BGH, Beschluss vom 24.09.2020, AZ VI ZR 354/19

Aus­gabe: 7–9/2020

Sachver­halt:

Der Kläger erwarb im Mai 2014 von einem Drit­ten einen gebraucht­en, von der Beklagten hergestell­ten VW Pas­sat 2,0 I TDI zum Preis von 23.750 €. In dem Fahrzeug, das bei Erwerb durch den Kläger eine Lau­fleis­tung von rund 57.000 km aufwies, ist ein Motor der Bau­rei­he EA189, Schad­stoffnorm Euro 5 ver­baut. Der Motor ist mit ein­er Steuerungssoft­ware verse­hen, die erken­nt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüf­s­tand im Test­be­trieb befind­et, und in diesem Fall in einen Stick­ox­id (NOx)-optimierten Modus schal­tet. Das Kraft­fahrt-Bun­de­samt erkan­nte in der genan­nten Soft­ware eine unzuläs­sige Abschal­tein­rich­tung und ord­nete einen Rück­ruf an. Ein von der Beklagten daraufhin entwick­eltes Soft­ware-Update ließ der Kläger nicht durch­führen, fuhr das Fahrzeug aber trotz­dem weit­er. Das Fahrzeug hat inzwis­chen eine Lau­fleis­tung von rund 255.000 km. Mit sein­er Klage ver­langt der Kläger im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kauf­preis­es neb­st Zin­sen Zug um Zug gegen Rück­gabe des Fahrzeugs. 

Bish­eriger Prozessverlauf: 

Das Landgericht Braun­schweig hat die Klage abgewiesen, das Ober­lan­des­gericht Braun­schweig die Beru­fung des Klägers zurück­gewiesen. Zur Begrün­dung seines Urteils hat das Ober­lan­des­gericht im Wesentlichen aus­ge­führt, Schadenser­satzansprüche des Klägers gegen die Beklagte bestün­den schon deshalb nicht, weil der im Hin­blick auf die vom Kläger mit dem Fahrzeug gefahre­nen Kilo­me­ter vorzunehmende Vorteil­saus­gle­ich dazu führe, dass der vom Kläger aufgewen­dete Kauf­preis voll­ständig aufgezehrt sei. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revi­sion eingelegt. 

Entschei­dung des Senats: 

Der unter anderem für das Recht der uner­laubten Hand­lung zuständi­ge VI. Zivilse­n­at hat die Revi­sion zurück­gewiesen. Die Annahme des Ober­lan­des­gerichts, die vorzunehmende Anrech­nung der vom Kläger durch den Gebrauch des Fahrzeugs gezo­ge­nen Nutzungsvorteile (vgl. Sen­at­surteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19) zehre den Kauf­preis­er­stat­tungsanspruch vol­lum­fänglich auf, begeg­net keinen durch­greifend­en rechtlichen Bedenken. Die vom Ober­lan­des­gericht dabei zur Berech­nung des Wertes der Nutzungsvorteile herange­zo­gene Formel (Brut­tokauf­preis mal gefahrene Strecke seit Erwerb geteilt durch erwartete Rest­lau­fleis­tung im Erwerb­szeit­punkt) war revi­sion­srechtlich nicht zu bean­standen; die Annahme des Ober­lan­des­gerichts, das Fahrzeug habe im Erwerb­szeit­punkt eine Gesamt­lau­fleis­tungser­wartung von 250.000 Kilo­me­tern gehabt, hat­te der Kläger mit sein­er Revi­sion nicht angegriffen.
Einen Anspruch des Klägers auf soge­nan­nte “Delik­t­szin­sen” nach § 849 BGB ab Zahlung des Kauf­preis­es hat der VI. Zivilse­n­at eben­falls verneint. Zwar erfasst diese Vorschrift grund­sät­zlich jeden Sachver­lust durch Delikt, auch den Ver­lust von Geld in jed­er Form. Dies gilt auch dann, wenn dieser Ver­lust — wie hier — mit Willen des Geschädigten durch Weg­gabe erfol­gt. Vor­liegend stand ein­er Anwen­dung des § 849 BGB aber jeden­falls der Umstand ent­ge­gen, dass der Kläger als Gegen­leis­tung für die Hingabe des Kauf­preis­es ein in tat­säch­lich­er Hin­sicht voll nutzbares Fahrzeug erhal­ten hat; die tat­säch­liche Möglichkeit, das Fahrzeug zu nutzen, kom­pen­sierte den Ver­lust der Nutzungsmöglichkeit des Geldes. Eine Verzin­sung gemäß § 849 BGB entspricht in einem solchen Fall nicht dem Zweck der Vorschrift, mit einem pauschalierten Min­dest­be­trag den Ver­lust der Nutzbarkeit ein­er ent­zo­ge­nen oder beschädigten Sache auszugleichen.

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