BGH, Beschluss vom 28.11.2022, AZ I ZR 241/19

Aus­gabe: 10/11–2022

Der unter anderem für das Wet­tbe­werb­srecht zuständi­ge I. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat entsch­ieden, dass Inter­nethändler Ver­brauch­er nicht näher über die Her­stel­ler­garantie für ein ange­botenes Pro­dukt informieren müssen, wenn die Garantie kein zen­trales Merk­mal ihres Ange­bots ist. 

Sachver­halt:

Die Parteien vertreiben Taschen­mess­er im Wege des Inter­nethandels. Die Beklagte bot auf der Inter­net­plat­tform Ama­zon ein Schweiz­er Offiziersmess­er an. Die Ange­bots­seite enthielt unter der Zwis­chenüber­schrift “Weit­ere tech­nis­che Infor­ma­tio­nen” einen Link mit der Beze­ich­nung “Betrieb­san­leitung”. Nach dem Anklick­en dieses Links öffnete sich ein Pro­duk­t­in­for­ma­tions­blatt, das fol­gen­den Hin­weis auf eine Garantie des Her­stellers enthielt: “Die Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Mate­r­i­al- und Fab­rika­tions­fehler (für Elek­tron­ik zwei Jahre). Schä­den, die durch nor­malen Ver­schleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entste­hen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.” Weit­ere Infor­ma­tio­nen zu der Garantie enthielt das Pro­duk­t­in­for­ma­tions­blatt nicht. 

Die Klägerin sieht darin einen Ver­stoß gegen die geset­zlichen Infor­ma­tion­spflicht­en betr­e­f­fend Garantien. Sie hat beantragt, der Beklagten zu ver­bi­eten, den Absatz von Taschen­messern an Ver­brauch­er mit Hin­weisen auf Garantien zu bewer­ben, ohne hier­bei auf die geset­zlichen Rechte des Ver­brauch­ers sowie darauf hinzuweisen, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt wer­den, und ohne den räum­lichen Gel­tungs­bere­ich des Garanti­eschutzes anzugeben.

Bish­eriger Prozessverlauf: 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Beru­fung der Klägerin hat das Ober­lan­des­gericht die Beklagte antrags­gemäß verurteilt. Mit der vom Ober­lan­des­gericht zuge­lasse­nen Revi­sion hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt. 

Der Bun­des­gericht­shof hat das Ver­fahren mit Beschluss vom 11. Feb­ru­ar 2021 aus­ge­set­zt und dem Gericht­shof der Europäis­chen Union Fra­gen zur Ausle­gung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlin­ie 2011/83/EU über die Rechte der Ver­brauch­er zur Vor­abentschei­dung vorgelegt (dazu Pressemit­teilung Nr. 31/2021 vom 11. Feb­ru­ar 2021). 

Der Gericht­shof der Europäis­chen Union hat über die Fra­gen durch Urteil vom 5. Mai 2022 (C‑179/21) entschieden. 

Entschei­dung des Bundesgerichtshofs: 

Der Bun­des­gericht­shof hat auf die Revi­sion der Beklagten das Urteil des Ober­lan­des­gerichts aufge­hoben und das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wieder­hergestellt. Die Beklagte hat sich nicht unlauter ver­hal­ten, weil sie in ihrem Inter­ne­tange­bot keine näheren Angaben zu der im ver­link­ten Pro­duk­t­in­for­ma­tions­blatt erwäh­n­ten Her­stel­ler­garantie gemacht hat. 

Die Beklagte hat sich nicht nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG aF (nun § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF) unlauter ver­hal­ten, weil sie den Ver­brauch­ern keine nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB aF (nun Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB nF) vor Ver­tragss­chluss zu erteilende Infor­ma­tion über die Her­stel­ler­garantie voren­thal­ten hat. Das ergibt sich aus ein­er richtlin­ienkon­for­men Ausle­gung der vor­ge­nan­nten Bes­tim­mungen, die der Umset­zung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlin­ie 2011/83/EU dienen. 

Der Gericht­shof der Europäis­chen Union hat auf Vor­lage des Bun­des­gericht­shofs entsch­ieden, dass ein Unternehmer die Ver­brauch­er vor Abschluss eines Kaufver­trags über die Bedin­gun­gen der Her­stel­ler­garantie informieren muss, wenn er die Garantie zu einem zen­tralen oder entschei­den­den Merk­mal seines Ange­bots macht und so als Verkauf­sar­gu­ment ein­set­zt. Erwäh­nt er dage­gen die Her­stel­ler­garantie nur beiläu­fig, so dass sie aus Sicht der Ver­brauch­er kein Kau­far­gu­ment darstellt, muss er keine Infor­ma­tio­nen über die Garantie zur Ver­fü­gung stellen. 

Im Stre­it­fall stellt die Her­stel­ler­garantie kein wesentlich­es Merk­mal des Ange­bots der Beklagten dar. Sie wird auf der Ange­bots­seite selb­st nicht erwäh­nt, son­dern find­et sich an unter­ge­ord­neter Stelle in einem Pro­duk­t­in­for­ma­tions­blatt. Auf dieses Pro­duk­t­in­for­ma­tions­blatt gelangt der Ver­brauch­er nur, wenn er einen Link anklickt, der unter der Zwis­chenüber­schrift “Weit­ere tech­nis­che Infor­ma­tio­nen” ste­ht und mit der Beze­ich­nung “Betrieb­san­leitung” verse­hen ist und daher eher auf eine tech­nisch-funk­tionale Erläuterung hindeutet. 

Die Beklagte hat man­gels eines Ver­stoßes gegen die Mark­tver­hal­tensregelung des § 479 Abs. 1 BGB auch keine nach § 3a UWG unlautere Hand­lung began­gen. Die in § 479 Abs. 1 BGB normierte Pflicht zur Infor­ma­tion über den Gegen­stand und den Inhalt ein­er (Hersteller-)Garantie greift erst ein, wenn der Unternehmer dem Ver­brauch­er ein verbindlich­es Ange­bot auf Abschluss eines Garantiev­er­trags unter­bre­it­et. Im Stre­it­fall enthielt der auf der Ange­bots­seite befind­liche Link auf das Pro­duk­t­in­for­ma­tions­blatt mit der Her­stel­ler­garantie noch kein verbindlich­es Garantieversprechen.

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…