BGH, Beschluss vom 30.01.2023, AZ V ZR 144/21

Aus­gabe: 12/2022 — 01/2023

Der V. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat heute entsch­ieden, dass eine Gemeinde nicht gegen das Gebot angemessen­er Ver­trags­gestal­tung ver­stößt, wenn sie sich bei einem Verkauf von Bauland an einen pri­vat­en Käufer im Rah­men eines städte­baulichen Ver­trages zu einem mark­t­gerecht­en Preis ein Wiederkauf­s­recht für den Fall vor­be­hält, dass der Käufer das Grund­stück nicht inner­halb von acht Jahren mit einem Wohnge­bäude bebaut. Dies gilt selb­st dann, wenn eine Ausübungs­frist für das Wiederkauf­s­recht nicht vere­in­bart ist und dieses somit inner­halb der geset­zlichen Frist von 30 Jahren aus­geübt wer­den kann. 

Sachver­halt:

Der Beklagte kaufte von der Klägerin, ein­er Mark­t­ge­meinde in Bay­ern, mit notariellem Ver­trag vom 21. Jan­u­ar 1994 ein Grund­stück zu einem Preis von 59.472 DM. Dabei han­delte es sich um einen mark­t­gerecht­en Preis. Der Beklagte verpflichtete sich, auf dem Grund­stück inner­halb von acht Jahren ab dem Tag des Kaufs ein bezugs­fer­tiges Wohnge­bäude entsprechend den Fest­set­zun­gen des Bebau­ungs­plans zu erstellen. Für den Fall, dass das Wohnge­bäude nicht frist­gemäß errichtet oder das Ver­trags­grund­stück ohne Zus­tim­mung der Klägerin in unbe­bautem Zus­tand weit­er­veräußert wird, verpflichtete sich der Beklagte, das Eigen­tum an dem Grund­stück der Klägerin auf Ver­lan­gen kosten- und las­ten­frei zurück zu über­tra­gen gegen Zahlung des ursprünglichen Kauf­preis­es, son­stiger gemäß der Ver­trag­surkunde bezahlter Beträge und nach­weis­bar­er Kosten für die zwis­chen­zeitlich erfol­gten Erschließungs­maß­nah­men. Zin­sen soll­ten von der Klägerin in diesem Fall nicht zu entricht­en sein. Der Beklagte errichtete in der Fol­gezeit kein Wohnge­bäude. Mit Schreiben vom 14. Novem­ber 2014 teilte ihm die Klägerin mit, dass sie von ihrem Rück­über­tra­gungsrecht Gebrauch mache. 

Bish­eriger Prozessverlauf: 

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, das Grund­stück an die Klägerin aufzu­lassen und die Eigen­tum­sum­schrei­bung im Grund­buch zu bewil­li­gen. Das Ober­lan­des­gericht hat das Urteil aufge­hoben und die Klage abgewiesen. 

Entschei­dung des Bundesgerichtshofs: 

Der Bun­des­gericht­shof hat das Urteil auf die Revi­sion der Klägerin aufge­hoben und die Sache zur neuen Ver­hand­lung und Entschei­dung an das Ober­lan­des­gericht zurück­ver­wiesen. Dem liegen fol­gende Erwä­gun­gen zugrunde: 

Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB müssen die in einem städte­baulichen Ver­trag vere­in­barten Leis­tun­gen den gesamten Umstän­den nach angemessen sein. Bei wirtschaftlich­er Betra­ch­tung des Gesamtvor­gangs darf die Gegen­leis­tung nicht außer Ver­hält­nis zu der Bedeu­tung und dem Wert der von der Behörde — hier der kla­gen­den Gemeinde — erbracht­en oder zu erbrin­gen­den Leis­tung ste­hen und die ver­tragliche Über­nahme von Pflicht­en darf auch anson­sten zu kein­er unzu­mut­baren Belas­tung für den Ver­tragspart­ner führen. Nach diesem Maßstab stellt sich das Wiederkauf­s­recht der Klägerin auch unter Berück­sich­ti­gung der Ausübungs­frist von 30 Jahren nicht als unangemessen dar. Bau­verpflich­tun­gen wie die vor­liegende dienen dem anerken­nenswerten städte­baulichen Zweck, die (zeit­na­he) Erre­ichung der mit der Bauleit­pla­nung ver­fol­gten Ziele sicherzustellen bzw. zu fördern und Grund­stücksspeku­la­tion­s­geschäfte zu ver­hin­dern. Es ist daher für sich genom­men nicht zu bean­standen, wenn eine Gemeinde dem pri­vat­en Käufer ein im Gebi­et eines Bebau­ungs­plans gele­genes Grund­stück nur gegen Über­nahme ein­er Bebau­ungsverpflich­tung verkauft und diese Verpflich­tung durch ein Wiederkauf­s­recht für den Fall des Ver­stoßes absichert. 

