Der V. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat heute entsch­ieden, dass ein Grund­stück­seigen­tümer, der einen Handw­erk­er Reparat­u­rar­beit­en am Haus vornehmen lässt, gegenüber dem Nach­barn ver­ant­wortlich ist, wenn das Haus infolge der Arbeit­en in Brand gerät und das Nach­bar­grund­stück dabei beschädigt wird. Dass der Handw­erk­er sorgfältig aus­ge­sucht wurde, ändert daran nichts. 

Sachver­halt:

Die Beklagten sind die Recht­snach­fol­ger der ursprünglich beklagten Eheleute R., die im Laufe des Rechtsstre­its ver­stor­ben sind. 

Die Eheleute R. waren Eigen­tümer eines Wohn­haus­es. Am 8. Dezem­ber 2011 führte ein Dachdeck­er in ihrem Auf­trag am Flach­dach des Haus­es Reparat­u­rar­beit­en durch. Im Ver­lauf der mit Hil­fe eines Bren­ners durchge­führten Heißk­le­bear­beit­en verur­sachte er schuld­haft die Entste­hung eines Glutnestes unter den aufgeschweißten Bah­nen. Am Abend bemerk­ten die Eheleute Flam­men in dem Bere­ich, in dem der Dachdeck­er gear­beit­et hat­te. Der alarmierten Feuer­wehr gelang es nicht, das Haus zu ret­ten. Es bran­nte voll­ständig nieder. Durch den Brand und die Löschar­beit­en wurde das an das bren­nende Haus unmit­tel­bar ange­baute Haus der Nach­barin erhe­blich beschädigt. 

Das Haus der Nach­barin ist bei der Klägerin ver­sichert. Diese hat ihr eine Entschädi­gung geleis­tet und ver­langt nun (über das Ver­mö­gen des zur Zahlung von 97.801,29 € verurteil­ten Dachdeck­ers ist das Ver­braucherin­sol­ven­zver­fahren eröffnet) von den beklagten Grund­stück­eigen­tümern aus überge­gan­genem Recht gemäß § 86 Abs. 1 VVG Ersatz. 

Bish­eriger Prozessverlauf: 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beru­fung der Klägerin hat­te keinen Erfolg. Nach Ansicht des Ober­lan­des­gerichts sind die Beklagten nicht zum Ersatz verpflichtet. Eine Haf­tung aus uner­laubter Hand­lung schei­de aus, da keine Anhalt­spunk­te bestün­den, dass ihre Rechtsvorgänger den Dachdeck­er nicht sorgfältig aus­gewählt hät­ten. Der Klägerin ste­he gegen die Beklagten auch kein ver­schulden­sun­ab­hängiger nach­bar­rechtlich­er Aus­gle­ich­sanspruch ana­log § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu. Voraus­set­zung hier­für wäre, dass die dama­li­gen Grund­stück­seigen­tümer Stör­er im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB seien. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Eheleute R. hät­ten mit der sorgfälti­gen Auswahl des Dachdeck­ers alles Erforder­liche getan, um das Risiko eines Brand­schadens im Zuge der Dachdeck­er­ar­beit­en auszuschließen. 

Entschei­dung des Bundesgerichtshofs: 

Die Revi­sion der Klägerin war erfol­gre­ich. Der V. Zivilse­n­at hat das Urteil des Ober­lan­des­gerichts aufge­hoben und entsch­ieden, dass der Klägerin gegen die Beklagten ein ver­schulden­sun­ab­hängiger nach­bar­rechtlich­er Aus­gle­ich­sanspruch in entsprechen­der Anwen­dung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG zusteht. 

Ein nach­bar­rechtliche Aus­gle­ich­sanspruch ist nach ständi­ger Recht­sprechung des Sen­ats gegeben, wenn von einem Grund­stück im Rah­men pri­vatwirtschaftlich­er Benutzung rechtswidrige Ein­wirkun­gen auf ein anderes Grund­stück aus­ge­hen, die der Eigen­tümer oder Besitzer des betrof­fe­nen Grund­stücks nicht dulden muss, aus beson­deren Grün­den jedoch nicht unterbinden kann, sofern er hier­durch Nachteile erlei­det, die das zumut­bare Maß ein­er entschädi­gungs­los hinzunehmenden Beein­träch­ti­gung über­steigen. Hier­von ist auszuge­hen, wenn ein Brand auf ein fremdes Grund­stück über­greift, da der Nach­bar die Gefahr in aller Regel nicht erken­nen und die Ein­wirkun­gen auf sein Grund­stück daher nicht rechtzeit­ig abwehren kann 

