Der VIII. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat sich heute mit den Maßstäben befasst, nach denen sich die Abwä­gung zwis­chen den Inter­essen der Mietver­tragsparteien richtet, wenn sich der Wohn­raum­mi­eter gegenüber ein­er Mod­ernisierungsmi­eter­höhung auf das Vor­liegen ein­er unzu­mut­baren Härte (§ 559 Abs. 4 Satz 1 BGB) beruft.
Zugle­ich hat er die Voraus­set­zun­gen präzisiert, unter denen der Här­teein­wand des Mieters nach § 559 Abs. 4 Satz 2 BGB aus­geschlossen ist, weil die Mod­ernisierungs­maß­nahme (hier: Wärmedäm­m­maß­nah­men bei Erneuerung eines teil­weise schad­haften Außen­putzes) auf­grund ein­er geset­zlichen Verpflich­tung des Ver­mi­eters durchge­führt wurde. 

Sachver­halt:

Der Kläger ist Mieter ein­er knapp 86 qm großen Woh­nung der Beklagten in Berlin, in der er seit seinem fün­ften Leben­s­jahr wohnt und die er inzwis­chen allein nutzt. Die Woh­nung liegt in einem Mehrfam­i­lien­haus aus dem Jahr 1929. Der Mietver­trag über die Woh­nung wurde im Jahr 1962 von den Eltern des Klägers abgeschlossen. Der Kläger bezieht Arbeit­slosen­geld II und erhält zur Deck­ung der Woh­nungsmi­ete monatlich einen Betrag von ca. 463,10 €. Seit Juni 2016 betrug die Kalt­mi­ete für die Woh­nung 574,34 € pro Monat zuzüglich eines Heizkosten­vorschuss­es in Höhe von 90,- €. 

Die beklagte Ver­mi­eterin ließ Däm­mungsar­beit­en an der ober­sten Geschoss­decke und der Außen­fas­sade durch­führen, erset­zte die bish­eri­gen Balkone durch größere Balkone mit ein­er Fläche von jew­eils ca. 5 qm und nahm einen seit den 1970-iger Jahren still­gelegten Fahrstuhl wieder in Betrieb. 

Ende März 2016 erk­lärte die Beklagte dem Kläger gegenüber schriftlich die Erhöhung der Kalt­mi­ete ab dem 1. Jan­u­ar 2017 um 240,- € monatlich. Hier­von ent­fie­len nach ihren Erläuterun­gen 70,- € auf die Däm­mungsar­beit­en (davon 4,16 € auf die Däm­mung der ober­sten Geschoss­decke), 100,- € auf den Anbau der neuen Balkone und weit­ere 70,- € auf die Wieder­in­be­trieb­nahme des Fahrstuhls. Hierge­gen wandte der Kläger ein, die Mieter­höhung bedeute für ihn eine finanzielle Härte. Er erhob Klage auf Fest­stel­lung, dass er nicht zur Zahlung der ver­langten Mieter­höhung von 240 € monatlich verpflichtet sei.
Prozessverlauf: 

Das Amts­gericht hat lediglich fest­gestellt, dass der Mieter nicht zur Zahlung der Mieter­höhung von 70 € für die Wieder­in­be­trieb­nahme des Fahrstuhls verpflichtet sei. Im Übri­gen hat es die Fest­stel­lungsklage des Mieters abgewiesen. 

Auf die Beru­fung des Mieters hat das Landgericht das erstin­stan­zliche Urteil abgeän­dert und fest­gestellt, dass dieser auf­grund seines Här­teein­wands ab dem 1. Jan­u­ar 2017 zur Zahlung ein­er Mieter­höhung von mehr als 4,16 € monatlich nicht verpflichtet sei. Denn er schulde wed­er für den Anbau eines größeren Balkons noch für die Fas­sadendäm­mung eine Mieter­höhung. Zu zahlen habe er nur den auf die Däm­mung der ober­sten Geschoss­decke ent­fal­l­en­den Betrag von zusät­zlich 4,16 € monatlich.
Die weit­eren Mieter­höhun­gen (100,- € für den Balko­nan­bau und 65,84 € für die Däm­mung der Außen­fas­sade) seien unwirk­sam, weil sie für den Mieter jew­eils eine finanzielle Härte bedeuteten, die auch unter Würdi­gung der berechtigten Inter­essen der Ver­mi­eterin nicht zu recht­fer­ti­gen sei. Hierge­gen wen­det sich diese mit ihrer vom Beru­fungs­gericht zuge­lasse­nen Revision. 

