Lan­desar­beits­gericht Hamm, Beschluss vom 06.10.2022, AZ 18 Sa 1548/21

Aus­gabe: 09–2022

1.
§ 1 Abs. 3 S. 2 KSchG erken­nt nur die Erhal­tung ein­er aus­ge­wo­ge­nen Per­son­al­struk­tur als berechtigtes betrieblich­es Inter­esse an, nicht aber deren Her­stel­lung, d. h. die Verän­derung der bish­eri­gen Personalstruktur.
2.
Der Arbeit­ge­ber kann zur Erhal­tung ein­er bes­timmten Per­son­al­struk­tur des in Betra­cht kom­menden Per­so­n­enkreis­es abstrak­te Grup­pen mit unter­schiedlichen Struk­turmerk­malen bilden und aus jed­er Gruppe eine bes­timmte Anzahl von Arbeit­nehmern fes­tle­gen, die nicht in die Auswahl ein­be­zo­gen wer­den sollen. Auch eine Grup­pen­bil­dung nach Aus­bil­dung und Qual­i­fika­tion ist zuläs­sig, da zur Per­son­al­struk­tur auch die Leis­tungsstärke der Belegschaft gehört. Erhal­tung der Leis­tungsstärke der Belegschaft bedeutet, dass das Ver­hält­nis der leis­tungsstärk­eren zu den leis­tungss­chwächeren Arbeit­nehmern in etwa gle­ich bleibt. Der Arbeit­ge­ber kann daher z. B. für die Mitar­beit­er, die für eine Sozialauswahl in Betra­cht kom­men, eine Leis­tungs­beurteilung anfer­ti­gen lassen, dann Grup­pen bilden und aus diesen Grup­pen anteilig gle­ich viele Arbeit­nehmer entlassen.
3.
Der Arbeit­ge­ber mis­sachtet diese Grund­sätze im Kern, wenn er zwar eine Grup­pen­bil­dung vorn­immt, jedoch davon absieht, aus den gebilde­ten Qual­i­fizierungs­grup­pen anteilig gle­ich viele Arbeit­nehmer zu ent­lassen und die vielmehr die Sozialauswahl auf die Qual­i­fizierungs­gruppe beschränkt, in der sich die Arbeit­nehmer befind­en, die bei der Bew­er­tung ihrer Qual­i­fika­tion nach Maß­gabe der “Qual­i­fizierungs-Matrix” die ger­ing­ste Punk­tzahl erre­ichen und mithin die ger­ing­ste Qual­i­fika­tion aufweisen. Dadurch, dass auss­chließlich Arbeit­nehmer jen­er Qual­i­fizierungs­gruppe ent­lassen wer­den, wird im Ergeb­nis nicht die Per­son­al­struk­tur erhal­ten, son­dern verbessert. Denn der Arbeit­ge­ber entledigt sich auss­chließlich der­jeni­gen Arbeit­nehmer, die, den Bew­er­tungs­maßstab der “Qual­i­fizierungs-Matrix” zugrunde gelegt, am wenig­sten qual­i­fiziert sind. Das hat notwendi­ger­weise eine Erhöhung der durch­schnit­tlichen Qual­i­fika­tion zur Folge. An ein­er solchen Maß­nahme beste­he jedoch kein anzuerken­nen­des betrieblich­es Inter­esse. Der Grundgedanke der Sozialauswahl wird ger­adezu in sein Gegen­teil verkehrt, weil für das Ergeb­nis der Auswahl let­ztlich nicht mehr soziale Kri­te­rien, son­dern auss­chließlich die Qual­i­fika­tion der Arbeit­nehmer von Belang ist.
4.
Das Vorge­hen des Arbeit­ge­bers kann dazu führen, dass die Sozialauswahl als grob fehler­haft anzuse­hen ist (im Stre­it­fall bejaht).

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_h…