist.

Nach § 2 Nr. 1 Buchst. a Halb­satz 1 ZBSV 08 beste­ht Ver­sicherungss­chutz nur für Betrieb­ss­chließun­gen, die zur Ver­hin­derung der Ver­bre­itung von meldepflichti­gen Krankheit­en oder Krankheit­ser­regern ange­ord­net wer­den. Die meldepflichti­gen Krankheit­en oder Krankheit­ser­reger ergeben sich aus dem Kat­a­log in § 2 Nr. 2 ZBSV 08, der nach dem für die Ausle­gung von All­ge­meinen Ver­sicherungs­be­din­gun­gen maßge­blichen Ver­ständ­nis des durch­schnit­tlichen Ver­sicherungsnehmers abschließend ist und wed­er die Krankheit COVID-19 noch den Krankheit­ser­reger SARS-CoV­‑2 auf­führt. Der durch­schnit­tliche Ver­sicherungsnehmer wird sich zunächst am Wort­laut ori­en­tieren und in § 2 Nr. 1 ZBSV 08 dem Klam­merzusatz “(siehe Nr. 2)” hin­ter den Worten “meldepflichtiger Krankheit­en oder Krankheit­ser­reger” ent­nehmen, dass die vom Ver­sicherungss­chutz umfassten meldepflichti­gen Krankheit­en und Krankheit­ser­reger in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 näher bes­timmt wer­den. Sodann wird er diese Klausel in den Blick nehmen und an der Über­schrift “2. Meldepflichtige Krankheit­en oder Krankheit­ser­reger” und der anschließen­den For­mulierung “Meldepflichtige Krankheit­en und Krankheit­ser­reger im Sinne dieser Zusatzbe­din­gun­gen sind …” erken­nen, dass insoweit eine eigen­ständi­ge Def­i­n­i­tion in den Bedin­gun­gen erfol­gt. Die anschließende umfan­gre­iche Aufzäh­lung von Krankheit­en und Krankheit­ser­regern wird er als abschließend erachten.

Die ergänzende Bezug­nahme in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 auf die “im Infek­tion­ss­chutzge­setz in den §§ 6 und 7 namentlich genan­nten” Krankheit­en und Krankheit­ser­reger wird der durch­schnit­tliche Ver­sicherungsnehmer lediglich als Klarstel­lung ver­ste­hen, dass sich die Beklagte bei der Abfas­sung des Kat­a­logs inhaltlich an §§ 6 und 7 IfSG ori­en­tiert hat. Ein anderes Ver­ständ­nis fol­gt auch nicht aus dem Begriff “namentlich”.

Der erkennbare Zweck und Sinnzusam­men­hang der Klausel spricht eben­falls für die Abgeschlossen­heit des Kat­a­logs. Der durch­schnit­tliche Ver­sicherungsnehmer wird zwar ein­er­seits ein Inter­esse an einem möglichst umfassenden Ver­sicherungss­chutz haben, ander­er­seits aber nicht davon aus­ge­hen kön­nen, dass der Ver­sicher­er auch für nicht im Kat­a­log aufge­führte Krankheit­en und Krankheit­ser­reger die Deck­ung übernehmen will, die — wie hier COVID-19/SARS-CoV­‑2 ger­ade zeigt — u.U. erst Jahre nach Ver­tragss­chluss auftreten und bei denen für den Ver­sicher­er wegen der Unklarheit des Haf­tungsrisikos keine sachgerechte Prämienkalku­la­tion möglich ist.

Die Klausel hält auch der Inhalt­skon­trolle gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB stand. § 2 Nr. 2 ZBSV 08 ver­stößt ins­beson­dere nicht gegen das Trans­paren­zge­bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der durch­schnit­tliche Ver­sicherungsnehmer ent­nimmt — wie dargestellt — dem klaren Wort­laut der Bedin­gun­gen, dass in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 die meldepflichti­gen Krankheit­en und Krankheit­ser­reger abschließend definiert wer­den. Ihm wird durch die Bedin­gun­gen nicht der Ein­druck ver­mit­telt, dass jede Betrieb­ss­chließung auf der Grund­lage des Infek­tion­ss­chutzge­set­zes vom Ver­sicherungss­chutz erfasst sei. Offen­bleiben kon­nte, ob die hier in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 genan­nten Krankheit­en und Krankheit­ser­reger iden­tisch mit den im Zeit­punkt des Ver­tragss­chlusses in den §§ 6 und 7 IfSG genan­nten Krankheit­en und Krankheit­ser­regern sind. Auch im Falle fehlen­der Deck­ungs­gle­ich­heit ergibt sich hier­aus keine Intrans­parenz. Schließlich benachteiligt die Klausel den Ver­sicherungsnehmer auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB unangemessen.

Recht­san­walt Dr. Giesel­er emp­fahl, dies zu beacht­en und in allen Zweifels­fra­gen auf jeden Fall Recht­srat einzu­holen, wobei er in diesem Zusam­men­hang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  — verwies.

 

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