Die Wirk­samkeit ein­er solchen Vere­in­barung set­zt auch nicht voraus, dass dem Käufer das Grund­stück unter­halb des Verkehr­swertes verkauft wird, zumal Gemein­den unter bei­hil­fe- und haushalt­srechtlichen Gesicht­spunk­ten Grund­stücke grund­sät­zlich nicht unter dem Verkehr­swert veräußern dür­fen. Die Pflicht, das Grund­stück den Fest­set­zun­gen des Bebau­ungs­plans gemäß zu bebauen, stellt für den Erwer­ber eines im Bauge­bi­et gele­gen Grund­stücks regelmäßig keine schw­er­wiegende Belas­tung dar. Denn üblicher­weise wird er ohne­hin beab­sichti­gen, das Grund­stück zu bebauen, und muss hier­bei die Vor­gaben des Bebau­ungs­plans ein­hal­ten. Die hier vere­in­barte Bebau­ungs­frist von acht Jahren ist auch nicht unangemessen kurz. 

Eben­sowenig führt der vere­in­barte Wiederkauf­spreis zur Unangemessen­heit der Regelung. Im Grund­satz ist es nicht unbil­lig, den Preis, zu welchem verkauft wor­den ist, als Wiederkauf­spreis zu vere­in­baren, da dies der geset­zlichen Zweifel­sregelung entspricht. Dass der ursprüngliche Kauf­preis nicht zu verzin­sen ist, entspricht dem Umstand, dass der Käufer sein­er­seits nicht verpflichtet ist, gezo­gene Nutzun­gen an den Verkäufer (und Wiederkäufer) herauszugeben. 

Schließlich ist die Vere­in­barung des Wiederkauf­s­rechts auch nicht deshalb unangemessen, weil keine Regelung über die Frist zur Ausübung getrof­fen wurde und damit die geset­zliche Frist von 30 Jahren gilt. Denn die ein­schlägi­gen geset­zlichen Regelun­gen sind im Rah­men von § 11 Abs. 2 BauGB wer­tungsmäßig zu berück­sichti­gen. Die Länge der geset­zlichen Frist stellt sich auch nicht ein­seit­ig als Vorteil für die Gemeinde und als Nachteil für den Käufer dar. Denn sie ermöglicht es der Gemeinde, im Einzelfall flex­i­bel zu reagieren, etwa indem sie einem unver­schuldet in wirtschaftliche Not ger­ate­nen Käufer die Frist für die Erfül­lung der Bebau­ungsverpflich­tung ver­längert. Bei ein­er kürz­eren Ausübungs­frist wäre die Gemeinde hinge­gen gezwun­gen, ihr Recht sofort oder zumin­d­est zeit­nah auszuüben, um es nicht zu ver­lieren. Alter­na­tiv müsste sie von vorn­here­in eine kürzere Frist für die Bebau­ungsverpflich­tung vorse­hen, um nach deren Ablauf aus­re­ichend Zeit für die Prü­fung des weit­eren Vorge­hens zu haben. Bei­de Vari­anten wären von Nachteil für die jew­eili­gen Käufer. 

