BGH, Beschluss vom 23.03.2021, AZ VIII ZR 36/20

Aus­gabe: 2/3–2021

Der unter anderem für das Leas­in­grecht zuständi­ge VIII. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat heute entsch­ieden, dass einem Leas­ingnehmer, der als Ver­brauch­er mit einem Unternehmer einen Leas­ingver­trag mit Kilo­me­terabrech­nung abgeschlossen hat, ein Recht zum Wider­ruf des Ver­trags nicht zusteht.
Sachverhalt: 

Der kla­gende Leas­ingnehmer hat als Ver­brauch­er mit der beklagten Leas­ingge­berin im Jahr 2015 einen Leas­ingver­trag über ein Neu­fahrzeug mit Kilo­me­terabrech­nung (so genan­nter Kilo­me­ter­leas­ingver­trag) abgeschlossen. Auf­grund eines vom ihm im März 2018 erk­lärten Wider­rufs ver­langt er Rück­er­stat­tung sämtlich­er erbrachter Leasingzahlungen. 

Bish­eriger Prozessverlauf: 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hierge­gen gerichtete Beru­fung des Klägers ist vor dem Ober­lan­des­gericht ohne Erfolg geblieben. 

Entschei­dung des Bundesgerichtshofs: 

Der VIII. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat die gegen das Beru­fung­surteil gerichtete Revi­sion des Klägers zurück­gewiesen. Das Beru­fungs­gericht hat zu Recht ein Wider­ruf­s­recht des Klägers unter jedem rechtlich denkbaren Gesicht­spunkt verneint. 

Ein Leas­ingver­trag mit Kilo­me­terabrech­nung erfüllt nicht die Voraus­set­zun­gen der Vorschrift des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BGB (in der bei Ver­tragss­chluss und auch heute noch gel­tenden Fas­sung), weil er wed­er eine Erwerb­spflicht des Leas­ingnehmers oder ein Andi­enungsrecht des Leas­ingge­bers noch eine Rest­wert­garantie des Leas­ingnehmers vor­sieht. Ein Wider­ruf­s­recht des Leas­ingnehmers ergibt sich bei einem Kilo­me­ter­leas­ingver­trag auch nicht aus § 506 Abs. 1 BGB in der zum Zeit­punkt des Ver­tragss­chlusses gülti­gen Fas­sung. Ein Rück­griff auf diese Bes­tim­mung als Auf­fang­tatbe­stand kommt nicht in Betra­cht. Die Vorschrift des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BGB regelt im Wege ein­er abschließen­den Aufzäh­lung, dass bei ent­geltlichen Nutzungsverträ­gen nur in den genan­nten Fällen eine son­stige ent­geltliche Finanzierung­shil­fe vor­liegt, bei der gemäß § 506 Abs. 1 BGB (in der genan­nten Fas­sung) ein Recht des Leas­ingnehmers zum Wider­ruf des Leas­ingver­trags nach den Vorschriften des Ver­braucherkred­itrechts besteht.
Man­gels Vor­liegens der Voraus­set­zun­gen für eine Analo­gie schei­det auch ein Wider­ruf­s­recht des Leas­ingnehmers in entsprechen­der Anwen­dung des — die Fälle ein­er Rest­wert­garantie regel­nden — Vorschrift des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB aus. Dem geset­zge­berischen Konzept haftet wed­er eine plan­widrige Regelungslücke an noch trifft die vom Geset­zge­ber bei der Schaf­fung der genan­nten Bes­tim­mung vorgenommene Inter­essen­be­w­er­tung auf Kilo­me­ter­leas­ingverträge zu. 

Der Geset­zge­ber hat sich bei der Ein­führung des § 506 BGB nicht an der bish­eri­gen Recht­slage ori­en­tiert, bei der die höch­strichter­liche Recht­sprechung Leas­ingverträge mit Kilo­me­terabrech­nung als Finanzierungsleas­ingverträge eingestuft und sie als Finanzierung­shil­fen im Sinne des Ver­braucherkred­it­ge­set­zes ange­se­hen hat. Vielmehr hat er nun­mehr die Inter­essen­be­w­er­tung der europäis­chen Ver­brauchgüterkaufrichtlin­ie über­nom­men, die Leas­ingverträge lediglich im Falle ein­er – auch ein­seit­ig vom Leas­ingge­ber aus­lös­baren – Erwerb­spflicht des Leas­ingnehmers dem Ver­braucherkred­itrecht unter­stellte. Die nach der Ver­braucherkred­itrichtlin­ie vorge­se­hene Beschränkung des Ver­braucherkred­itschutzes auf bes­timmte Fälle ent­geltlich­er Gebrauch­süber­las­sungsverträge hat der Geset­zge­ber nicht nur den — der Umset­zung der Richtlin­ie dienen­den — Bes­tim­mungen des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BGB zugrunde gelegt, son­dern auch bei dem zusät­zlich geschaf­fe­nen Tatbe­stand des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB nachgeze­ich­net. Mit dieser Regelung hat er lediglich das Wider­ruf­s­recht punk­tuell erweit­ern, nicht aber sämtliche Finanzierungsleas­ingverträge dem Ver­braucherkred­itrecht unter­w­er­fen wollen. 

Der Abschluss eines Kilo­me­ter­leas­ingver­trags stellt auch nicht ein Umge­hungs­geschäft nach § 511 Satz 2 BGB in der bei Ver­tragss­chluss gel­tenden Fas­sung (heute § 512 BGB) dar, das zur Anwen­dung des § 506 Abs. 1 BGB und damit zu einem Wider­ruf­s­recht des Ver­brauch­ers gemäß §§ 495, 355 BGB führte. Denn der Umstand, dass ein bes­timmter – und zudem seit langem etabliert­er – Ver­tragstyp gewählt wird, der nach dem geset­zge­berischen Regelungskonzept ger­ade nicht von der Ver­brauch­er­schutznorm des § 506 BGB erfasst ist, begrün­det keine Umge­hung dieser Regelung. 

Schließlich hat die Beklagte durch den Umstand, dass sie dem Kläger eine “Wider­ruf­s­in­for­ma­tion” erteilt hat, diesem nicht ein Ange­bot auf Ein­räu­mung eines (von den geset­zlichen Voraus­set­zun­gen unab­hängi­gen) ver­traglichen Wider­ruf­s­rechts unterbreitet. 

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…