Der V. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat heute entsch­ieden, dass im Ver­hält­nis einzel­ner Grund­stück­snach­barn ein Wegerecht nicht auf­grund Gewohn­heit­srechts durch eine – sei es auch jahrzehn­te­lange – Übung entste­hen kann. Außer­halb des Grund­buchs kann ein Wegerecht nur auf­grund schul­drechtlich­er Vere­in­barung oder als Notwe­grecht unter den Voraus­set­zun­gen des § 917 BGB bestehen. 

Sachver­halt:

Die Kläger sind Eigen­tümer dreier nebeneinan­der an ein­er öffentlichen Straße liegen­der Grund­stücke, die mit drei aneinan­der­gren­zen­den Häusern bebaut sind. Im rück­wär­ti­gen Teil dieser Grund­stücke befind­en sich Gara­gen, die bau­rechtlich nicht genehmigt sind. Die Beklagte ist Eigen­tümerin von Grund­stück­en, auf denen sich ein Weg befind­et, über den die Kläger die Gara­gen und die rück­wär­ti­gen Bere­iche ihrer vorne über die Straße erschlosse­nen Grund­stücke erre­ichen. Eine Nutzung des Weges wurde seit Jahrzehn­ten durch frühere Eigen­tümer der Grund­stücke und nach dem Eigen­tum­süber­gang auf die Beklagte durch diese selb­st geduldet. Mit Wirkung zum 31. Dezem­ber 2016 erk­lärte die Beklagte gegenüber den Klägern die “Kündi­gung des Lei­hver­trages über das vor über 30 Jahren bestellte, schul­drechtliche Wegerecht”. Sie kündigte an, den Weg zu sper­ren und begann mit dem Bau ein­er Toran­lage. Die Kläger, die sich auf ein zu ihren Gun­sten beste­hen­des Wegerecht, hil­f­sweise auf ein Notwe­grecht berufen, ver­lan­gen von der Beklagten, die Sper­rung des Weges zu unterlassen. 

Bish­eriger Prozessverlauf: 

Das Landgericht hat die Beklagte verpflichtet, es zu unter­lassen, die Kläger an der Nutzung des Weges zu hin­dern, ins­beson­dere durch das Anbrin­gen eines Tores mit Schließan­lage. Das Ober­lan­des­gericht hat die Beru­fung der Beklagten zurück­gewiesen und dies damit begrün­det, dass die Kläger auf­grund eines zu ihren Gun­sten beste­hen­den Gewohn­heit­srechts zur Nutzung des Zuwegs zum rück­wär­ti­gen Bere­ich ihrer Grund­stücke berechtigt seien. 

Entschei­dung des Bundesgerichtshofs: 

Der V. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat das ange­focht­ene Urteil aufge­hoben und die Sache zur neuen Ver­hand­lung und Entschei­dung an das Ober­lan­des­gericht zurückverwiesen. 

Die Kläger kön­nen sich nicht auf Gewohn­heit­srecht berufen. Gewohn­heit­srecht entste­ht durch län­gere tat­säch­liche Übung, die eine dauernde und ständi­ge, gle­ich­mäßige und all­ge­meine ist und von den Beteiligten als verbindliche Recht­snorm anerkan­nt wird. Als ungeschriebenes Recht enthält es eine generell-abstrak­te Regelung; diese muss über den Einzelfall hin­ausweisen. Zwar muss Gewohn­heit­srecht kein “Jed­er­mann-Recht” sein. In dem Unter­fall der sog. Obser­vanz, bei der es sich um ein örtlich begren­ztes Gewohn­heit­srecht han­delt, kann dieses auch im Ver­hält­nis ein­er begren­zten Zahl von Eigen­tümern und Pächtern zueinan­der entste­hen, etwa nur für eine Gemeinde oder die Mit­glieder ein­er öffentlich-rechtlichen Kör­per­schaft. Voraus­set­zung ist aber auch in diesem Fall, dass die ungeschriebene Recht­snorm, die die Beteiligten als verbindlich anerken­nen, alle Rechtsver­hält­nisse ein­er bes­timmten Art beherrscht. Gewohn­heit­srecht kann als dem Gesetz gle­ich­w­er­tige Recht­squelle all­ge­mein­er Art nur zwis­chen ein­er Vielzahl von Rechtsin­di­viduen und in Bezug auf eine Vielzahl von Rechtsver­hält­nis­sen entste­hen, nicht aber beschränkt auf ein konkretes Rechtsver­hält­nis zwis­chen einzel­nen Grund­stück­snach­barn. In einem konkreten Rechtsver­hält­nis zwis­chen einzel­nen Grund­stück­snach­barn kann ein Wegerecht nach dem Bürg­er­lichen Geset­zbuch außer­halb des Grund­buchs nur auf­grund schul­drechtlich­er Vere­in­barung oder als Notwe­grecht unter den Voraus­set­zun­gen des § 917 BGB entste­hen, nicht aber durch eine – sei es auch jahrzehn­te­lange – Übung unter Grundstücksnachbarn. 

Das Ober­lan­des­gericht wird zu prüfen haben, ob den Klägern gemäß § 917 Abs. 1 BGB ein Notwe­grecht zuste­ht. Dies wäre der Fall, wenn die ord­nungsmäßige Benutzung ihrer Grund­stücke eine Zufahrt über die Grund­stücke der Beklagten erforder­lich machte. Soweit die Grund­stücke nur zu Wohnzweck­en genutzt wer­den, wird ein Notwe­grecht allerd­ings schon deshalb auss­chei­den, weil die im hin­teren Bere­ich der Grund­stücke der Kläger befind­lichen Gara­gen bau­rechtlich nicht genehmigt und man­gels Erschließung auch nicht genehmi­gungs­fähig sind. Soweit die Grund­stücke gewerblich genutzt wer­den, kommt ein Notwe­grecht hinge­gen grund­sät­zlich in Betra­cht, da bei einem Gewer­be­grund­stück etwa Be- und Ent­lade­vorgänge sowie das Abstellen von Kraft­fahrzeu­gen auf dem verbindungslosen Grund­stück­steil für die ord­nungsmäßige Benutzung erforder­lich sein und damit für diesen Teil eine Zufahrt erforder­lich machen können. 

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…