BGH, Beschluss vom 27.05.2021, AZ XI ZR 26/20

Aus­gabe: 4–5/2021

Der für das Bankrecht zuständi­ge XI. Zivilse­n­at hat heute entsch­ieden, dass Klauseln in All­ge­meinen Geschäfts­be­din­gun­gen ein­er Bank unwirk­sam sind, die ohne inhaltliche Ein­schränkung die Zus­tim­mung des Kun­den zu Änderun­gen der All­ge­meinen Geschäfts­be­din­gun­gen und Son­derbe­din­gun­gen fingieren. 

Sachver­halt und bish­eriger Prozessverlauf: 

Der Kläger ist der Bun­desver­band der Ver­braucherzen­tralen und Ver­braucherver­bände, der als qual­i­fizierte Ein­rich­tung nach § 4 UKlaG einge­tra­gen ist. Die beklagte Bank ver­wen­det in ihrem Geschäftsverkehr mit Ver­brauch­ern All­ge­meine Geschäfts­be­din­gun­gen, die Klauseln enthal­ten, die im Wesentlichen den Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken und Nr. 2 Abs. 1 bis 3 AGB-Sparkassen bzw. den Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken und Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen entsprechen. Danach wer­den Änderun­gen von All­ge­meinen Geschäfts­be­din­gun­gen den Kun­den spätestens zwei Monate vor dem vorgeschla­ge­nen Zeit­punkt ihres Wirk­samw­er­dens in Textform ange­boten. Die Zus­tim­mung des Kun­den gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschla­ge­nen Zeit­punkt des Wirk­samw­er­dens der Änderun­gen angezeigt hat. Auf diese Genehmi­gungswirkung weist ihn die Bank in ihrem Ange­bot beson­ders hin. Der Kunde hat die Möglichkeit der Kündigung. 

Der Kläger hält die Klauseln für unwirk­sam. Er begehrt mit sein­er Klage, der Beklagten bei Mei­dung von Ord­nungsmit­teln aufzugeben, es zu unter­lassen, die Klauseln in Verträge mit Ver­brauch­ern einzubeziehen und sich auf die Klauseln zu berufen. 

Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in erster Instanz außer­dem noch die Erstat­tung von Abmahnkosten neb­st Recht­shängigkeit­szin­sen ver­langt hat, abgewiesen. Das Beru­fungs­gericht hat die Beru­fung des Klägers, mit der er sein Klage­begehren mit Aus­nahme seines Zahlungsantrags weit­er­ver­fol­gt hat, zurückgewiesen. 

Entschei­dung des Bundesgerichtshofs: 

Der Bun­des­gericht­shof hat auf die Rechtsmit­tel des Klägers das Beru­fung­surteil aufge­hoben und die beklagte Bank nach Maß­gabe der in zweit­er Instanz gestell­ten Anträge verurteilt. 

Die Klauseln unter­liegen vol­lum­fänglich der AGB-Kon­trolle. Das gilt auch, soweit sie Zahlungs­di­en­ster­ah­men­verträge erfassen. § 675g BGB sper­rt die Anwen­dung der §§ 307 ff. BGB nicht. Das fol­gt aus dem Union­srecht (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Novem­ber 2020 — C‑287/19, “DenizBank”, WM 2020, 2218), dessen Umset­zung § 675g BGB dient und der in diesem Sinne union­srecht­skon­form auszule­gen ist. 

Die Klauseln, die so auszule­gen sind, dass sie sämtliche im Rah­men der Geschäftsverbindung geschlosse­nen Verträge der Beklagten mit ihren Kun­den wie etwa auch das Wert­pa­piergeschäft und den Sparverkehr betr­e­f­fen, hal­ten der eröffneten AGB-Kon­trolle nicht stand. 

Nr. 1 (2) der AGB der Beklagten bet­rifft alle Änderun­gen “dieser” Geschäfts­be­din­gun­gen, also der All­ge­meinen Geschäfts­be­din­gun­gen, die zugle­ich mit Nr. 1 (2) AGB vere­in­bart wer­den, und Änderun­gen (kün­ftiger) “beson­der­er Bedin­gun­gen” für einzelne geson­dert vere­in­barte Geschäft­szweige, die das gesamte Tätigkeitsspek­trum der Beklagten umfassen. Sie bet­rifft nicht nur Anpas­sun­gen von einzel­nen Details der ver­traglichen Beziehun­gen der Parteien mit­tels ein­er fin­gierten Zus­tim­mung des Kun­den, son­dern ohne inhaltliche oder gegen­ständliche Beschränkung jede ver­tragliche Änderungsvere­in­barung. Damit weicht sie von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB ab, indem sie das Schweigen des Ver­wen­dungs­geg­n­ers als Annahme eines Ver­tragsän­derungsantrags qual­i­fiziert. Diese Abwe­ichung benachteiligt die Kun­den der Beklagten unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Eine unangemessene Benachteili­gung des Ver­tragspart­ners des Ver­wen­ders wird ver­mutet, wenn eine klauselmäßige Abwe­ichung von wesentlichen Grundgedanken der geset­zlichen Regelung gegeben ist. Die all­ge­meine Änderungsklausel bietet eine Hand­habe, unter Zuhil­fe­nahme ein­er Zus­tim­mungs­fik­tion im Falle ein­er fehlen­den frist­gerecht­en Ablehnung das Ver­trags­ge­füge ins­ge­samt umzugestal­ten. Dass “vere­in­barte” Änderun­gen ihrer­seits der Ausübungskon­trolle unter­liegen, gle­icht diesen Umstand nicht aus. Für so weitre­ichende, die Grund­la­gen der rechtlichen Beziehun­gen der Parteien betr­e­f­fende Änderun­gen, die dem Abschluss eines neuen Ver­trags gle­ichkom­men kön­nen, ist vielmehr ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genü­gen­der Änderungsver­trag notwendig. 

Auch Nr. 12 (5) der AGB der Beklagten hält ein­er Inhalt­skon­trolle nicht stand. Die Klausel bet­rifft Ent­gelte für Hauptleis­tun­gen. Damit benachteiligt die Klausel auch unter Berück­sich­ti­gung des Umstands, dass keine ein­seit­ige Anpas­sungs­befug­nis der Beklagten beste­ht, son­dern Änderun­gen des Ver­tragsver­hält­niss­es nur im Wege eines — gegebe­nen­falls fin­gierten — Kon­sens­es zus­tande kom­men sollen, die Kun­den der Beklagten ent­ge­gen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB). Mit­tels Zus­tim­mungs­fik­tion kann die vom Kun­den geschuldete Hauptleis­tung geän­dert wer­den, ohne dass dafür Ein­schränkun­gen vorge­se­hen sind. Die Beklagte erhält damit eine Hand­habe, das Äquiv­alen­zver­hält­nis von Leis­tung und Gegen­leis­tung erhe­blich zu ihren Gun­sten zu ver­schieben und damit die Posi­tion ihres Ver­tragspart­ners zu entwerten. Für solche weitre­ichen­den, die Grund­la­gen der rechtlichen Beziehun­gen der Parteien betr­e­f­fend­en Änderun­gen ist, wie oben aus­ge­führt, ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genü­gen­der Änderungsver­trag notwendig. Eine Zus­tim­mungs­fik­tion im Falle ein­er fehlen­den frist­gerecht­en Ablehnung reicht hier­für unter Berück­sich­ti­gung der berechtigten Inter­essen des Ver­wen­dungs­geg­n­ers nicht aus. 

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…