BGH, Beschluss vom 28.08.2023, AZ VIII ZR 375/21, VIII ZR 8/22, VIII ZR 60/22 und VIII ZR 125/22

Aus­gabe: 07 — 08/2023

Der unter anderem für das Mietrecht zuständi­ge VIII. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat heute über die Frage entsch­ieden, ob und gegebe­nen­falls ab welchem Zeit­punkt der Auskun­ft­sanspruch des Mieters gegen den Ver­mi­eter nach den Vorschriften zur soge­nan­nten Miet­preis­bremse (§ 556g Abs. 3 BGB) verjährt. 

Sachver­halt und bish­eriger Prozessverlauf: 

In allen vier Ver­fahren macht die Klägerin, eine in das Rechts­di­en­stleis­tungsreg­is­ter einge­tra­gene Gesellschaft mit beschränk­ter Haf­tung, aus abge­treten­em Recht Ansprüche von Mietern, deren Woh­nun­gen gemäß der Berlin­er Mieten­be­gren­zungsverord­nung vom 28. April 2015 in einem Gebi­et mit anges­pan­ntem Woh­nungs­markt liegen, wegen eines Ver­stoßes gegen die Vorschriften zur Begren­zung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) gegen die beklagten Ver­mi­eter geltend. 

Sie ver­langt gemäß § 556g Abs. 3 BGB die Erteilung von Auskun­ft über ver­schiedene für die Berech­nung der zuläs­si­gen Miethöhe nach den §§ 556d ff. BGB maßge­bliche Umstände, gemäß § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB die Rück­zahlung ihrer Ansicht nach überzahlter Miete und als Schadenser­satz die Zahlung vorg­erichtlich­er Rechtsver­fol­gungskosten. Die Beklagten berufen sich unter anderem auf Ver­jährung des Auskun­ft­sanspruchs (§ 214 Abs. 1 BGB). 

In drei Ver­fahren (VIII ZR 375/21, VIII ZR 60/22, VIII ZR 125/22) sind die Beru­fungs­gerichte — die Zivilka­m­mern 65 und 67 des Landgerichts Berlin — davon aus­ge­gan­gen, dass der Auskun­ft­sanspruch der Mieter nicht ver­jährt sei. Eben­so wie der Auskun­ft­sanspruch gemäß § 242 BGB könne der Auskun­ft­sanspruch des Mieters gemäß § 556g Abs. 3 BGB als Hil­f­sanspruch nicht vor dem Anspruch auf Rück­zahlung überzahlter Miete aus § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB als Haup­tanspruch ver­jähren. Demge­genüber hat das Beru­fungs­gericht in dem Ver­fahren VIII ZR 8/22 — die Zivilka­m­mer 63 des Landgerichts Berlin — eine Ver­jährung des Auskun­ft­sanspruchs angenom­men. Für diesen gelte die regelmäßige Ver­jährungs­frist von drei Jahren gemäß §§ 195, 199 BGB, die bere­its mit dem Abschluss des Mietver­trags zu laufen beginne. 

Mit ihren insoweit jew­eils von den Beru­fungs­gericht­en zuge­lasse­nen Revi­sio­nen wen­den sich die Klägerin gegen die Abweisung ihres Auskun­ft­santrags im Ver­fahren VIII ZR 8/22 und die jew­eili­gen Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Auskun­ft­serteilung in den Ver­fahren VIII ZR 375/21, VIII ZR 60/22 und VIII ZR 125/22.

Entschei­dun­gen des Bundesgerichtshofs: 

Der VIII. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat entsch­ieden, dass der Auskun­ft­sanspruch nach § 556g Abs. 3 BGB selb­ständig und unab­hängig von dem Anspruch des Mieters auf Rück­zahlung überzahlter Miete gemäß § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB inner­halb der regelmäßi­gen Ver­jährungs­frist von drei Jahren (§ 195 BGB) ver­jährt. Die Ver­jährungs­frist begin­nt dabei nicht — wie die Zivilka­m­mer 63 des Landgerichts Berlin angenom­men hat — mit der Entste­hung des Auskun­ft­sanspruchs im Zeit­punkt des Mietver­tragss­chlusses, son­dern erst mit dem Auskun­ftsver­lan­gen des Mieters. Der Auskun­ft­sanspruch kann damit — anders als die Zivilka­m­mern 65 und 67 des Landgerichts Berlin gemeint haben — vor dem Rück­zahlungsanspruch verjähren. 

