OLG Frank­furt, Beschluss vom 25.07.2022, AZ 6 U 232/21

Aus­gabe: 06/07–2022

Fließen in das Gesamt­be­w­er­tungsergeb­nis für Pro­duk­te, die auf eine Verkauf­s­plat­tform ange­boten wer­den, auch Rezen­sio­nen ein, für die an den Rezensen­ten ein — wenn auch geringes — Ent­gelt gezahlt wird, liegt unlautere getarnte Wer­bung vor, sofern die Berück­sich­ti­gung dieser bezahlten Rezen­sio­nen nicht ken­ntlich gemacht wird. Das Ober­lan­des­gericht Frank­furt am Main (OLG) hat mit heute verkün­de­ter Entschei­dung die vom Landgericht aus­geurteilte Unter­las­sungsverpflich­tung bestätigt. 

Die Klägerin bietet im Inter­net die ent­geltliche Ver­mit­tlung von Kun­den­rezen­sio­nen an. Die Kun­den der Klägerin sind auss­chließlich Händler auf Online-Verkauf­s­plat­tfor­men. Die Beklagte betreibt die Verkauf­s­plat­tform amazon.de. Die Pro­duk­te wer­den dort mit einem Gesamt­sterne-Bew­er­tungssys­tem bew­ertet. Die Beklagte ver­mit­telt zudem ihren Verkauf­s­part­nern gegen Ent­gelt Kun­den­rezen­sio­nen im Rah­men des sog. Ear­ly Review­er Pro­gramms (i.F.: ERP). Dabei han­delt es sich um Bew­er­tun­gen aus­ländis­ch­er Rezensen­ten gegen Ent­gelt oder Gutscheine für Pro­duk­te, die zuvor auf dem US‑, UK- oder Japan-Mar­ket­place gekauft wur­den. Diese Bew­er­tun­gen wer­den auch deutschen Käufern angezeigt und fließen in das Gesamt­be­w­er­tungsergeb­nis ein.

Die Klägerin wen­det sich gegen die Veröf­fentlichung von ERP-Rezen­sio­nen, wenn diese Teil des Gesamt­be­w­er­tungsergeb­niss­es wer­den und nicht darauf hingewiesen wird, dass die Rezen­sio­nen bezahlt wur­den und wie viele dieser Rezen­sio­nen Teil des Gesamt­be­w­er­tungsergeb­niss­es sind.

Die gegen die vom Landgericht aus­ge­sproch­ene Unter­las­sungsverpflich­tung gerichtete Beru­fung der Beklagten hat­te vor dem OLG keinen Erfolg. Es liege eine unlautere getarnte Wer­bung vor, bestätigte das OLG. ERP-Rezen­sio­nen zu veröf­fentlichen, ohne darauf hinzuweisen, dass die Rezen­sio­nen bezahlt wur­den und wie viele Rezen­sio­nen Teil des Gesamt­be­w­er­tungsergeb­niss­es sind, sei unlauter.

Die Berück­sich­ti­gung dieser ERP-Rezen­sio­nen — und damit auch nicht ihr Anteil — würde von der Beklagten nicht ken­ntlich gemacht und ergebe sich auch nicht aus den Umstän­den. Ob Inter­net­nutzer damit rech­neten, dass in ein Gesamt­be­w­er­tungsergeb­nis auch immer Rezen­sio­nen ein­fließen, die nicht sach­lich begrün­det sein, könne offen­bleiben. Dies dürfe jeden­falls „kein Freib­rief dafür sein … , bee­in­flusste Rezen­sio­nen zu ver­wen­den“, stellte das OLG klar.

Die Berück­sich­ti­gung von ERP-Rezen­sio­nen habe hier auch geschäftliche Rel­e­vanz. Die Rezensen­ten des ERP erhiel­ten eine kleine Beloh­nung für die Abfas­sung der Rezen­sion. „Daraus fol­gt zwangsläu­fig, dass sie bei Abgabe ihrer Bew­er­tung nicht frei von sach­frem­den Ein­flüssen sind“, betont das OLG. Es beste­he vielmehr die konkrete Gefahr, dass ein nicht geringer Anteil der Teil­nehmer an dem Pro­gramm sich ver­an­lasst sehe, ein Pro­dukt pos­i­tiv­er zu bew­erten als dies tat­säch­lich sein­er Mei­n­ung entspreche, um weit­er­hin an dem Pro­gramm teil­nehmen zu dürfen.

Die im Eil­ver­fahren ergan­gene Entschei­dung ist nicht anfechtbar.

Weit­ere Infor­ma­tio­nen: https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de/p…