Der unter anderem für das Nach­bar­recht zuständi­ge V. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat heute über einen Rechtsstre­it entsch­ieden, in dem die kla­gen­den Bewohn­er eines Rei­hen­haus­es erre­ichen wollen, dass sie das als Lärm­beläs­ti­gung emp­fun­dene Trompe­ten­spiel aus dem benach­barten Rei­hen­haus nicht mehr hören. 

Sachver­halt:

Der Kläger und die Klägerin bewohnen als Nießbrauch­er ein Rei­hen­haus in einem Wohnge­bi­et. Die Beklagten sind Eigen­tümer und Bewohn­er des benach­barten Rei­hen­haus­es. Der Beklagte zu 1 ist Beruf­s­musik­er (Trompeter). Er übt im Erdgeschoss und in einem Proben­raum im Dachgeschoss Trompete, nach eige­nen Angaben max­i­mal 180 Minuten am Tag und regelmäßig nicht mehr als an zwei Tagen pro Woche unter Berück­sich­ti­gung der Mit­tags- und Nachtruhe. Zudem unter­richtet er zwei Stun­den wöchentlich externe Schüler. Die Beklagte zu 2 spielt nicht Trompete. 

Bish­eriger Prozessverlauf: 

Die Kläger ver­lan­gen von bei­den Beklagten das Ergreifen geeigneter Maß­nah­men, damit das Spie­len von Musikin­stru­menten auf dem Anwe­sen der Kläger nicht wahrgenom­men wer­den kann. Diesem Antag hat das Amts­gericht stattgegeben. Auf die Beru­fung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil geän­dert und die Beklagten gesamtschuld­ner­isch verurteilt, 

1. die Erteilung von Musikun­ter­richt an Dritte ins­ge­samt zu unterlassen 

2. es zu unter­lassen, in dem Anwe­sen der Beklagten Instru­men­tal­musik zu spie­len; davon ausgenom­men ist nur das Dachgeschoss. Dort darf für max­i­mal zehn Stun­den pro Woche werk­tags (Mon­tag-Fre­itag) zwis­chen 10 und 12 Uhr und 15 und 19 Uhr musiziert wer­den, und der Beklagte darf an max­i­mal acht Sam­sta­gen oder Son­nta­gen im Jahr zwis­chen 15 und 18 Uhr jew­eils max­i­mal eine Stunde Trompete üben. 

Mit der von dem Bun­des­gericht­shof zuge­lasse­nen Revi­sion wollen die Beklagten erre­ichen, dass die Klage ins­ge­samt abgewiesen wird; die Kläger wollen im Wege der Anschlussre­vi­sion das Urteil des Amts­gerichts wieder­her­stellen lassen. 

Die Entschei­dung des Bundesgerichtshofs: 

Der Bun­des­gericht­shof hat auf die Revi­sion der Beklagten und unter Zurück­weisung der Anschlussre­vi­sion der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 2 abgewiesen und die Sache im Übri­gen an das Landgericht zurück­ver­wiesen. Dabei hat er sich von fol­gen­den Erwä­gun­gen leit­en lassen: 

Gegen die (nicht musizierende) Beklagte zu 2 beste­ht von vorn­here­in kein Unter­las­sungsanspruch. Ihre Verurteilung käme nur dann in Betra­cht, wenn sie als soge­nan­nte mit­tel­bare Hand­lungsstörerin verpflichtet wäre, gegen das Musizieren des Beklagten zu 1 einzuschre­it­en. Das ist nicht der Fall, weil der Beklagte zu 1 das Haus als Miteigen­tümer und damit aus eigen­em Recht nutzt. Auch die Verurteilung des (musizieren­den) Beklagten zu 1 kann nicht Bestand haben. Das Landgericht hat bei einem richter­lichen Ort­ster­min fest­gestellt, dass das Trompe­ten­spiel des Beklagten im Dachgeschoss im Wohnz­im­mer der Kläger (Erdgeschoss) nicht und in deren Schlafz­im­mer (Dachgeschoss) nur leise zu hören ist, während das Trompe­ten­spiel im Wohnz­im­mer (Erdgeschoss) im angren­zen­den Wohnz­im­mer der Kläger als “schwache Zim­mer­laut­stärke” zu vernehmen ist. Im Aus­gangspunkt ste­ht den Klägern als Nießbrauch­ern eines Haus­es gegenüber dem Nach­barn, der sie durch Geräuschim­mis­sio­nen stört, grund­sät­zlich ein Unter­las­sungsanspruch zu. Der Abwehranspruch ist jedoch aus­geschlossen, wenn die mit dem Musizieren ver­bun­de­nen Beein­träch­ti­gun­gen nur unwesentlich sind. Das ist anzunehmen, wenn sie in dem Haus der Kläger nach dem Empfind­en eines “ver­ständi­gen Durch­schnitts­men­schen” nicht als wesentliche Beein­träch­ti­gung einzuord­nen sind; die Gren­ze der im Einzelfall zumut­baren Lärm­beläs­ti­gung kann nur auf Grund wer­tender Beurteilung fest­ge­set­zt werden. 