Die beklagte Ver­mi­eterin hat im Revi­sionsver­fahren vor allem gel­tend gemacht, dass nach den für staatliche Trans­fer­leis­tun­gen gel­tenden Vorschriften für einen Ein­per­so­n­en­haushalt lediglich eine Wohn­fläche von 50 qm als angemessen gelte. Die Woh­nung des – Arbeit­slosen­geld II beziehen­den – Mieters sei aber knapp 86 qm groß und über­steige damit diese Gren­ze erhe­blich. Let­ztlich laufe die einen Härte­fall beja­hende Entschei­dung des Beru­fungs­gerichts darauf hin­aus, dass der Ver­mi­eter den “Luxus” des Mieters zu finanzieren habe. 

Die Entschei­dung des Bundesgerichtshofs 

Der Bun­des­gericht­shof hat den Ein­wand der Ver­mi­eterin nicht durch­greifen lassen. Der Umstand, dass ein Mieter gemessen an seinen wirtschaftlichen Ver­hält­nis­sen und seinen Bedürfnis­sen eine viel zu große Woh­nung nutzt, ist zwar in die nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB vorzunehmenden Abwä­gung der bei­der­seit­i­gen Inter­essen zu Las­ten des Mieters einzubeziehen. Ein solch­er Sachver­halt liegt jedoch nicht bere­its dann vor, wenn der Mieter eine Woh­nung nutzt, die gemessen an den Aus­führungsvorschriften zur Gewährung von staatlichen Trans­fer­leis­tun­gen oder an den Vorschriften für die Bemes­sung von Zuschüssen für den öffentlich geförderten Woh­nungs­bau zu groß ist. 

Die Vorschriften zur angemesse­nen Woh­nungs­größe bei staatlichen Trans­fer­leis­tun­gen sollen sich­er­stellen, dass sich ein Hil­febedürftiger nicht auf Kosten der All­ge­mein­heit eine zu große Woh­nung leis­tet. Die Bes­tim­mung des § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB ver­fol­gt indessen einen anderen Regelungszweck. Hier gilt es abzuwä­gen, ob der Mieter, der sich ein­er von ihm nicht bee­in­fluss­baren Entschei­dung des Ver­mi­eters über die Durch­führung von Mod­ernisierungs­maß­nah­men aus­ge­set­zt sieht, trotz des Refi­nanzierungsin­ter­ess­es des Ver­mi­eters seinen bish­eri­gen Lebens­mit­telpunkt beibehal­ten darf. 

Weit­er ist zu beacht­en, dass nicht nur der Ver­mi­eter, son­dern auch der Mieter den Schutz der Eigen­tums­gewährleis­tung des Art. 14 Abs. 1 GG genießt. Daher kann er bei der Anwen­dung des § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB und der Ausle­gung des dort enthal­te­nen unbes­timmten Rechts­be­griffs “Härte” ver­lan­gen, dass die Gerichte die Bedeu­tung und Trag­weite seines Bestandsin­ter­ess­es hin­re­ichend erfassen und berücksichtigen. 

Gemessen daran kann die ein­er Beru­fung auf einen Härte­fall nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB im Einzelfall ent­ge­gen­ste­hende Unangemessen­heit ein­er Woh­nung nicht isoliert nach ein­er bes­timmten Größe für die jew­eilige Anzahl der Bewohn­er bes­timmt wer­den. Vielmehr kommt es darauf an, ob die vom Mieter genutzte Woh­nung unter Berück­sich­ti­gung aller Umstände des Einzelfalls – etwa auch der Ver­wurzelung des Mieters in der Woh­nung und sein­er gesund­heitlichen Ver­fas­sung — für seine Bedürfnisse deut­lich zu groß ist. 

Hier hat das Beru­fungs­gericht zutr­e­f­fend als maßge­blichen Gesicht­spunkt berück­sichtigt, dass der Mieter schon seit dem Jahr 1962 und mithin seit rund 55 Jahren in der Woh­nung lebt und ihm deshalb ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Ver­mi­eterin nicht vorge­hal­ten wer­den kann, dass er schon seit Beginn des Mietver­hält­niss­es “über seine Ver­hält­nisse” lebe. 

