(Kiel) Der Erste Sen­at des Bun­desver­fas­sungs­gerichts hat vier Ver­fas­sungs­beschw­er­den zurück­gewiesen, die die Erhe­bung ein­er Steuer auf ent­geltliche Über­nach­tun­gen in Beherber­gungs­be­trieben (Über­nach­tung­s­teuer) in der Freien und Hans­es­tadt Ham­burg, in der Freien Hans­es­tadt Bre­men sowie in der Stadt Freiburg im Breis­gau betreffen.

Darauf ver­weist der Nürn­berg­er Fachan­walt für Erb- und Steuer­recht sowie Han­dels- und Gesellschaft­srecht Dr. Nor­bert Giesel­er, Vizepräsi­dent der Vizepräsi­dent der DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel unter Hin­weis auf die Pressemit­teilung des Bun­desver­fas­sungs­gerichts (BVer­fG) vom 17.05.2022 zu seinem Beschluss vom 22. März 2022, Az. 1 BvR 2868/15, 1 BvR 354/16, 1 BvR 2887/15, 1 BvR 2886/15.

Eine Vielzahl von Städten und Gemein­den erhebt seit dem Jahr 2005 von den ansäs­si­gen Beherber­gungs­be­trieben eine Über­nach­tung­s­teuer, die sich zumeist auf einen niedri­gen Prozentsatz des Über­nach­tung­spreis­es (Net­toent­gelt) beläuft. Das Bun­desver­wal­tungs­gericht entsch­ied mit – nicht ver­fahrens­ge­gen­ständlichem – Grund­satzurteil vom 11. Juli 2012 — BVer­wG 9 CN 1.11 -, dass beru­flich ver­an­lasste Über­nach­tun­gen aus ver­fas­sungsrechtlichen Grün­den von der Steuer auszunehmen seien. Sei­ther nehmen deutsch­landweit sämtliche Über­nach­tung­s­teuerge­set­ze solche Über­nach­tun­gen von der Besteuerung aus. Gegen­stand der Ver­fas­sungs­beschw­er­den waren Entschei­dun­gen der Fachgerichte, denen die mit­tel­bar ange­grif­f­e­nen Regelun­gen der Über­nach­tung­s­teuer zu Grunde lagen.

Der Erste Sen­at hat nun entsch­ieden, dass die Vorschriften mit dem Grundge­setz vere­in­bar sind. Die Län­der haben die der Besteuerung zugrun­deliegen­den Geset­ze kom­pe­ten­zgemäß erlassen. Die Über­nach­tung­s­teuer ist eine örtliche Aufwand­s­teuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, die bun­des­ge­set­zlich geregel­ten Steuern nicht gle­ichar­tig ist. Die Geset­zge­bungs­befug­nis der Län­der ist ins­beson­dere nicht durch eine gle­ichar­tige Bun­dess­teuer ges­per­rt. Die Über­nach­tung­s­teuer­regelun­gen sind auch materiell mit dem Grundge­setz vere­in­bar. Sie belas­ten die betrof­fe­nen Beherber­gungs­be­triebe nicht über­mäßig. Der Geset­zge­ber kann zudem beru­flich ver­an­lasste Über­nach­tun­gen von der Aufwandbesteuerung aus­nehmen, muss dies aber nicht.

  • Sachver­halt:

Seit dem Jahr 2005 führten zahlre­iche Städte und Gemein­den unter Beru­fung auf Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG eine Steuer auf ent­geltliche Über­nach­tun­gen in Beherber­gungs­be­trieben im Gemein­dege­bi­et ein. Diese so genan­nte „Über­nach­tung­s­teuer“, „Hotel­s­teuer“ oder „Bet­ten­s­teuer“ (im Fol­gen­den: Über­nach­tung­s­teuer) beläuft sich zumeist auf einen niedri­gen Prozentsatz des Preis­es ein­er beru­flich ver­an­lassten Über­nach­tung (Net­toent­gelt) und wird in der Regel vom Über­nach­tungs­gast (Steuerträger) bei der Buchung oder der Anmel­dung im Beherber­gungs­be­trieb erhoben. Steuer­schuld­ner ist der jew­eilige Beherber­gungs­be­trieb. Er führt die Über­nach­tung­s­teuern an das Finan­zamt ab.

