Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.06.2022, AZ 19 TaBV 1/22

Ausgabe: 06/2022

1. Die nach § 112 Abs. 2 BetrVG für den Versuch eines Interessenausgleichs einzusetzende Einigungsstelle ist offensichtlich unzuständig (§ 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG), wenn der Unternehmer eine Einschränkung oder Stilllegung eines Betriebsteils durch den Ausspruch von Kündigungen bereits durchgeführt hat; er hat damit vollendete Tatsachen geschaffen, die er nicht mehr einseitig rückgängig machen kann.

2. Die für den Abschluss eines Sozialplans nach den §§ 112 Abs. 2, Abs. 4 i.V. mit 111 BetrVG einzusetzende Einigungsstelle ist offensichtlich unzuständig, wenn von der Stilllegung (§ 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG) kein wesentlicher Betriebsteil betroffen ist. Das richtet sich bei einem Personalabbau danach, ob hinsichtlich des Betriebsteils die Zahlenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG erreicht werden.

3. Eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle liegt auch dann vor, wenn ein in diesem Sinne wesentlicher Betriebsteil nicht stillgelegt, sondern nur eingeschränkt wird und der Personalabbau selbst die Zahlengrößen des § 17 Abs. 1 KSchG bezogen auf den Betrieb nicht erreicht.

4. Ein Fall der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle liegt aber nicht vor, wenn der Unternehmer ursprünglich beabsichtigte, den Betriebsteil auf ein anderes Unternehmen zu übertragen, wodurch die Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung und zu unveränderten Arbeitsbedingungen übergehen sollten, er sich dann aber entschließt, sämtliche Arbeitsverhältnisse insbesondere durch Kündigungen zu beenden und das andere Unternehmen den betroffenen Arbeitskräften neue Arbeitsverträge anbietet. Nimmt ein nach Zahl- und Sachkunde wesentlicher Teil des Personals das Vertragsangebot an, kann jedenfalls nicht offensichtlich ausgeschlossen werden, dass eine Spaltung in Verbindung mit einem Betriebsteilübergang vorliegt (§ 111 Satz 3 Alternative 2 BetrVG).

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