(Kiel) Wer­den derzeit insol­ven­zreife („Zom­bie-„) Unternehmen als Begleitschaden der Coro­na Welle gezüchtet?

Es ist schon eige­nar­tig, so der Mannheimer Recht­san­walt und Fachan­walt für Insol­ven­zrecht Rain­er – Man­fred Althaus von der DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel:

Die vielfache beschriebene und erwartete Insol­ven­zwelle lässt auf sich warten. Im Gegen­teil: die Zahl der Insol­ven­zen hat bish­er im Ver­hält­nis zu den vorigen Jahren stark abgenommen.

Zehn Jahre hielt der Auf­schwung. In ihr ist die Zahl der Insol­ven­zen stetig gesunken. Gab es nach dem sta­tis­tis­chen Bun­de­samt 2009 noch 33.762 Unternehmensin­sol­ven­zen, waren dies fünf Jahre später noch 14.549. Weit­ere fünf Jahre später, also 2019, waren es noch 19.005. Inner­halb des zehn­jähri­gen Auf­schwungs hat sich die Zahl Insol­ven­zen damit bald hal­biert. Dabei kom­men in ein­er Volk­swirtschaft immer Insol­ven­zen vor. Es gibt stets eine Anzahl von Unternehmen, die in eine mas­sive finanzielle Schieflage ger­at­en. Die Gründe hier­für sind vielfältig. Mal ist es Krankheit oder Alter des Unternehmensin­hab­ers, mal sind es neue Entwick­lun­gen. Auch verän­derte Mark­t­la­gen lassen alte Geschäftsmod­elle weg­brechen. Richtig ist nach wie vor die Aus­sage des Ökonomen Schum­peter: Neues löst Altes ab, es gilt das Prinzip der „schöpferischen Zerstörung.“

Nach zehn Jahren guter, wenn nicht sog­ar blenden­der, Wirtschaft­slage kann man die Zahl der Insol­ven­zen im Jahr 2019 als unteren Bere­ich ein­stufen, der also immer gegeben ist.

Nun haben nach dem sta­tis­tis­chen Bun­de­samt im Ver­gle­ich von Mai 2019 zu zur Mai 2020 9,9 % weniger Unternehmen einen Insol­ven­zantrag gestellt. Wenn man die Monate Juli 2019 und 2020 ver­gle­icht waren es noch mehr. Hier gab es sog­ar 16,7 % weniger Insol­ven­zver­fahren. Ins­ge­samt waren es im ersten Hal­b­jahr 2020 im Ver­hält­nis zu 2019 6,2 % weniger Unternehmensin­sol­ven­zen. Hier­bei ist zu bedenken, dass die ersten Monate im Jahr 2020 noch „nor­mal“ ver­laufen sind.

Noch deut­lich­er und gravieren­der wird der Unter­schied beim Ver­gle­ich der Monate August 2019 zu 2020. Hier gibt es eine vor­läu­fige Auswer­tung bei den Regelin­sol­ven­zver­fahren. Diese umfassen die Unternehmensin­sol­ven­zen, also GmbHs, AGs usw. Hinzu kom­men noch die Selb­st­ständi­gen, Freiberu­fler, einzelka­ufmän­nisch geführten Betriebe sowie die OHGs und KGs. Hier betrug der Rück­gang im Ver­gle­ich zum Vor­jahres­monat 38,9 %! Davon haben die Unternehmensin­sol­ven­zen einen Anteil von ca. 55 %. Der Rück­gang beträgt damit bei diesen mehr als 20 %.

Wir haben also in den let­zten Monat­en noch ein­mal erhe­blich weniger Insol­ven­zver­fahren als es am Ende der 10-jähri­gen Auf­schwungsphase gab. Das ist dur­chaus ver­wun­der­lich. Sollte man doch meinen, dass die Zahlen deut­lich ansteigen, weil es vie­len Unternehmen in der Coro­n­akrise deut­lich schlechter gehen soll und bes­timmt auch geht.

Über die Gründe hier­für kann man nur spekulieren. Sicher­lich hat das Füll­horn, mit dem die Bun­desregierung finanzielle Hil­fen in nie für möglich gehal­tener Höhe auss­chüt­tet, vie­len geholfen. Das war für viele Unternehmen und Betriebe pos­i­tiv und notwendig.

