Bun­de­sar­beits­gericht, Beschluss vom 28.08.2023, AZ 2 AZR 17/23

Aus­gabe: 07 — 08/2023

Ein Arbeit­nehmer, der sich in ein­er aus sieben Mit­gliedern beste­hen­den pri­vat­en Chat­gruppe in stark belei­di­gen­der, ras­sis­tis­ch­er, sex­is­tis­ch­er und zu Gewalt auf­s­tachel­nder Weise über Vorge­set­zte und andere Kol­le­gen äußert, kann sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außeror­dentliche Kündi­gung seines Arbeitsver­hält­niss­es nur im Aus­nah­me­fall auf eine berechtigte Ver­traulichkeit­ser­wartung berufen.

Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger gehörte seit 2014 ein­er Chat­gruppe mit fünf anderen Arbeit­nehmern an. Im Novem­ber 2020 wurde ein ehe­ma­liger Kol­lege als weit­eres Grup­pen­mit­glied aufgenom­men. Alle Grup­pen­mit­glieder waren nach den Fest­stel­lun­gen der Vorin­stanz „langjährig befre­un­det“, zwei miteinan­der verwandt. 

Neben rein pri­vat­en The­men äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Grup­pen­mit­glieder – in belei­di­gen­der und men­schen­ver­ach­t­en­der Weise ua. über Vorge­set­zte und Arbeit­skol­le­gen. Nach­dem die Beklagte hier­von zufäl­lig Ken­nt­nis erhielt, kündigte sie das Arbeitsver­hält­nis des Klägers außeror­dentlich fristlos.

Bei­de Vorin­stanzen haben der vom Kläger erhobe­nen Kündi­gungss­chutzk­lage stattgegeben. Die Revi­sion der Beklagten hat­te vor dem Zweit­en Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts Erfolg. Das Beru­fungs­gericht hat rechts­fehler­haft eine berechtigte Ver­traulichkeit­ser­wartung des Klägers betr­e­f­fend der ihm vorge­wor­fe­nen Äußerun­gen angenom­men und das Vor­liegen eines Kündi­gungs­grun­des verneint. Eine Ver­traulichkeit­ser­wartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mit­glieder der Chat­gruppe den beson­deren per­sön­lichkeit­srechtlichen Schutz ein­er Sphäre ver­traulich­er Kom­mu­nika­tion in Anspruch nehmen kön­nen. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der aus­ge­tauscht­en Nachricht­en sowie der Größe und per­son­ellen Zusam­menset­zung der Chat­gruppe. Sind Gegen­stand der Nachricht­en – wie vor­liegend – belei­di­gende und men­schen­ver­ach­t­ende Äußerun­gen über Betrieb­sange­hörige, bedarf es ein­er beson­deren Dar­legung, warum der Arbeit­nehmer berechtigt erwarten kon­nte, deren Inhalt werde von keinem Grup­pen­mit­glied an einen Drit­ten weitergegeben.

Das Bun­de­sar­beits­gericht hat das Beru­fung­surteil insoweit aufge­hoben und die Sache an das Lan­desar­beits­gericht zurück­ver­wiesen. Dieses wird dem Kläger Gele­gen­heit für die ihm obliegende Dar­legung geben, warum er angesichts der Größe der Chat­gruppe, ihrer geän­derten Zusam­menset­zung, der unter­schiedlichen Beteili­gung der Grup­pen­mit­glieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weit­er­leitung von Äußerun­gen angelegten Medi­ums eine berechtigte Ver­traulichkeit­ser­wartung haben durfte.

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/kuen…