Soweit der Prozess­bevollmächtigte der Ver­mi­eterin erst­mals in der Revi­sionsver­hand­lung pauschal eingewen­det hat, der Mieter sei gehal­ten gewe­sen, einen Teil der Woh­nung unterzu­ver­mi­eten und sich dadurch finanzielle Mit­tel zu ver­schaf­fen, han­delt es sich um neuen Sachvor­trag der insoweit dar­legungs- und beweispflichti­gen Ver­mi­eterin, der schon deshalb in der Revi­sion­sin­stanz nicht berück­sichtigt wer­den kann. Zudem ist offen, ob die Woh­nung über­haupt zur Unter­ver­mi­etung geeignet ist, ob die Ver­mi­eterin ein­er solchen zu den bish­eri­gen Kon­di­tio­nen zus­tim­men würde und ob dem Mieter über­haupt ein Zusam­men­leben mit einem Unter­mi­eter zuzu­muten ist. 

Der Bun­des­gericht­shof hat somit die tatrichter­liche Würdi­gung des Beru­fungs­gerichts zum Vor­liegen ein­er unzu­mut­baren Härte gebil­ligt. Gle­ich­wohl musste das Beru­fung­surteil aufge­hoben und die Sache an das Beru­fungs­gericht zurück­ver­wiesen wer­den, weil dieses keine aus­re­ichen­den Fest­stel­lun­gen zum Vor­liegen der Aus­nah­me­fälle des § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB getrof­fen hat, bei deren Vor­liegen ein Här­teein­wand des Mieters geset­zlich aus­geschlossen ist.

Bezüglich der Mod­ernisierungs­maß­nahme “Ver­größerung der Balkone auf 5 qm” hat das Beru­fungs­gericht keine tragfähi­gen Fest­stel­lun­gen zu der entschei­den­den Frage getrof­fen, ob Balkone dieser Größe all­ge­mein üblich, also bei min­destens 2/3 aller ver­gle­ich­baren Gebäude gle­ichen Alters unter ver­gle­ich­baren Ver­hält­nis­sen in der Region anzutr­e­f­fen sind. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Beru­fungs­gerichts lassen sich allein aus dem Umstand, dass der Berlin­er Miet­spiegel einen Balkon ab 4 qm Fläche als wohn­wert­er­höhen­des Merk­mal ein­stuft, insoweit keine ver­lässlichen Schlussfol­gerun­gen ziehen. 

Hin­sichtlich der Mod­ernisierungs­maß­nahme “Fas­sadendäm­mung” hat das Beru­fungs­gericht verkan­nt, dass § 9 Abs. 1 EnEV dem Eigen­tümer im Falle der Erneuerung des Außen­putzes an Fas­saden­flächen zwar vorgibt, Wärmedäm­mungs­maß­nah­men durchzuführen, ihm aber eine Verpflich­tung, den Außen­putz zu erneuern, ger­ade nicht aufer­legt. Vielmehr ste­ht es regelmäßig im freien Belieben des Ver­mi­eters, ob und wann er eine Erneuerung des Außen­putzes vorn­immt. Erst wenn er sich hierzu entschlossen hat, verpflichtet ihn das Gesetz zur Ein­hal­tung bes­timmter Wärmedämmwerte. 

§ 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGB schließt den Här­teein­wand des Mieters aber nur dann aus, wenn der Ver­mi­eter die Durch­führung ein­er Mod­ernisierungs­maß­nahme nicht zu vertreten hat, sich ihr also auf­grund zwin­gen­der geset­zlich­er Vorschriften nicht entziehen kann. Es kommt daher darauf an, ob für den Ver­mi­eter eine Erneuerung des Außen­putzes “unauswe­ich­lich” ist, etwa weil dieser auf­grund alters­be­d­ingten Ver­schleißes zu erneuern ist und sich der Ver­mi­eter zudem einem berechtigten Instand­set­zungs­begehren des Mieters oder ein­er (bestand­skräfti­gen) behördlichen Anord­nung aus­ge­set­zt sieht beziehungsweise die Besei­t­i­gung von Schä­den drin­gend aus Sicher­heits­grün­den geboten ist. Nur im Falle ein­er solchen “Unauswe­ich­lichkeit” befind­et sich der Ver­mi­eter in ein­er Zwangslage, die den Auss­chluss des Här­teein­wands des Mieters nach § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGB rechtfertigt. 

Die Sache ist daher an das Beru­fungs­gericht zurück­ver­wiesen wor­den, damit – gegebe­nen­falls nach ergänzen­dem Sachvor­trag der Parteien – die erforder­lichen Fest­stel­lun­gen getrof­fen wer­den können. 

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…