Sämtliche Beschw­erde­führerin­nen sind Beherber­gungs­be­triebe. Ihre Beschw­er­den richt­en sich gegen die Erhe­bung von Über­nach­tung­s­teuern in Ham­burg, Bre­men und der Stadt Freiburg im Breis­gau. Die Beschw­erde­führerin­nen zu II. und zu III. wen­den sich dabei gegen Steuer­an­mel­dun­gen und gegen Entschei­dun­gen über ihre dage­gen gerichteten Ein­sprüche. Eben­so wie die Beschw­erde­führerin zu I. wen­den sie sich darüber hin­aus gegen Gericht­sentschei­dun­gen über die Steuer­an­mel­dun­gen, die auf von ihnen für ver­fas­sungswidrig gehal­te­nen Lan­des­ge­set­zen beruhen. Die Beschw­erde­führerin zu IV. wen­det sich gegen eine kom­mu­nale Steuer­satzung, welche die Erhe­bung ein­er Über­nach­tung­s­teuer erlaubt. Neben einem Ver­stoß der Regelun­gen gegen die Geset­zge­bungskom­pe­tenz für die Aufwand­s­teuer gemäß Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG rügen die Beschw­erde­führerin­nen ins­beson­dere eine Ver­let­zung ihrer Berufs­frei­heit aus Art. 12 Abs. 1 GG, ihrer ver­mö­gen­srechtlichen Hand­lungs­frei­heit aus Art. 2 Abs. 1 GG und ihres Gle­ich­heits­grun­drechts aus Art. 3 Abs. 1 GG.

  • Wesentliche Erwä­gun­gen des Senats:

Die Ver­fas­sungs­beschw­er­den haben keinen Erfolg.

  1. Die Gericht­surteile und die ihnen zugrun­deliegen­den Nor­men greifen zwar in die all­ge­meine Hand­lungs­frei­heit der Beschw­erde­führerin­nen im ver­mö­gen­srechtlichen Bere­ich aus Art. 2 Abs. 1 GG sowie in ihre Beruf­sausübungs­frei­heit aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Diese Ein­griffe sind jedoch gerechtfertigt.
  2. Die Län­der haben die der Besteuerung zugrun­deliegen­den Geset­ze kom­pe­ten­zgemäß erlassen. Die stre­it­i­gen Über­nach­tung­s­teuern sind örtliche Aufwand­s­teuern im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, die bun­des­ge­set­zlich geregel­ten Steuern nicht gle­ichar­tig sind.
  3. Gegen­stand der Aufwand­s­teuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ist die Ver­wen­dung von Einkom­men für den per­sön­lichen Lebens­be­darf. Als Aufwand gilt dabei ein äußer­lich erkennbar­er Kon­sum, für den finanzielle Mit­tel ver­wen­det wer­den und der typ­is­cher­weise Aus­druck und Indika­tor wirtschaftlich­er Leis­tungs­fähigkeit ist, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mit­teln dieser Kon­sum finanziert wird und welchen Zweck­en er dient. Bei der Ham­bur­gis­chen Kul­tur- und Touris­mus­taxe, der Bremis­chen Touris­mus­ab­gabe und der Freiburg­er Über­nach­tung­s­teuer han­delt es sich dem­nach um Aufwand­s­teuern. Steuerge­gen­stand ist jew­eils der Aufwand des Beherber­gungs­gastes für die Möglichkeit ein­er ent­geltlichen Über­nach­tung in einem Beherber­gungs­be­trieb. Dieser von den Über­nach­tungs­gästen betriebene Aufwand wird bei den Beherber­gungs­be­trieben als Steuer­schuld­ner erhoben (indi­rek­te Steuer­erhe­bung). Die Über­nach­tung­s­teuer ist damit auf Abwälzung auf die Kon­sumenten angelegt.
  4. Die hier stre­it­i­gen Steuern sind wed­er der Umsatzs­teuer noch ein­er anderen bun­desrechtlich geregel­ten Steuer gle­ichar­tig. Das Gle­ichar­tigkeitsver­bot des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG schränkt das Steuer­erfind­ungsrecht der Län­der ein, das mit ihrer Befug­nis zur auss­chließlichen Geset­zge­bung über die örtlichen Ver­brauch- und Aufwand­s­teuern ver­bun­den ist. Für die Beurteilung der Gle­ichar­tigkeit kommt es auf eine Gesamt­be­tra­ch­tung der konkreten Aus­gestal­tung ein­er Aufwand­s­teuer ein­er­seits, eventuell gle­ichar­tiger Bun­dess­teuern ander­er­seits an. Eine weitre­ichende Sper­rwirkung für das Besteuerungsrecht von Län­dern und Kom­munen ist damit nicht ver­bun­den. Bei den stre­it­ge­gen­ständlichen Über­nach­tung­s­teuern han­delt es sich wed­er um flächenar­tige Umsatzs­teuern auf Lan­des- oder Kom­mu­nalebene noch ist der Aufwand ein­er ent­geltlichen Über­nach­tung in einem Beherber­gungs­be­trieb bish­er durch eine spezielle Steuer des Bun­des belegt. Dem­nach beste­ht keine Sper­rwirkung für die Geset­zge­bungs­befug­nis der Länder.
  5. Die Wahrnehmung der Steuerge­set­zge­bungskom­pe­tenz des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ver­let­zt im konkreten Fall auch nicht die Gren­zen rechts- und bun­desstaatlich­er Kom­pe­ten­zausübung. Die ange­grif­f­e­nen Steuer­regelun­gen ver­stoßen nicht gegen den Grund­satz der Wider­spruchs­frei­heit der Recht­sor­d­nung, weil sie keine Lenkungswirkung haben und daher von vorn­here­in nicht in die Sachge­set­zge­bungskom­pe­tenz des Bun­des­ge­set­zge­bers ein­greifen kön­nen. Sie ver­stoßen auch nicht gegen den Grund­satz der Bun­de­streue, weil die Lan­des­ge­set­zge­ber ihre Recht­set­zungskom­pe­tenz nicht miss­braucht haben.

