BGH, Beschluss vom 25.07.2022, AZ IV ZR 253/20

Aus­gabe: 06/07–2022

Der unter anderem für das Ver­sicherungsver­tragsrecht zuständi­ge IV. Zivilse­n­at des Bun­des­gericht­shofs hat entsch­ieden, dass eine wirk­same Grund­lage für Prämien­an­pas­sun­gen in der pri­vat­en Kranken­ver­sicherung in § 8b Abs. 1 MB/KK 2009 (Musterbe­din­gun­gen 2009 des Ver­ban­des der pri­vat­en Kranken­ver­sicherung; i.F.: MB/KK) in Verbindung mit den Tar­if­be­din­gun­gen des Ver­sicher­ers enthal­ten ist. Dies bet­rifft Beitragser­höhun­gen, bei denen der Ver­gle­ich der erforder­lichen mit den kalkulierten Ver­sicherungsleis­tun­gen eine Abwe­ichung über dem tar­i­flich fest­gelegten Prozentsatz von 5 % ergeben hat, der geset­zliche Schwellen­wert von 10 % aber nicht über­schrit­ten wird. 

Sachver­halt und Prozessverlauf: 

Der Kläger wen­det sich gegen mehrere Beitragser­höhun­gen seines pri­vat­en Kranken­ver­sicher­ers, die er für unwirk­sam hält, und klagt daher unter anderem auf Rück­zahlung der auf die Beitragser­höhun­gen gezahlten Prämienanteile. 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Beru­fungs­gericht hat dies zum Teil abgeän­dert und die Beklagte unter anderem zur teil­weisen Rück­zahlung der Prämien­an­teile verurteilt. Dabei hat es angenom­men, dass mehrere Prämiener­höhun­gen wegen ein­er unzure­ichen­den Begrün­dung in den Mit­teilungss­chreiben zunächst nicht wirk­sam gewor­den seien. Weit­ere Prämien­an­pas­sun­gen hat es dage­gen für endgültig unwirk­sam gehal­ten, da die Beitragsan­pas­sungsklausel in § 8b Abs. 1 und 2 MB/KK unwirk­sam sei. 

Soweit die Klage Erfolg hat­te, richtet sich dage­gen die Revi­sion der Beklagten. 

Die Entschei­dung des Senats: 

Der Bun­des­gericht­shof hat hin­sichtlich der Prämien­an­pas­sun­gen, die das Beru­fungs­gericht für materiell unwirk­sam gehal­ten hat, das Beru­fung­surteil nicht bestätigt. Für diese Erhöhun­gen beste­ht eine wirk­same Prämien­an­pas­sungsklausel in § 8b Abs. 1 MB/KK in Verbindung mit den Tar­if­be­din­gun­gen des Versicherers. 

Zwar ist § 8b Abs. 2 MB/KK unwirk­sam. Diese Regelung weicht ent­ge­gen § 208 Satz 1 VVG zum Nachteil des Ver­sicherungsnehmers von § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG ab. Während nach der geset­zlichen Vorschrift eine Prämien­an­pas­sung zwin­gend voraus­set­zt, dass die Verän­derung ein­er für die Prämienkalku­la­tion maßge­blichen Rech­nungs­grund­lage nicht nur als vorüberge­hend anzuse­hen ist, sieht § 8b Abs. 2 MB/KK vor, dass der Ver­sicher­er bei ein­er nur als vorüberge­hend anzuse­hen­den Verän­derung von der Prämien­an­pas­sung abse­hen “kann”, d.h. auch in diesem Fall ist sie nicht ausgeschlossen. 

Die Unwirk­samkeit von § 8b Abs. 2 MB/KK hat aber nicht zur Folge, dass auch § 8b Abs. 1 MB/KK unwirk­sam und die darauf bezugnehmende Regelung in den Tar­if­be­din­gun­gen des Ver­sicher­ers nicht mehr anwend­bar wäre. § 8b Abs. 1 MB/KK weicht nicht zum Nachteil des Ver­sicherungsnehmers von den geset­zlichen Vorschriften über die Prämien­an­pas­sung ab. Die Klausel enthält diesel­ben Voraus­set­zun­gen wie § 203 Abs. 2 VVG und erlaubt eine Prämien­an­pas­sung ins­beson­dere nur bei ein­er Verän­derung der Rech­nungs­grund­la­gen, die nicht nur als vorüberge­hend anzuse­hen ist. Mit der Regelung des § 8b Abs. 1 MB/KK in Verbindung mit den Tar­if­be­din­gun­gen macht der Ver­sicher­er allein von der ihm in § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, den Schwellen­wert für die Prü­fung ein­er Beitragsan­pas­sung von 10 % auf 5 % abzusenken. 

Der Bestand der Regelung in § 8b Abs. 1 MB/KK wird auch durch die Stre­ichung von § 8b Abs. 2 MB/KK nicht beein­trächtigt, da der Sinn der verbleiben­den Regelung weit­er­hin aus sich her­aus ver­ständlich ist. 

Die Revi­sion hat­te zum Teil Erfolg und führte zu ein­er teil­weisen Aufhe­bung des Beru­fung­surteils. Hin­sichtlich mehrerer Neben­forderun­gen ist das klage­ab­weisende Urteil des Landgerichts wieder­hergestellt wor­den. Soweit das Beru­fungs­gericht zu Unrecht von ein­er materiellen Unwirk­samkeit der Prämien­an­pas­sun­gen aus­ge­gan­gen ist und deren formelle Wirk­samkeit noch nicht geprüft hat, hat der Bun­des­gericht­shof die Sache zur neuen Ver­hand­lung und Entschei­dung an das Beru­fungs­gericht zurück­ver­wiesen, damit es diese Prü­fung nach­holen kann. 

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