Bun­de­sar­beits­gericht, Beschluss vom 27.01.2023, AZ 10 Sa 582/21

Aus­gabe: 01–2023

Ger­ingfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeit­szeit keinen Weisun­gen des Arbeit­ge­bers unter­liegen, jedoch Wün­sche anmelden kön­nen, denen dieser allerd­ings nicht nachkom­men muss, dür­fen bei gle­ich­er Qual­i­fika­tion für die iden­tis­che Tätigkeit keine gerin­gere Stun­den­vergü­tung erhal­ten als vol­lzeitbeschäftigte Arbeit­nehmer, die durch den Arbeit­ge­ber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden.

Der Kläger ist als Ret­tungsas­sis­tent im Rah­men eines ger­ingfügi­gen Beschäf­ti­gungsver­hält­niss­es bei der Beklagten tätig. Diese führt im Auf­trag eines Ret­tungszweck­ver­ban­des ua. Not­fall­ret­tung und Kranken­trans­porte durch. Sie beschäftigt – nach ihrer Dik­tion – sog. „haup­tamtliche“ Ret­tungsas­sis­ten­ten in Voll- und Teilzeit, denen sie im Stre­itzeitraum eine Stun­den­vergü­tung von 17,00 Euro brut­to zahlte. Daneben sind sog. „nebe­namtliche“ Ret­tungsas­sis­ten­ten für sie tätig, die eine Stun­den­vergü­tung von 12,00 Euro brut­to erhal­ten. Hierzu gehört der Kläger. Die Beklagte teilt die nebe­namtlichen Ret­tungsas­sis­ten­ten nicht ein­seit­ig zu Dien­sten ein, diese kön­nen vielmehr Wun­schter­mine für Ein­sätze benen­nen, denen die Beklagte ver­sucht zu entsprechen. Ein Anspruch hier­auf beste­ht allerd­ings nicht. Zudem teilt die Beklagte den nebe­namtlichen Ret­tungsas­sis­ten­ten noch zu beset­zende freie Dien­stschicht­en mit und bit­tet mit kurzfristi­gen Anfra­gen bei Aus­fall von haup­tamtlichen Ret­tungsas­sis­ten­ten um Über­nahme eines Dien­stes. Im Arbeitsver­trag des Klägers ist eine durch­schnit­tliche Arbeit­szeit von 16 Stun­den pro Monat vorge­se­hen. Darüber hin­aus ist bes­timmt, dass er weit­ere Stun­den leis­ten kann und verpflichtet ist, sich aktiv um Schicht­en zu kümmern.

Mit sein­er Klage hat der Kläger zusät­zliche Vergü­tung in Höhe von 3.285,88 Euro brut­to für die Zeit von Jan­u­ar 2020 bis April 2021 ver­langt. Er hat gel­tend gemacht, die unter­schiedliche Stun­den­vergü­tung im Ver­gle­ich zu den haup­tamtlichen Mitar­beit­ern stelle eine Benachteili­gung wegen sein­er Teilzeit­tätigkeit dar. Die Beklagte hält die Vergü­tungs­d­if­ferenz für sach­lich gerecht­fer­tigt, weil sie mit den haup­tamtlichen Ret­tungsas­sis­ten­ten größere Pla­nungssicher­heit und weniger Pla­nungsaufwand habe. Diese erhiel­ten zudem eine höhere Stun­den­vergü­tung, weil sie sich auf Weisung zu bes­timmten Dien­sten ein­find­en müssten.
Das Arbeits­gericht hat die Klage abgewiesen. Das Lan­desar­beits­gericht hat auf die Beru­fung des Klägers das Urteil des Arbeits­gerichts abgeän­dert und die Beklagte zur Zahlung der geforderten Vergü­tung verurteilt.

Die hierge­gen gerichtete Revi­sion der Beklagten blieb vor dem Fün­ften Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts ohne Erfolg. Das Beru­fungs­gericht hat richtig erkan­nt, dass die im Ver­gle­ich zu den haup­tamtlichen Ret­tungsas­sis­ten­ten gerin­gere Stun­den­vergü­tung den Kläger ent­ge­gen § 4 Abs. 1 TzBfG ohne sach­lichen Grund benachteiligt. Die haupt- und nebe­namtlichen Ret­tungsas­sis­ten­ten sind gle­ich qual­i­fiziert und üben die gle­iche Tätigkeit aus. Der von der Beklagten pauschal behauptete erhöhte Pla­nungsaufwand bei der Ein­satz­pla­nung der nebe­namtlichen Ret­tungsas­sis­ten­ten bildet keinen sach­lichen Grund zur Recht­fer­ti­gung der Ungle­ich­be­hand­lung. Es ist bere­its nicht erkennbar, dass dieser Aufwand unter Berück­sich­ti­gung der erforder­lichen „24/7‑Dienstplanung“ und der öffentlich-rechtlichen Vor­gaben zur Beset­zung der Ret­tungs- und Kranken­wa­gen sig­nifikant höher ist. Auch wenn man unter­stellt, dass die Beklagte durch den Ein­satz der haup­tamtlichen Ret­tungsas­sis­ten­ten mehr Pla­nungssicher­heit hat, weil sie diesen ein­seit­ig Schicht­en zuweisen kann, ist sie hier­bei jedoch nicht frei. Sie unter­liegt vielmehr ua. durch das Arbeit­szeit­ge­setz vorgegebe­nen Gren­zen in Bezug auf die Dauer der Arbeit­szeit und die Ein­hal­tung der Ruhep­ausen. Die nebe­namtlichen Ret­tungsas­sis­ten­ten bilden insoweit ihre Ein­satzre­serve. Uner­he­blich ist, dass diese frei in der Gestal­tung der Arbeit­szeit sind. Die Beklagte lässt insoweit unberück­sichtigt, dass diese Per­so­n­en­gruppe wed­er nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewün­scht­en Dien­ste hat. Dass sich ein Arbeit­nehmer auf Weisung des Arbeit­ge­bers zu bes­timmten Dien­stzeit­en ein­find­en muss, recht­fer­tigt in der gebote­nen Gesamtschau keine höhere Stun­den­vergü­tung gegenüber einem Arbeit­nehmer, der frei ist, Dien­ste anzunehmen oder abzulehnen.

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