Bei dem Auskun­ft­sanspruch han­delt es sich zwar um einen Hil­f­sanspruch zu dem auf Rück­zahlung überzahlter Miete gerichteten Haup­tanspruch des Mieters. Er unter­schei­det sich aber von dem — seit­ens der Zivilka­m­mern 65 und 67 als Ver­gle­ichs­maßstab herange­zo­ge­nen — Auskun­ft­sanspruch gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben), welch­er grund­sät­zlich nicht vor dem Haup­tanspruch ver­jährt, dem er dient, maßge­blich dadurch, dass der Gläu­biger (Mieter) nicht erst auf der Grund­lage der Auskun­ft in die Lage ver­set­zt wird, seinen Zahlungsanspruch zu ver­fol­gen und durchzuset­zen. Der Mieter hat in einem Rück­forderung­sprozess neben ein­er ord­nungs­gemäßen Rüge gemäß § 556g Abs. 2 BGB lediglich die Anwend­barkeit und die Voraus­set­zun­gen des Grund­tatbe­standes des § 556d Abs. 1 BGB — das Über­schre­it­en der ort­süblichen Ver­gle­ichsmi­ete um mehr als 10 % bei Miet­be­ginn — darzule­gen und gegebe­nen­falls zu beweisen. Hier­für benötigt er die Auskun­ft des Ver­mi­eters, welche nur die nicht all­ge­mein zugänglichen preis­bilden­den Fak­toren, vor allem aber die vom Ver­mi­eter in einem Rück­zahlung­sprozess darzule­gen­den und gegebe­nen­falls zu beweisenden, eine höhere Miete erlauben­den Aus­nah­metatbestände der §§ 556e, 556f BGB umfasst, in der Regel nicht. 

Die für den Auskun­ft­sanspruch gel­tende regelmäßige Ver­jährungs­frist von drei Jahren (§ 195 BGB) begin­nt nicht bere­its mit dessen Entste­hung (Zeit­punkt des Mietver­tragss­chlusses), son­dern erst mit dem Auskun­ftsver­lan­gen des Mieters. Der Geset­zge­ber hat diesen Anspruch als soge­nan­nten ver­hal­te­nen Anspruch aus­gestal­tet, bei dem der Gläu­biger (hier der Mieter) die Leis­tung jed­erzeit ver­lan­gen kann, der Schuld­ner (hier der Ver­mi­eter) die Leis­tung jedoch nicht von sich aus erbrin­gen muss. Für diese Einord­nung sprechen der Wort­laut der geset­zlichen Regelung (“auf Ver­lan­gen des Mieters”) sowie der Sinn und Zweck des Auskun­ft­sanspruchs, welch­er darin beste­ht, ein durch die struk­turelle Unter­legen­heit auf anges­pan­nten Woh­nungsmärk­ten bed­ingtes Infor­ma­tions­de­fiz­it des Mieters auszu­gle­ichen, und schließlich die für ver­hal­tene Ansprüche charak­ter­is­tis­che und bei ein­er Abwä­gung der bei­der­seit­i­gen Inter­essen von Ver­mi­eter und Mieter als unbil­lig emp­fun­dene Gefahr ein­er Anspruchsver­jährung infolge des zeitlichen Auseinan­der­fal­l­ens von Entste­hung und Gel­tend­machung des Anspruchs. 

Vor diesem Hin­ter­grund hat die Revi­sion in dem Ver­fahren VIII ZR 375/21 keinen Erfolg und die Verurteilung der Beklagten zur Auskun­ft­serteilung Bestand; das Beru­fungs­gericht hat im Ergeb­nis zu Recht eine Ver­jährung des Auskun­ft­sanspruchs abgelehnt. Demge­genüber hat die Revi­sion in dem Ver­fahren VIII ZR 8/22 Erfolg und führt zur Aufhe­bung des Beru­fung­surteils und Zurück­ver­weisung an das Beru­fungs­gericht zur neuen Ver­hand­lung und Entschei­dung über die inhaltliche Berech­ti­gung des Auskun­ft­sanspruchs. Im Ver­fahren VIII ZR 125/22 hat die Revi­sion eben­falls Erfolg; das Beru­fung­surteil ist aufzuheben und die Auskun­ft­sklage in vollem Umfang abzuweisen, da dem Auskun­ft­sanspruch des Mieters — ent­ge­gen der Ansicht des Beru­fungs­gerichts — die von der Beklagten erhobene Einrede der Ver­jährung ent­ge­gen­ste­ht, weil die Ver­jährungs­frist bere­its mit dem ersten Auskun­ftsver­lan­gen des Mieters zu laufen begonnen hat. Im Ver­fahren VIII ZR 60/22 hat das Beru­fungs­gericht zwar im Ergeb­nis zutr­e­f­fend entsch­ieden, dass der Auskun­ft­sanspruch nicht ver­jährt ist. Die Revi­sion rügt jedoch zu Recht, dass das Beru­fungs­gericht die Behaup­tung der Klägerin, die Mieterin habe den Auskun­ft­sanspruch an sie abge­treten, in rechts­fehler­hafter Anwen­dung von § 138 Abs. 2 ZPO als unstre­it­ig behan­delt hat. Dies führt auf die Revi­sion der Beklagten insoweit zur Aufhe­bung des Beru­fung­surteils und Zurück­ver­weisung an das Beru­fungs­gericht zur neuen Ver­hand­lung und Entschei­dung über die erfol­gte Abtre­tung dieses Anspruchs. 

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