Bun­de­sar­beits­gericht, Beschluss vom 27.05.2021, AZ 8 AZR 276/20

Aus­gabe: 4–5/2021

Die Parteien stre­it­en im Revi­sionsver­fahren noch darüber, ob der Kläger der Beklagten zum Ersatz von Anwalt­skosten iHv. 66.500,00 Euro für Ermit­tlun­gen im Zusam­men­hang mit Vor­wür­fen des Spe­sen­be­trugs, des Abrech­nungs­be­trugs und von Com­pli­ance-Ver­stößen verpflichtet ist.

Der Kläger war bei der Beklagten als Leit­er des Zen­tral­bere­ichs Einkauf und Mit­glied ein­er Führungsebene zu einem Jahres­brut­to­ge­halt iHv. zulet­zt ca. 450.000,00 Euro tätig. Nach­dem bei der Beklagten mehrere anonyme Ver­dachtsmeldun­gen wegen eventueller Com­pli­ance-Ver­stöße des Klägers einge­gan­gen waren, traf das bei dieser zuständi­ge Gremi­um die Entschei­dung, eine Unter­suchung unter Ein­schal­tung ein­er auf die Durch­führung von Com­pli­ance-Ermit­tlun­gen spezial­isierten Anwalt­skan­zlei durchzuführen. Die Kan­zlei legte einen Unter­suchungs­bericht vor, nach dem der Kläger ua. auf Kosten der Beklagten Per­so­n­en ohne dien­stliche Ver­an­las­sung zum Essen ein­ge­laden sowie gegenüber der Beklagten Reisekosten für von ihm unter­nommene Fahrten zu Cham­pi­ons-League-Spie­len des FC Bay­ern München abgerech­net hat­te. Die Tick­ets für die Spiele hat­te der Kläger auf Anforderung von Geschäftspart­nern der Beklagten erhal­ten. Die Anwalt­skan­zlei stellte der Beklagten für ihre Tätigkeit aus­ge­hend von einem Stun­den­hono­rar iHv. 350,00 Euro ins­ge­samt 209.679,68 Euro in Rechnung.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsver­hält­nis gegenüber dem Kläger daraufhin frist­los, hil­f­sweise ordentlich wegen Ver­stoßes gegen das sog. Schmiergeld­ver­bot, Abrech­nung pri­vater Aus­la­gen auf Kosten der Beklagten und mehrfachen Spe­sen­be­trugs. Gegen die Kündi­gung hat der Kläger Kündi­gungss­chutzk­lage erhoben, die recht­skräftig abgewiesen wurde.

Mit ihrer Widerk­lage hat die Beklagte den Kläger auf Ersatz der ihr von der Anwalt­skan­zlei in Rech­nung gestell­ten Ermit­tlungskosten in Anspruch genom­men und dies damit begrün­det, der Kläger habe diese Kosten nach den vom Bun­de­sar­beits­gericht für die Erstat­tung von Detek­tivkosten aufgestell­ten Grund­sätzen zu erset­zen. Der Kläger hat die Auf­fas­sung vertreten, dem gel­tend gemacht­en Schadenser­satzanspruch ste­he die Regelung in § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG ent­ge­gen. Zudem habe die Beklagte die Erforder­lichkeit der Kosten nicht dargetan. 

Das Arbeits­gericht hat die Klage abgewiesen, das Lan­desar­beits­gericht hat auf die Beru­fung der Beklagten das arbeits­gerichtliche Urteil teil­weise abgeän­dert und der Beklagten 66.500,00 Euro zuge­sprochen. Es hat angenom­men, die Beklagte könne die Kosten erset­zt ver­lan­gen, die ihr durch die Tätigkeit der Anwalt­skan­zlei bis zum Ausspruch der Kündi­gung ent­standen seien. Mit der Revi­sion begehrt der Kläger die voll­ständi­ge Abweisung der Widerklage. 

Die Revi­sion des Klägers war vor dem Acht­en Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts erfol­gre­ich. Zwar kann ein Arbeit­ge­ber vom Arbeit­nehmer die durch das Tätig­w­er­den ein­er spezial­isierten Anwalt­skan­zlei ent­stande­nen notwendi­gen Kosten erset­zt ver­lan­gen, wenn er die Anwalt­skan­zlei anlässlich eines konkreten Ver­dachts ein­er erhe­blichen Ver­fehlung des Arbeit­nehmers mit Ermit­tlun­gen gegen diesen beauf­tragt hat und der Arbeit­nehmer ein­er schw­er­wiegen­den vorsät­zlichen Ver­tragspflichtver­let­zung über­führt wird. Sofern ein konkreter Ver­dacht ein­er erhe­blichen Ver­fehlung des Arbeit­nehmers vor­liegt, gehören auch die zur Abwen­dung dro­hen­der Nachteile notwendi­gen Aufwen­dun­gen des Geschädigten zu dem nach § 249 BGB zu erset­zen­den Schaden. Die Gren­ze der Ersatzpflicht richtet sich nach dem, was ein vernün­ftiger, wirtschaftlich denk­ender Men­sch nach den Umstän­den des Fall­es zur Besei­t­i­gung der Störung oder zur Schadensver­hü­tung nicht nur als zweck­mäßig, son­dern als erforder­lich getan haben würde. Dem ste­ht § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, der als spezielle arbeit­srechtliche Regelung nicht nur einen prozes­sualen, son­dern auch einen materiellen Kosten­er­stat­tungsanspruch auss­chließt, nicht ent­ge­gen. Diese Bes­tim­mung find­et in einem solchen Fall keine Anwen­dung. Die Beklagte hat jedoch nicht dargelegt, dass die von ihr gel­tend gemacht­en Kosten erforder­lich waren. Es fehlt an ein­er sub­stan­ti­ierten Dar­legung, welche konkreten Tätigkeit­en bzw. Ermit­tlun­gen wann und in welchem zeitlichen Umfang wegen welchen konkreten Ver­dachts gegen den Kläger von der beauf­tragten Anwalt­skan­zlei aus­ge­führt wurden.

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