Aus­gabe: 08/09–2022

Quelle: Pressemit­teilung

Recht­san­wälte, die als Gesellschafter-Geschäfts­führer ein­er Recht­san­walts­ge­sellschaft tätig sind, kön­nen auf­grund abhängiger Beschäf­ti­gung sozialver­sicherungspflichtig sein. Dies ist nicht von vorn­here­in deshalb aus­geschlossen, weil Recht­san­wälte unab­hängige Organe der Recht­spflege sind. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Das hat der 12. Sen­at des Bun­dessozial­gerichts heute entsch­ieden und damit die Revi­sio­nen von fünf Recht­san­wäl­ten zurück­gewiesen (B 12 R 4/20 R).

Bei Recht­san­walts­ge­sellschaften kommt es — wie all­ge­mein bei Gesellschaften mit beschränk­ter Haf­tung — für die Frage ein­er Ver­sicherungspflicht auf­grund Beschäf­ti­gung der Gesellschafter-Geschäfts­führer darauf an, ob sie über die gesellschaft­srechtliche Rechts­macht ver­fü­gen, die Geschicke des Unternehmens zu bes­tim­men. Etwas anderes gilt nicht für Recht­san­wälte, die in ein­er Recht­san­walts­ge­sellschaft tätig sind. Ganz all­ge­mein schließt die Bun­desrecht­san­walt­sor­d­nung eine Tätigkeit von Recht­san­wäl­ten in einem Anstel­lungsver­hält­nis und damit in abhängiger Beschäf­ti­gung nicht aus. Dies gilt auch in ein­er Recht­san­walts­ge­sellschaft, denn die Regelun­gen der Bun­desrecht­san­walt­sor­d­nung gewährleis­ten lediglich die fach­liche Unab­hängigkeit der Recht­san­wälte in ihrer anwaltlichen Tätigkeit. Auf­grund ihrer Posi­tion als Geschäfts­führer kön­nen sie den­noch in das Unternehmen eingegliedert sein und im Rah­men der Unternehmen­spoli­tik Weisun­gen der Gesellschafter­ver­samm­lung unterliegen.

In Anwen­dung dieser Maßstäbe hat der Sen­at die Urteile der Vorin­stanzen bestätigt und die Revi­sio­nen zurück­gewiesen. Jed­er der fünf Kläger ver­fügte als Min­der­heits­ge­sellschafter mit einem Geschäft­san­teil von ursprünglich 20 vom Hun­dert, später 25 vom Hun­dert nicht über die gesellschaft­srechtliche Rechts­macht, die Geschicke der Recht­san­walts­ge­sellschaft zu bes­tim­men. Die Geschäfts­führerverträge enthal­ten zudem typ­is­che Regelun­gen für eine abhängige Beschäftigung.

Hin­weise zur Rechtslage:

§ 37 Abs. 1 Gmb­HG Beschränkun­gen der Vertretungsbefugnis
Die Geschäfts­führer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkun­gen einzuhal­ten, welche für den Umfang ihrer Befug­nis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsver­trag oder, soweit dieser nicht ein anderes bes­timmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter fest­ge­set­zt sind.

§ 1 BRAO Stel­lung des Recht­san­walts in der Rechtspflege
Der Recht­san­walt ist ein unab­hängiges Organ der Rechtspflege.

§ 46 BRAO Angestellte Recht­san­wälte und Syndikusrechtsanwälte
(1) Recht­san­wälte dür­fen ihren Beruf als Angestellte solch­er Arbeit­ge­ber ausüben, die als Recht­san­wälte, Paten­tan­wälte oder rechts- oder paten­tan­waltliche Beruf­sausübungs­ge­sellschaften tätig sind.
(2) 1Angestellte ander­er als der in Absatz 1 genan­nten Per­so­n­en oder Gesellschaften üben ihren Beruf als Recht­san­walt aus, sofern sie im Rah­men ihres Arbeitsver­hält­niss­es für ihren Arbeit­ge­ber anwaltlich tätig sind (Syn­dikus­recht­san­wälte). (…)

§ 59c Abs. 1 BRAO Zulas­sung als Recht­san­walts­ge­sellschaft und Beteili­gung an beru­flichen Zusammenschlüssen
Gesellschaften mit beschränk­ter Haf­tung, deren Unternehmensge­gen­stand die Beratung und Vertre­tung in Recht­san­gele­gen­heit­en ist, kön­nen als Recht­san­walts­ge­sellschaften zuge­lassen werden.

§ 59e Abs. 1 Satz 1 BRAO Gesellschafter
Gesellschafter ein­er Recht­san­walts­ge­sellschaft kön­nen nur Recht­san­wälte und Ange­hörige der in § 59a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BRAO genan­nten Berufe sein.

§ 59f BRAO Geschäftsführung
(1) Die Recht­san­walts­ge­sellschaft muß von Recht­san­wäl­ten ver­ant­wortlich geführt wer­den. Die Geschäfts­führer müssen mehrheitlich Recht­san­wälte sein.
(…)
(4) Die Unab­hängigkeit der Recht­san­wälte, die Geschäfts­führer oder gemäß Absatz 3 bevollmächtigt sind, bei der Ausübung ihres Recht­san­walts­berufs ist zu gewährleis­ten. Ein­fluß­nah­men der Gesellschafter, namentlich durch Weisun­gen oder ver­tragliche Bindun­gen, sind unzulässig.

§ 7 Abs. 1 SGB IV Beschäftigung
1Beschäftigung ist die nicht­selb­ständi­ge Arbeit, ins­beson­dere in einem Arbeitsver­hält­nis. 2Anhaltspunkte für eine Beschäf­ti­gung sind eine Tätigkeit nach Weisun­gen und eine Eingliederung in die Arbeit­sor­gan­i­sa­tion des Weisungsgebers.

Ter­min­bericht:
https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2022/2022_06_28_B_12_R_04_20_R.html

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Pressemittei…