Ein weit­er­er Aspekt ist sicher­lich die Aus­set­zung der Insol­ven­zantragspflicht von März bis zum 30.9.2020.

Wenn man den starken Rück­gang der Insol­ven­zver­fahren betra­chtet, drän­gen sich gewisse Ver­mu­tun­gen auf.

Zum einen liegt der Ver­dacht nahe, dass eine Rei­he von Unternehmen durch die Finanzhil­fen kün­stlich weit­er am Leben gehal­ten wer­den. Das stützt die soge­nan­nten “Zombie“-Unternehmen. Das sind solche, die selb­st mit­tel­fristig nicht mehr in der Lage sind, auch nur die Zin­sen für ihre Kred­ite zurück­zuzahlen, geschweige denn zu tilgen. Von Gewin­nen ist dabei schon gar keine Rede mehr. Schon vor Coro­na gab es in den Medi­en Berichte über Unternehmen, die sich noch dadurch über Wass­er hal­ten, dass sie ständig neue Kred­ite auf­nah­men. Diese haben sie dann zur Erfül­lung ihrer alten Kred­ite ver­wen­det. In den Zeit­en der Niedrigzin­sen ist das möglich. Ein solch­er Kreis­lauf muss irgend­wann zusam­men­brechen. Jet­zt bekom­men solche Unternehmen auch noch Hil­fen ander­er Art und agieren weiter.

Zum anderen hat die Aus­set­zung der Insol­ven­zantragspflicht, auch wenn sie dur­chaus sin­nvoll gewe­sen ist, sich­er ihre Auswirkungen.

Viele, die schon vor Coro­na in Insol­ven­znähe waren, haben gedacht und denken wahrschein­lich noch immer, dass sie keinen Insol­ven­zantrag stellen müssen. Wer ken­nt schon die (juris­tis­che) Def­i­n­i­tion von „Zahlung­sun­fähigkeit“ und „Über­schul­dung“? Zumin­d­est nach mein­er eige­nen Erfahrung ist dies der ganz über­wiegen­den Anzahl von Unternehmen unbekan­nt. Übrig bleibt dann, was durch die Medi­en geht. Im Bewusst­sein kommt nur an: „Die Antragspflicht es aus­ge­set­zt, also muss ich als Unternehmer auch nichts tun. Ich kann noch warten.“ Par­al­lel hierzu wird auf die finanziellen Hil­fen, die erlangt wer­den kön­nen, zuge­grif­f­en. Das Prob­lem bei diesen Unternehmen liegt darin, dass diese finanziellen Hil­fen bei später­er Insol­venz nicht mehr zurück­gezahlt wer­den. Hinzu kom­men die Geschäftspart­ner solch­er Unternehmen, deren Forderun­gen offen­bleiben. In der Summe entste­hen dadurch Milliardenschäden.

Nichts­destotrotz sind die staatlichen Finanzhil­fen gut und ret­ten unsere Volk­swirtschaft vor noch weitaus größeren Schä­den. Insofern sind Begleitschä­den wie die (vor­läu­fige) Ret­tung insol­ven­zreifer (Zom­bie-) Unternehmen auf jeden Fall zu akzep­tieren. Schließlich hat es die ganz über­wiegende Mehrzahl von Unternehmen und Betrieben ver­di­ent, unter­stützt zu werden.

Ver­wun­derung bleibt aber trotz­dem darüber, dass die Zahl der Insol­ven­zen in dieser äußerst schlecht­en Wirtschaft­slage anstatt zu steigen noch ein­mal drastisch gesunken ist.

Seit dem 1.10.2020 beste­ht bei Zahlung­sun­fähigkeit wieder eine Insol­ven­zantragspflicht. Wer weniger als 90 % sein­er fäl­li­gen Verbindlichkeit­en zahlen kann, ist insol­ven­zreif. Bis­lang ist aber noch keine Steigerung bei den Insol­ven­zanträ­gen zu bemerken.

Alles in allem ist momen­tan damit keine Insol­ven­zwelle in Sicht.

Recht­san­walt Althaus emp­fahl den Fort­gang zu beacht­en und in allen Zweifels­fra­gen auf jeden Fall Recht­srat einzu­holen, wobei er in diesem Zusam­men­hang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  — verwies.

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