Anders als das Beru­fungs­gericht meint, lässt sich die Unangemessen­heit der in Rede ste­hen­den Regelung nicht aus der bish­eri­gen Recht­sprechung des Sen­ats zu Ausübungs­fris­ten für den Wiederkauf beim sog. “Ein­heimis­chen­mod­ell” ableit­en. Durch dieses soll in Gemein­den, die eine starke Nach­frage nach Bauland durch auswär­tige Inter­essen­ten verze­ich­nen, Ein­heimis­chen der Erwerb von Bau­flächen zu bezahlbaren, in der Regel deut­lich unter dem Verkehr­swert liegen­den Preisen ermöglicht wer­den. Dies ist nur zuläs­sig, wenn sichergestellt wird, dass die bevorzugten Käufer die auf den Grund­stück­en zu errich­t­en­den Eigen­heime für einen bes­timmten Zeitraum selb­st nutzen und nicht auf Kosten der All­ge­mein­heit Gewinne erzie­len, indem sie das ver­bil­ligte Bauland als­bald zum Verkehr­swert weit­er­veräußern oder den Grundbe­sitz an Dritte ver­mi­eten. Ver­tragliche Regelun­gen, die entsprechende Bindun­gen begrün­den, schaf­fen mithin erst die öffentlich-rechtlichen Voraus­set­zun­gen für die Ver­gabe preis­gün­sti­gen Baulands. Da die Bindung des Käufers beim Ein­heimis­chen­mod­ell der Preis für den ver­bil­ligten Erwerb des Grund­stücks ist, hängt die zuläs­sige Bindungs­dauer von dem Umfang der Ver­bil­li­gung ab. 

Die vor­liegend zu beurteilende Regelung unter­schei­det sich grundle­gend von einem Grund­stücksverkauf im Ein­heimis­chen­mod­ell. Dem Beklagten wird keine langfristige Bindung aufer­legt, die nur mit ein­er angemessen hohen Sub­ven­tion zu recht­fer­ti­gen wäre. Er ist bzw. war einzig verpflichtet, das Grund­stück inner­halb von acht Jahren mit einem dem Bebau­ungs­plan entsprechen­den Wohnge­bäude zu bebauen. Hätte er diese Verpflich­tung erfüllt, wäre das Wiederkauf­s­recht der Klägerin erloschen bzw. nicht ent­standen. Bei der Bebau­ungs­frist han­delte es sich auch nicht um eine Min­dest­frist, der Beklagte war also auch nicht für einen Zeitraum von acht Jahren “gebun­den”. Er hätte das Grund­stück vielmehr sofort nach Abschluss des Kaufver­trages und Erteilung ein­er Bau­genehmi­gung bebauen und das Wiederkauf­s­recht damit zum Erlöschen brin­gen kön­nen. Auch kon­nte er, anders als regelmäßig beim Ein­heimis­chen­mod­ell, über das Grund­stück nach dessen Bebau­ung frei verfügen. 

Die Regelung über das Wiederkauf­s­recht der Klägerin ver­stößt auch nicht deshalb gegen das Gebot der angemesse­nen Ver­trags­gestal­tung, weil sie keine Aus­nah­men für Härte­fälle vor­sieht. Eine Gemeinde ist auch bei der Ausübung ihrer ver­traglichen Rechte an den Grund­satz der Ver­hält­nis­mäßigkeit gebun­den, weil sie als öffentliche Kör­per­schaft den Grund­sätzen des Ver­wal­tung­spri­va­trechts unter­liegt. Die Klägerin hat­te daher im Wege ein­er Ermessensentschei­dung zu prüfen, ob die Ausübung des Wiederkauf­s­rechts im Inter­esse der Sicherung des mit ihm ver­fol­gten Zwecks geboten ist oder eine ver­mei­d­bare Härte darstellt. Umstände, die die Klägerin dazu ver­an­lassen mussten, von der Ausübung des Wiederkauf­s­rechts abzuse­hen, sind vor­liegend nicht fest­gestellt und auch nicht ersichtlich; der schlichte Zeitablauf seit dem Ver­stre­ichen der Bebau­ungs­frist reicht hier­für schon deshalb nicht aus, weil der Beklagte auch nach Fristablauf nicht gebaut hat. 

Der Bun­des­gericht­shof kon­nte gle­ich­wohl nicht in der Sache selb­st entschei­den, denn das Beru­fungs­gericht hat, aus sein­er Sicht fol­gerichtig, bis­lang keine Fest­stel­lun­gen dazu getrof­fen, ob der Geschäft­sleit­er der Klägerin, der die Ausübung des Wiederkauf­s­rechts erk­lärt hat­te, zur Abgabe der Erk­lärung befugt war. Die Wirk­samkeit der Erk­lärung ließ sich daher im Revi­sionsver­fahren nicht abschließend beurteilen. 

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…