III. Die Über­nach­tung­s­teuern sind auch materiell ver­fas­sungs­gemäß. Die Besteuerung beruht in Ham­burg und Bre­men auf ein­er lan­des­ge­set­zlichen Grund­lage, in Freiburg auf ein­er Satzung, die selb­st auf lan­des­ge­set­zlich­er Grund­lage ste­ht. Der Ein­griff in Art. 2 Abs. 1 GG ist eben­so gerecht­fer­tigt wie die mit der Steuer­erhe­bung ver­bun­de­nen Pflicht­en im Besteuerungsver­fahren, die Grun­drechte aus Art. 12 Abs. 1 GG betreffen.

  1. Der mit der Besteuerung ver­bun­dene Ein­griff in Art. 2 Abs. 1 GG ist gerecht­fer­tigt, weil die Aus­gestal­tung der Über­nach­tung­s­teuer­regelun­gen die Anforderun­gen des Gle­ich­heits­grun­drechts (Art. 3 Abs. 1 GG) wahrt und die Beschw­erde­führerin­nen nicht unver­hält­nis­mäßig belastet.
  2. a) Die Bes­tim­mung der Beherber­gungs­be­triebe zu Steuer­schuld­nern ver­let­zt den Grund­satz der gerecht­en Las­ten­verteilung nicht. Die indi­rek­te Erhe­bung der Über­nach­tung­s­teuern bei den Beherber­gungs­be­trieben ist im Sinne ein­er gle­ich­heits­gerecht­en Steuer­erhe­bung nachvol­lziehbar und nicht willkür­lich. Die Beherber­gungs­be­triebe ste­hen in ein­er beson­deren rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehung zum Steuerge­gen­stand, denn sie leis­ten einen maßgeben­den Beitrag zur Ver­wirk­lichung des steuer­be­grün­den­den Tatbe­stands der Über­nach­tung. Die Über­nach­tung­s­teuer ist zudem auf Abwälzung angelegt. Die Beschw­erde­führerin­nen kön­nen die Über­nach­tung­s­teuer ohne Weit­eres von den Über­nach­tungs­gästen, die aus nicht-beru­flichem Anlass über­nacht­en, vereinnahmen.
  3. b) Auch die Aus­nah­men von der Besteuerung für beru­flich ver­an­lasste Über­nach­tun­gen sind mit dem Gle­ich­heits­grun­drecht (Art. 3 Abs. 1 GG) vere­in­bar. Bei den Aus­nah­metatbestän­den han­delt es sich um Abwe­ichun­gen von der – mit der Wahl des Steuerge­gen­standes „ent­geltliche Über­nach­tun­gen in Beherber­gungs­be­trieben“ – ein­mal getrof­fe­nen Belas­tungsentschei­dung, die ihrer­seits am Gle­ich­heitssatz zu messen sind. Danach kann ein Nor­mge­ber die beru­fliche Ver­an­las­sung als Anknüp­fungspunkt für eine Dif­feren­zierung bei der Aufwandbesteuerung wählen und für die Beruf­sausübung zwin­gend erforder­liche Über­nach­tun­gen von der Besteuerung aus­nehmen, um etwa der (lokalen) Wirtschafts­förderung zu dienen. Der Geset­zge­ber ist indes von Ver­fas­sungs wegen nicht dazu gezwun­gen, von ein­er Besteuerung beru­flich ver­an­lasster Über­nach­tun­gen abzusehen.
