Lan­desar­beits­gericht Schleswig-Hol­stein, Beschluss vom 20.07.2022, AZ 2 Sa 21/22

Aus­gabe: 07–2022

Wer sich auf eine Stel­lenanzeige im Inter­net­por­tal „Ebay-Kleinanzeigen“ über die dor­tige Chat-Funk­tion bewirbt, genießt den Sta­tus eines Bewer­bers. Das Ein­re­ichen weit­er­er Unter­la­gen ist nicht erforder­lich. Angesichts des Anzeigen­textes und der Antwort der Arbeit­ge­berin im Chat war klar, dass der Kläger auf­grund seines Geschlechts benachteiligt wor­den ist. Deshalb ste­ht ihm eine Entschädi­gung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von drei Brut­tomonats­ge­häl­tern zu. Dies hat das Lan­desar­beits­gericht Schleswig-Hol­stein am 21. Juni 2022 entsch­ieden (2 Sa 21/22) und damit eine Entschei­dung des Arbeits­gerichts Elmshorn abgeän­dert, die dem Kläger keinen Bewer­ber­sta­tus eingeräumt und damit auch keine Entschädi­gung zuge­sprochen hat­te (4 Ca 592 a/21, Urteil vom 16. Dezem­ber 2021).

Der in Nor­drhein-West­falen wohnende Kläger hat­te sich auf die in Ebay-Kleinanzeigen veröf­fentliche Stel­lenanzeige des im Kreis Stein­burg ansäs­si­gen Unternehmens bewor­ben. In dessen Anzeige heißt es wörtlich:

„Sekretärin gesucht!

Beschrei­bung:

Wir suchen eine Sekretärin ab sofort.
Vollzeit/Teilzeit
Es wäre super, wenn sie Erfahrung mitbringen. …“

Der Kläger antwortete dem Unternehmen über die Chat-Funk­tion u.a. mit fol­gen­den Worten:

„Hal­lo, ich habe ger­ade auf Ebay Kleinanzeigen ihre Stel­lenauss­chrei­bung gefun­den, wom­it Sie eine Sekretärin suchen. Ich suche derzeit eine neue Woh­nung im Umkreis und habe Inter­esse an Ihrer Stelle. Ich habe Beruf­ser­fahrung im Büro und kenne mich mit Word und Excel und Geset­zen gut aus. Liefer­scheine und Rech­nun­gen kann ich auch schreiben und son­st typ­is­che Arbeit­en ein­er Sekretärin, die sie fordern.
Ich bewerbe mich hier­mit auf ihrer Stelle. …“

Das Unternehmen antwortete schließlich mit fol­gen­den Worten:

„…vie­len Dank für Inter­esse in unserem Hause. Wir suchen eine Dame als Sekretärin. Wir wün­schen Ihnen alles Gute Vie­len Dank. …“

Der Kläger machte gegenüber dem Unternehmen eine Entschädi­gung von drei Brut­tomonats­ge­häl­tern gel­tend und war damit vor dem Lan­desar­beits­gericht erfolgreich.

Das Lan­desar­beits­gericht hält den für die Gel­tend­machung von Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG erforder­lichen Bewer­ber­sta­tus für gegeben. Wer eine Stel­lenanzeige in Ebay Kleinanzeigen veröf­fentlicht, muss damit rech­nen, dass sich die Bewer­ber über die Ebay-Kleinanzeigen-Chat­funk­tion bewer­ben und nicht auf klas­sis­che Weise schriftlich unter Beifü­gung von Bewer­bung­sun­ter­la­gen. Ein inhaltlich­es Min­dest­maß an Angaben zur Per­son des Bewer­bers wird geset­zlich nicht gefordert. Die Per­son des Bewer­bers muss iden­ti­fizier­bar sein.

Die Bewer­bung des Klägers war nicht rechtsmiss­bräuch­lich. An eine solche Annahme wer­den hohe Anforderun­gen gestellt: Es müssen im Einzelfall beson­dere Umstände vor­liegen, die aus­nahm­sweise den Schluss auf ein rechtsmiss­bräuch­lich­es Ver­hal­ten recht­fer­ti­gen. Das von der Beklagten Vor­ge­tra­gene reichte dafür nicht aus.

Im Ham­burg­er Umland ist unter Beach­tung der laufend­en Stel­lenange­bote für eine Sekretärin in Vol­lzeit ein monatlich­es Brut­to­ge­halt in Höhe von EUR 2.700,00 zu zahlen, sodass die Klage in Höhe von EUR 7.800,00 (drei Gehäl­ter á EUR 2.600,00) nicht über­zo­gen war.

Die Revi­sion ist nicht zuge­lassen worden. 

Die Entschei­dung ist nicht rechtskräftig.

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: https://www.schleswig-holstein.de/DE/justiz/ger…