Weit­ere Voraus­set­zung des nach­bar­rechtlichen Aus­gle­ich­sanspruchs ist, dass der Anspruchs­geg­n­er als Stör­er im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB zu qual­i­fizieren ist. Hier­für ist erforder­lich, dass die Beein­träch­ti­gung des Nach­bar­grund­stücks wenig­stens mit­tel­bar auf den Willen des Eigen­tümers oder Besitzers zurück­ge­ht. Ob dies der Fall ist, kann nur in wer­tender Betra­ch­tung von Fall zu Fall fest­gestellt wer­den. Entschei­dend ist, ob es jew­eils Sach­gründe gibt, dem Grund­stück­seigen­tümer oder ‑besitzer die Ver­ant­wor­tung für ein Geschehen aufzuer­legen. Dies hat der Sen­at in früheren Entschei­dun­gen beispiel­sweise bejaht, wenn ein Haus infolge eines tech­nis­chen Defek­ts sein­er elek­trischen Geräte oder Leitun­gen in Brand gerät oder Wass­er infolge eines Rohrbruchs auf das Nach­bar­grund­stück gelangt. Hier­durch verur­sachte Störun­gen stellen kein all­ge­meines Risiko dar, das sich wie etwa ein Blitzschlag — eben­so gut bei dem Haus des Nach­barn hätte ver­wirk­lichen kön­nen und dessen Auswirkun­gen von dem jew­eils Betrof­fe­nen selb­st zu tra­gen sind. Auch wenn konkret kein Anlass für ein vor­beu­gen­des Tätig­w­er­den bestanden haben mag, beruhen sie auf Umstän­den, auf die grund­sät­zlich der Grund­stück­seigen­tümer bzw. ‑besitzer, und nur dieser, Ein­fluss nehmen konnte. 

Auch im vor­liegen­den Fall hat der Sen­at die Stör­ereigen­schaft bejaht. Der Annahme ein­er Ver­ant­wortlichkeit der Rechtsvorgänger der Beklagten ste­ht nicht ent­ge­gen, dass der Brand auf die Hand­lung eines Drit­ten, näm­lich auf die Arbeit­en des von ihnen mit der Vor­nahme ein­er Dachreparatur beauf­tragten Handw­erk­ers zurück­zuführen ist. Mit­tel­bar­er Hand­lungsstör­er ist auch der­jenige, der die Beein­träch­ti­gung des Nach­barn durch einen anderen in adäquater Weise durch seine Wil­lens­betä­ti­gung verur­sacht. Für die Zurech­nung des durch den Handw­erk­er her­beige­führten gefahrträchti­gen Zus­tands des Grund­stücks kommt es nicht darauf an, ob die Rechtsvorgänger der Beklagten bei der Auswahl des Handw­erk­ers Sorgfalt­spflicht­en ver­let­zt haben. Maßge­blich ist vielmehr, ob es Sach­gründe gibt, die aufge­tretene Störung ihrem Ver­ant­wor­tungs­bere­ich zuzurech­nen. Das ist der Fall. Die Rechtsvorgänger der Beklagten waren diejeni­gen, die die Vor­nahme von Dachar­beit­en ver­an­lasst haben und die aus den beauf­tragten Arbeit­en Nutzen ziehen woll­ten. Dass sie den Handw­erk­er sorgfältig aus­ge­sucht und ihm die konkrete Aus­führungsart nicht vorgeschrieben haben, ändert nichts daran, dass sie mit der Beauf­tra­gung von Dachar­beit­en eine Gefahren­quelle geschaf­fen haben und damit der bei der Auf­tragsaus­führung verur­sachte Brand auf Umstän­den beruhte, die ihrem Ein­fluss­bere­ich zuzurech­nen sind. 

Die Sache wurde an das Ober­lan­des­gericht zur neuen Ver­hand­lung und Entschei­dung zurück­ver­wiesen. Dieses hat zu klären, ob der gel­tend gemachte Anspruch der Höhe nach berechtigt ist.

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