Bun­de­sar­beits­gericht, Beschluss vom 24.11.2020, AZ 10 AZR 185/20 (A)

Aus­gabe: 11–2020

Tar­ifver­tragliche Bes­tim­mungen, die eine zusät­zliche Vergü­tung davon abhängig machen, dass dieselbe Zahl von Arbeitsstun­den über­schrit­ten wird, ohne zwis­chen Teilzeit- und Vol­lzeitbeschäftigten zu unter­schei­den, wer­fen Fra­gen nach der Ausle­gung von Union­srecht auf. Diese Fra­gen müssen durch ein Vor­abentschei­dungser­suchen gek­lärt wer­den, das der Zehnte Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts an den Gericht­shof der Europäis­chen Union richtet.

Die Beklagte ist ein Luft­fahrtun­ternehmen. Der Kläger ist bei ihr als Flugzeugführer und Erster Offizier in Teilzeit beschäftigt. Seine Arbeit­szeit ist auf 90 % der Vol­lar­beit­szeit ver­ringert. Er erhält eine um 10 % ermäßigte Grund­vergü­tung. Nach den auf das Arbeitsver­hält­nis anwend­baren Tar­ifverträ­gen erhält ein Arbeit­nehmer eine über die Grund­vergü­tung hin­aus­ge­hende Mehrflug­di­en­st­stun­den­vergü­tung, wenn er eine bes­timmte Zahl von Flug­di­en­st­stun­den im Monat geleis­tet und damit die Gren­zen für die erhöhte Vergü­tung über­schrit­ten („aus­gelöst“) hat. Die sog. Aus­löseg­ren­zen gel­ten ein­heitlich für Arbeit­nehmer in Teilzeit und in Vollzeit.

Mit sein­er Klage ver­langt der Kläger von der Beklagten für die erbracht­en Mehrflug­di­en­st­stun­den eine höhere als die bere­its geleis­tete Vergü­tung. Er ist der Auf­fas­sung, die tar­i­flichen Bes­tim­mungen seien unwirk­sam. Sie behan­del­ten Teilzeitbeschäftigte schlechter als Arbeit­nehmer in Vol­lzeit. Ein sach­lich­er Grund beste­he dafür nicht. Die Aus­löseg­ren­zen seien entsprechend seinem Teilzei­tan­teil abzusenken. Die Beklagte hält die Tar­ifnor­men für wirk­sam. Die Vergü­tung für Mehrflug­di­en­st­stun­den diene dazu, eine beson­dere Arbeits­be­las­tung auszu­gle­ichen. Sie beste­he erst, wenn die tar­i­flichen Aus­löseg­ren­zen über­schrit­ten seien.

Das Arbeits­gericht hat der Klage stattgegeben. Das Lan­desar­beits­gericht hat sie abgewiesen. Der Zehnte Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts ersucht den Gericht­shof der Europäis­chen Union, Fra­gen nach der Ausle­gung der von UNICE, CEEP und EGB geschlosse­nen Rah­men­vere­in­barung über Teilzeitar­beit im Anhang der Richtlin­ie 97/81/EG zu beant­worten. Ist für die Prü­fung, ob Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vol­lzeitbeschäftigten schlechter behan­delt wer­den, weil eine zusät­zliche Vergü­tung davon abhängt, dass eine ein­heitlich gel­tende Zahl von Arbeitsstun­den über­schrit­ten wird, auf die Gesamtvergü­tung und nicht auf den Ent­geltbe­standteil der zusät­zlichen Vergü­tung abzustellen? Kann eine mögliche schlechtere Behand­lung von Teilzeitbeschäftigten gerecht­fer­tigt wer­den, wenn mit der zusät­zlichen Vergü­tung der Zweck ver­fol­gt wird, eine beson­dere Arbeits­be­las­tung auszugleichen?*

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