Insoweit hat das Landgericht einen zu stren­gen Maßstab zugrunde gelegt. Das häus­liche Musizieren ein­schließlich des dazuge­höri­gen Übens gehört zu den sozial­adäquat­en und üblichen For­men der Freizeitbeschäf­ti­gung und ist aus der maßge­blichen Sicht eines “ver­ständi­gen Durch­schnitts­men­schen” in gewis­sen Gren­zen hinzunehmen, weil es einen wesentlichen Teil des Lebensin­halts bilden und von erhe­blich­er Bedeu­tung für die Lebens­freude und das Gefühlsleben sein kann; es gehört — wie viele andere übliche Freizeitbeschäf­ti­gun­gen — zu der grun­drechtlich geschützten freien Ent­fal­tung der Per­sön­lichkeit. Ander­er­seits soll auch dem Nach­barn die eigene Woh­nung die Möglichkeit zur Entspan­nung und Erhol­ung und zu häus­lich­er Arbeit eröff­nen, mithin auch die dazu jew­eils notwendi­ge, von Umwelt­geräuschen möglichst ungestörte Ruhe bieten. Ein Aus­gle­ich der wider­stre­i­t­en­den nach­bar­lichen Inter­essen kann im Ergeb­nis nur durch eine aus­ge­wo­gene zeitliche Begren­zung des Musizierens her­beige­führt wer­den. Dabei hat ein Beruf­s­musik­er, der sein Instru­ment im häus­lichen Bere­ich spielt, nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte als ein Hob­by­musik­er und umgekehrt. 

Wie die zeitliche Regelung im Einzel­nen auszuse­hen hat, richtet sich nach den Umstän­den des Einzelfalls, ins­beson­dere dem Aus­maß der Geräuschein­wirkung, der Art des Musizierens und den örtlichen Gegeben­heit­en; eine Beschränkung auf zwei bis drei Stun­den an Werk­ta­gen und ein bis zwei Stun­den an Sonn- und Feierta­gen, jew­eils unter Ein­hal­tung der üblichen Ruhezeit­en in der Mit­tags- und Nachtzeit, kann als grober Richtwert dienen. Die örtlichen Gegeben­heit­en sind eben­falls von Bedeu­tung. Kön­nen die Geräuschein­wirkun­gen erhe­blich ver­ringert wer­den, indem in geeigneten Neben­räu­men musiziert wird, kann es auf­grund nach­bar­lich­er Rück­sicht­nahme geboten sein, das Musizieren in den Haupt­wohn­räu­men zeitlich stärk­er einzuschränken; das gilt ins­beson­dere dann, wenn auf Seit­en des Nach­barn beson­dere Umstände wie eine ern­sthafte Erkrankung eine gesteigerte Rück­sicht­nahme erfordern. Das Musizieren in den Haupt­wohn­räu­men des Haus­es kann aber nicht gän­zlich unter­sagt wer­den. Auch die zeitlich begren­zte Erteilung von Musikun­ter­richt kann je nach Aus­maß der Störung noch als sozial­adäquat anzuse­hen sein. Die Fes­tle­gung der einzuhal­tenden Ruhezeit­en muss sich an den üblichen Ruhezeit­en ori­en­tieren; im Einzel­nen haben die Gerichte einen gewis­sen Gestal­tungsspiel­raum. Ein nahezu voll­ständi­ger Auss­chluss für die Abend­stun­den und das Woch­enende, wie ihn das Beru­fungs­gericht vorge­se­hen hat, kommt jedoch nicht in Betra­cht. Dies ließe näm­lich außer Acht, dass Beruf­stätige, aber auch Schüler häu­fig ger­ade abends und am Woch­enende Zeit für das Musizieren finden. 

Nach alle­dem wird hier das Trompe­ten­spiel im Dachgeschoss, das nach den Fest­stel­lun­gen des Beru­fungs­gerichts auss­chließlich im Schlafz­im­mer der Kläger leise zu vernehmen ist, zur Mit­tags- und Nachtzeit als wesentlich, zu den übri­gen Zeit­en aber jeden­falls für etwa drei Stun­den werk­täglich (und eine entsprechend gerin­gere Zeitspanne an Sonn- und Feierta­gen) als unwesentlich anzuse­hen sein. Dann stün­den dem Beklagten zu 1 im Dachgeschoss rel­a­tiv großzügige Zeiträume zur Ver­fü­gung; infolgedessen kön­nte das Trompe­ten­spiel in den Haup­träu­men engeren zeitlichen Gren­zen unter­wor­fen wer­den. Jeden­falls ins­ge­samt sollte das tägliche Musizieren in dem Haus etwa drei Stun­den werk­tags (und eine entsprechend gerin­gere Zeitspanne an Sonn- und Feierta­gen) nicht über­schre­it­en. Entste­hen durch den Musikun­ter­richt lautere oder lästigere Ein­wirkun­gen und damit eine stärkere Beein­träch­ti­gung der Kläger, muss dieser ggf. auf wenige Stun­den wöchentlich beschränkt wer­den; sofern sich das Dachgeschoss zu der Unter­richt­serteilung eignet, kön­nte das Landgericht vorgeben, dass der Unter­richt nur dort stat­tfind­en darf.
Die Sache war hin­sichtlich der Beru­fung des Beklagten zu 1 an das Landgericht zurück­zu­ver­weisen, damit es Fest­stel­lun­gen dazu trifft, welche Störun­gen durch den Musikun­ter­richt entste­hen, und damit es die Zeit­en, zu denen musiziert wer­den darf, abschließend fes­tle­gen kann. 

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…