  4. c) Die ange­grif­f­e­nen Vorschriften lei­den auch nicht an einem mit Art. 3 Abs. 1 GG unvere­in­baren struk­turellen Erhe­bungs- und Vol­lzugs­de­fiz­it. Dass die fak­tis­chen Erhe­bungss­chwierigkeit­en, die aus der Steuer­aus­nahme für zwin­gend beru­flich ver­an­lasste Über­nach­tung resul­tieren, der­art in den ange­grif­f­e­nen Regelun­gen angelegt sind, dass das Recht wider­sprüch­lich auf Inef­fek­tiv­ität angelegt wäre, ist angesichts der Nachweis‑, Haf­tungs- und Sank­tion­sregelun­gen nicht ersichtlich.
  5. Der Ein­griff in die Berufs­frei­heit der Beschw­erde­führerin­nen aus Art. 12 Abs. 1 GG durch deren Indi­en­st­nahme als Zahlstelle für die Über­nach­tung­s­teuer ist eben­falls gerecht­fer­tigt. Eine für die Beschw­erde­führerin­nen weniger belas­tende Bes­tim­mung zum Steuer­en­trich­tungspflichti­gen stellt kein gle­ich geeignetes Mit­tel dar, da die Haf­tung als Steuer­schuld­ner für die Durch­set­zung der Steuerpflicht offen­sichtlich effek­tiv­er ist. Eine direk­te Erhe­bung bei den Über­nach­tungs­gästen wäre nicht prak­tik­a­bel. Den Beschw­erde­führerin­nen ist es ins­ge­samt zumut­bar, die Steuer­erhe­bung durch ihre Mitwirkung zu ermöglichen. Durch die Pflicht­en ins­beson­dere zur Steuer­an­mel­dung sowie zur Abführung der Steuer entste­ht ihnen zwar ein zusät­zlich­er, allein der Über­nach­tung­s­teuer geschulde­ter Aufwand. Diese zusät­zlichen Pflicht­en im Besteuerungsver­fahren stellen aber eine unternehmen­styp­is­che Tätigkeit dar, die über ähn­liche Belas­tun­gen des Melderechts und des Umsatzs­teuer­rechts nicht hinausgeht.

Recht­san­walt Dr. Giesel­er emp­fahl, dies zu beacht­en und in allen Zweifels­fra­gen auf jeden Fall Recht­srat einzu­holen, wobei er in diesem Zusam­men­hang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuer­ber­ater­vere­ini­gung für die mit­tel­ständis­che Wirtschaft e. V. – www.mittelstands-anwaelte.de  — verwies.

 

Für Rück­fra­gen ste­ht Ihnen zur Verfügung:

 Dr. Nor­bert Gieseler

Recht­san­walt

Fachan­walt für Erbrecht

Fachan­walt für Steuerrecht

Fachan­walt für Han­dels- und Gesellschaftsrecht

DASV Vize-Präsi­dent

 

c/o Mein­hardt, Giesel­er & Partner

Rathenau­platz 4–8
90489 Nürnberg

Tel.:  0911 580 560–0
Fax:  0911 580 560–99
Email: kanzlei@mgup.de

http://www.mgup-kanzlei.de/